TE Vfgh Beschluss 1999/10/13 G79/99

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Veröffentlicht am 13.10.1999
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
AsylG 1997 §44 Abs3
RAO §19a

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung der Regelung über die Kostentragung in einem höchstgerichtlichen Verfahren bei Zurückweisung der Beschwerde gemäß den Übergangsbestimmungen des AsylG 1997 wegen zumutbaren Umwegs des Erstantragstellers bzw mangels Eingriffs in die Rechtssphäre des zweitantragstellenden Rechtsanwaltes; allenfalls nur wirtschaftliche Interessen berührt

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in Form der Gebührenbefreiung des Erstantragstellers wird abgewiesen.

Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Individualantrag vom 28. April 1999 begehren die beiden Antragsteller, §44 Abs3 erster Satz des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 (im folgenden: AsylG 1997), als verfassungswidrig aufzuheben.

2. §44 Abs2 (idF der Aufhebungskundmachung BGBl. I Nr. 110/1998) und Abs3 erster Satz AsylG 1997 lauten:

"§44. ...

(2) Verfahren betreffend Bescheide nach dem Asylgesetz 1991, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, und nicht gemäß §34 Abs1 VwGG oder §19 Abs3 Z2 lita, b, d oder e VfGG zurückzuweisen sind, treten mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurück.

(3) Der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, die Parteien eines solchen höchstgerichtlichen Verfahrens haben die Kosten für ihre Aufwendungen selbst zu tragen. ..."

3.a) Zur Begründung der Antragslegitimation führt der Erstantragsteller (- ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, dessen Asylantrag im Instanzenzug abgewiesen worden war -) aus:

"Die vom Zweitantragsteller für den Erstantragsteller beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29.12.1995" (welche jener mit Beschluß vom 2.4.1998, Zl. 96/20/0101, zurückwies und aussprach, daß die Parteien des Verfahrens die Kosten für ihre Aufwendungen selbst zu tragen haben), "war durchaus aussichtsreich: ...

Aller Wahrscheinlichkeit nach wäre daher die Beschwerde des Erstantragstellers gegen den in Rede stehenden Bescheid erfolgreich gewesen, zumal sie sich auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen konnte.

Durch §44 Abs3 erster Satz AsylG 1997 wurde dem Erstantragsteller rückwirkend der Rechtsanspruch, dass ihm die rechtsanwaltlichen Vertretungskosten für die Verfassung und Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29.12.1995 im Falle des Obsiegens, der Klaglosstellung oder nach §58 Abs2 VwGG ersetzt werden, entzogen.

Damit wurde in die Eigentumsrechte des Erstantragstellers direkt und unmittelbar eingegriffen, der Erstantragsteller wurde damit direkt und unmittelbar in seinem Vermögen geschädigt. ...

§44 Abs3 erster Satz AsylG 1997 ist für den Erstantragsteller unmittelbar wirksam geworden, ohne dass es dazu der Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder der Erlassung eines Bescheides bedurft hat."

b) Der Zweitantragsteller (- der (ua) den Erstantragsteller im erwähnten verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als bevollmächtigter Rechtsanwalt vertrat -) begründet seine Antragslegitimation wie folgt:

"Unter der Voraussetzung, dass die Beschwerde erfolgreich ist, der Beschwerdeführer klaglos gestellt wird oder ein Fall des §58 Abs2 VwGG vorliegt, muss der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des VwGG der belangten Behörde den Ersatz der Kosten für die Beschwerdeeinbringung (...) auferlegen.

An dieser Kostenersatzforderung kommt dem Rechtsanwalt gem. §19 a der Rechtsanwaltsordnung RGBl. Nr. 96/1868 ein (gesetzliches) Pfandrecht zu (Pfandrecht an der Kostenersatzforderung gem. §19 a RAO). ...

In sämtlichen (vom Zweitantragsteller vertretenen) Fällen ist es aufgrund der Bestimmung des §44 Abs3 erster Satz AsylG 1997 dazu gekommen, dass ein Kostenersatz vom Verwaltungsgerichtshof nicht zuerkannt wurde, sondern jeweils ein Beschluss im Sinne des §44 Abs3 erster Satz leg.cit. erging.

Somit ist in sämtlichen angeführten Fällen §44 Abs3 erster Satz AsylG 1997 in der Rechtssphäre des Zweitantragstellers unmittelbar wirksam geworden, ohne dass es dazu der Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder der Erlassung eines verwaltungsbehördlichen Bescheides bedurft hätte. ...

Der Zweitantragsteller macht geltend, dadurch in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf gleiche Behandlung vor dem Gesetz (Art7 B-VG) sowie auf Unverletzlichkeit des Eigentums gem. Art5 Staatsgrundgesetz und gem. Art1 erstes Zusatzprotokoll zur EMRK verletzt worden zu sein."

II. Der Individualantrag ist nicht zulässig.

1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB. VfSlg. 11684/1988, 13871/1994, 14752/1997).

Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ua. dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig ist, das dem Betroffenen Gelegenheit bietet, die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B-VG anzuregen (VfSlg. 13871/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur, ferner VfSlg. 14752/1997). Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall, daß ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig war, in dem der Antragsteller die Möglichkeit hatte, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (VfSlg. 8890/1980, 12810/1991, 14752/1997). In einem solchen Fall wäre ein Individualantrag nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (s. zB. VfSlg. 13871/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur, ferner VfSlg. 14752/1997). Man gelangte andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB. VfSlg. 8890/1980, 11823/1988, 13659/1993, 14752/1997).

2. Auch im konkreten Fall stand dem Erstantragsteller die Möglichkeit offen, im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof seine verfassungsrechtlichen Bedenken vorzubringen und dort in bezug auf die zu gewärtigende (negative) Kostenentscheidung die amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl. VfSlg. 13871/1994).

3. Dem Zweitantragsteller, der sein rechtliches Interesse auf das in §19a RAO normierte Pfandrecht des Rechtsanwaltes an der Kostenersatzforderung der Partei stützt, ist entgegenzuhalten, daß der Kostenersatzanspruch ein Anspruch des Klienten und nicht etwa des Anwaltes ist (s. Heller, Der Verfassungsgerichtshof zur Mindestkörperschaftssteuer, AnwBl 1997, 374 (375)) und überdies das in Rede stehende gesetzliche Pfandrecht erst mit der Rechtskraft der über den Kostenersatz absprechenden Entscheidung entsteht (vgl. SZ 53/133; JBl 1995, 381 ff). Aus diesem Grund berührt die angefochtene Gesetzesvorschrift nicht die Rechtssphäre des Zweitantragstellers, sondern greift allenfalls nur in dessen wirtschaftliche Interessen ein.

4. Der Antrag ist sohin schon aus diesen Gründen nicht zulässig und war - ohne auf das Vorliegen sonstiger Prozeßvoraussetzungen einzugehen - zurückzuweisen.

5. Da sich die angestrebte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos erweist, war der vom Erstantragsteller eingebrachte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in Form der Gebührenbefreiung abzuweisen.

III. Diese Beschlüsse konnten

gemäß §19 Abs3 Z2 VerfGG sowie gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Asylrecht, Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:G79.1999

Dokumentnummer

JFT_10008987_99G00079_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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