TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/31 2002/18/0217

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Veröffentlicht am 31.10.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/02 Staatsbürgerschaft Staatenlosigkeit;

Norm

AsylG 1997 §1 Abs3;
AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §19;
AsylG 1997 §6 Z3;
Dubliner Übk 1997 Art10;
Dubliner Übk 1997 Art11;
FrG 1997 §1 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1976, vertreten durch Mag. Mario Schmieder, Rechtsanwalt in 4710 Grieskirchen, Rossmarkt 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 24. Mai 2002, Zl. St 111/02, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 24. Mai 2002 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei - den erstinstanzlichen Feststellungen zufolge - am 14. Mai 2001 unter Umgehung der Grenzkontrolle ("illegal") nach Österreich eingereist. Mit Bescheid vom 15. Mai 2001 sei der Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 2 Z. 6 FrG bereits einmal rechtskräftig ausgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe in der Folge einen Asylantrag gestellt. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 sei ihm nach der Mitteilung des Bundesasylamtes vom 13. Juli 2001 nicht zuerkannt worden. Sein Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Juli 2001 gemäß § 6 Z. 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden. Der dagegen erhobenen Berufung habe der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 13. November 2001 keine Folge gegeben. Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben, der dieser die aufschiebende Wirkung zuerkannt, über sie aber noch nicht entschieden habe.

Am 6. Februar 2002 sei die erstinstanzliche Behörde darüber informiert worden, dass der Beschwerdeführer in die Bundesrepublik Deutschland ausgereist sei. (Wie er in der Berufung angegeben habe, wäre die Einreise unabsichtlich erfolgt, weil er eigentlich seinen Onkel in Bad Hofgastein hätte besuchen wollen.) Damit habe er die mit Bescheid vom 15. Mai 2001 angeordnete Ausreise (wenn auch unbewusst) befolgt. In der Folge habe er auf Grund des Dubliner Übereinkommens rückübernommen werden müssen. Seit dem 14. Februar 2002 halte er sich wiederum nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf und könne daher ausgewiesen werden. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof verschaffe dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht, sondern lediglich einen Abschiebungsschutz.

Der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, dass ihm nach dem Asylgesetz keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme. Es sei ihm weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel erteilt worden. Er halte sich seit dem 14. Februar 2002, sohin seit mehreren Monaten, wiederum unrechtmäßig in Österreich auf. Zwar hielten sich auch die Eltern des Beschwerdeführers in Österreich auf, der Eingriff durch die beabsichtigte Maßnahme in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei jedoch zu relativieren, weil sich die Ehegattin und der Sohn des Beschwerdeführers in seinem Heimatland aufhielten. Der unrechtmäßige Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß. Die Ausweisung sei demnach gemäß § 37 Abs. 1 FrG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, am 14. Mai 2001 das Bundesgebiet unter Umgehung der Grenzkontrolle betreten zu haben. Er verweist jedoch auf die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach er am 6. Februar 2002 in die Bundesrepublik Deutschland ausgereist und am 14. Februar 2002 auf Grund der Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens nach Österreich rückgeschoben worden sei. Daraus möchte der Beschwerdeführer ableiten, die Einreise wäre nicht illegal, sondern "am 14.2.2002 rechtmäßig auf Grund des Dubliner-Übereinkommens" erfolgt. Die illegale Einreise am 14. Mai 2001 sei durch die Ausreise am 6. Februar 2002 "konsumiert" worden. Die (zweite) "Einreise" am 14. Februar 2002 habe "nicht unter Umgehung der Bestimmungen des zweiten Hauptstückes des FrG bzw. unter Umgehung der Grenzkontrollen" stattgefunden. Damit gelange der Beschwerdeführer "in den Genuss der ex lege gültigen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 1 Asylgesetz".

Dem kann nicht beigepflichtet werden.

2.1. § 19 AsylG in der für den maßgebenden Zeitraum noch anzuwendenden Stammfassung BGBl. I Nr. 76/1997 lautet:

"Vorläufige Aufenthaltsberechtigung

§ 19. (1) Asylwerber, die sich - sei es auch im Rahmen einer Vorführung nach Anreise über einen Flugplatz oder nach direkter Anreise aus dem Herkunftsstaat (§ 17 Abs. 1) - im Bundesgebiet befinden, sind vorläufig zum Aufenthalt berechtigt, es sei denn, ihr Antrag wäre wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Vorgeführte Asylwerber dürfen jedoch dazu verhalten werden, sich zur Sicherung einer Zurückweisung während der der Grenzkontrolle folgenden Woche an einen bestimmten Ort im Grenzkontrollbereich oder im Bereich des Bundesasylamtes aufzuhalten; solche Asylwerber dürfen jedoch jederzeit ausreisen.

(2) Asylwerber, die unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereist sind, haben die vorläufige Aufenthaltsberechtigung erst, wenn sie von der Behörde zuerkannt wird. Die Behörde hat solchen Asylwerbern, deren Antrag zulässig, aber nicht offensichtlich unbegründet ist, unverzüglich die vorläufige Aufenthaltsberechtigung durch Aushändigung der Bescheinigung zuzuerkennen.

(3) Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung ist Asylwerbern, denen die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukommt, von Amts wegen zu bescheinigen. Der Bundesminister für Inneres hat mit Verordnung das Aussehen der Bescheinigung festzulegen. Die Bescheinigung ist mit einer Gültigkeitsdauer von höchstens drei Monaten zu versehen, die jeweils um höchstens drei Monate verlängert werden darf.

(4) Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung endet, wenn das Asylverfahren eingestellt oder rechtskräftig abgeschlossen ist. Die Bescheinigung ist dann vom Bundesasylamt oder von der Fremdenpolizeibehörde einzuziehen."

Der Beschwerdeführer ist am 14. Mai 2001 unstreitig unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist. Kurz danach hat er einen Asylantrag eingebracht und dadurch gemäß § 1 Z 3 AsylG die Stellung eines Asylwerbers erlangt. Erst damit hat der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 19 Abs. 2 erster Satz AsylG vollständig erfüllt. Aus- und Einreisebewegungen (§ 1 Abs. 2 FrG) des Beschwerdeführers, die nach der erstmaligen Erfüllung dieses Tatbestandes erfolgen, beseitigen (bzw. mit dem Wort des Beschwerdeführers "konsumieren") jedenfalls dann nicht die damit verbundene Rechtsfolge (nämlich die Notwendigkeit der ausdrücklichen Zuerkennung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, um eine solche zu haben), wenn er - wie im vorliegenden Fall - auf Grund der Art. 10 und 11 des Dubliner Übereinkommens, BGBl. III Nr. 165/1997, zurückgeschoben wird, erweist sich doch von der Zielsetzung dieses Übereinkommens her die Rückschiebung des Beschwerdeführers nicht als eine "Einreise", die einen Tatbestand des § 19 AsylG erfüllen könnte. Dieses Ergebnis ist sachgerecht, denn der Beschwerdeführer soll mit der vorliegenden Maßnahme im Zuge der Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gestellten Asylantrages nicht besser gestellt werden als Asylwerber, die während ihres Asylverfahrens derartige Reisebewegungen nicht vornehmen. Diese Maßnahme dient vielmehr nur dazu, den vor der Ausreise des Beschwerdeführers bestehenden asyl- und aufenthaltsrechtlichen Status wieder herzustellen.

2.2. Aus § 19 Abs. 2 AsylG ist abzuleiten, dass auch den Asylwerbern, die unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereist sind, eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung gewährt werden soll, außer es liegt eine Entscheidung darüber vor, dass der Asylantrag unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Die letztgenannte Voraussetzung ist hier erfüllt, weil nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid ein rechtskräftiger Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. November 2001 vorliegt, mit dem der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z. 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist. Sobald eine Entscheidung darüber vorliegt, dass der Asylantrag des Fremden unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, kann die Fremdenbehörde - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - von ihrer Ermächtigung zur Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG Gebrauch machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 2000, Zl. 99/21/0266). An der Entscheidung nach § 6 Z. 3 AsylG ändert der Umstand nichts, dass der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde gegen die Abweisung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet mit Beschluss vom 3. Jänner 2002 die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat, denn kommt § 19 Abs. 2 AsylG nicht zum Tragen, vermag auch der genannte hg. Beschluss keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zu begründen (vgl. das die Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 4 AsylG betreffende hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2000/18/0171). Vor diesem Hintergrund besteht - entgegen der Beschwerde - gegen die Auffassung der Behörde, dass vorliegend die Voraussetzung des § 33 Abs. 1 FrG vorliege, kein Einwand, zumal der Beschwerdeführer durch die oben erwähnte Rückschiebung nach dem Dubliner Übereinkommen seinen Aufenthalt auch nicht gemäß § 31 Abs. 1 Z. 1 FrG legalisieren konnte.

3. Auch die gemäß § 37 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung ist unbedenklich. Die belangte Behörde hat auf den insgesamt einjährigen, unrechtmäßigen und durch die (unbeabsichtigte) Ausreise nach Deutschland für wenige Tage unterbrochenen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie auf den Umstand Bedacht genommen, dass sich seine Eltern ebenfalls in Österreich, die Ehefrau und das Kind des Beschwerdeführers aber in dessen Heimat aufhalten. Eine aus seinem inländischen Aufenthalt allenfalls ableitbare Integration wäre in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass sie lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen wäre. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 20. Dezember 1999, Zl. 98/18/0230). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gravierend beeinträchtigt. Seine persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib in Österreich sind aus den genannten Gründen nicht so stark ausgeprägt, dass sie das besagte maßgebliche öffentliche Interesse überwiegen. Die belangte Behörde ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Maßnahme der Ausweisung zur Erreichung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles des Schutzes der öffentlichen Ordnung dringend geboten und daher zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG ist.

Der Umstand, dass sich auch ein Onkel des Beschwerdeführers (und allenfalls auch ein Bruder) in Österreich aufhält, kann am Ergebnis dieser Interessenabwägung nichts ändern. Die auf Feststellungen über den Aufenthaltsort von Verwandten des Beschwerdeführers abzielenden Verfahrensrügen gehen daher ins Leere.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 31. Oktober 2002

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002180217.X00

Im RIS seit

05.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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