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DE-22 Zivilprozess Deutschland;Norm
EheGDV 04te §24 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des NK in Haid, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 21. April 1999, 252.988/3-I.9/1999, betreffend Anerkennung eines ausländischen Ehescheidungsurteils (mitbeteiligte Partei: HK in Traun), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer und die Mitbeteiligte haben am 28. August 1971 in Kozarac/Bosnien-Herzegowina die Ehe geschlossen. Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. September 1993 wurde ihnen die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen; auf den Nachweis des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband wurde verzichtet. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides wurde die Mitbeteiligte "noch nicht aus der Staatsbürgerschaft von Bosnien-Herzegowina entlassen". Während der Dauer eines vom Beschwerdeführer bei dem Bezirksgericht Gradiska/Bosnien-Herzegowina eingeleiteten Scheidungsverfahrens hatte die Mitbeteiligte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Sie wurde weder im Weg der Rechtshilfe durch ein österreichisches Gericht von dem Scheidungsverfahren verständigt, noch wurde ihr in Bosnien-Herzegowina eine den Prozess einleitende Ladung oder Verfügung persönlich zugestellt; vielmehr versuchte das genannte Bezirksgericht mehrfach, der Mitbeteiligten Ladungen für die Scheidungsverhandlungen durch Boten in Österreich zuzustellen. Die Mitbeteiligte hat sich weder persönlich noch durch einen von ihr selbst gewählten Vertreter am Scheidungsverfahren in Bosnien-Herzegowina beteiligt, weshalb ihr ein Verfahrenshelfer bestellt wurde. Die Ehe wurde unter Anwendung bosnisch-herzegowinischen Scheidungsrechts mit Urteil des Bezirksgerichts Gradiska vom 2. September 1998, P 342/98, geschieden; mangels Erhebung einer Berufung wurde das Urteil nach bosnisch-herzegowinischem Recht am 10. Oktober 1998 rechtskräftig. Aus Anlass eines von der Mitbeteiligten vor dem Bezirksgericht Linz-Land am 2. November 1998 eingeleiteten Ehescheidungsverfahrens beantragte der Beschwerdeführer beim Bundesminister für Justiz die Anerkennung des oben angeführten Urteiles des Bezirksgerichtes Gradiska. Die mitbeteiligte Partei sprach sich gegen die Anerkennung aus; sie sei österreichische Staatsbürgerin und sei vom Scheidungsverfahren in Bosnien-Herzegowina nicht ordnungsgemäß verständigt worden.
Die belangte Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers ab. In der Begründung legte sie dar, nach § 24 Abs. 1 der Vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 25. Oktober 1941, dRGBl I, S 654, (in weiterer Folge: 4. DVEheG) seien Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben oder dem Bande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden werde oder durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien festgestellt sei, in Österreich nur wirksam, wenn das Bundesministerium für Justiz festgestellt habe, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung gegeben seien. Dabei sei § 328 der deutschen Zivilprozessordnung (in weiterer Folge: dZPO) sinngemäß anzuwenden. Nach § 328 Abs. 1 Z. 1 dZPO (in sinngemäßer Anwendung) müsse das entscheidende Gericht nach österreichischem Recht, das bedeute: unter spiegelbildlicher Anwendung österreichischer Vorschriften, zur Entscheidung international zuständig (im Sinn der inländischen Gerichtsbarkeit) gewesen sein. Bei der in § 76 Abs. 2 JN geregelten inländischen Scheidungsgerichtsbarkeit handle es sich um keine ausschließliche Zuordnung zu österreichischen Gerichten. Das Vorliegen österreichischer Scheidungsgerichtsbarkeit schließe also nicht aus, dass die Scheidungsgerichtsbarkeit anderer Staaten anerkannt werde. Nach § 76 Abs. 2 Z. 1 JN sei österreichische Scheidungsgerichtsbarkeit gegeben, wenn einer der Ehegatten (auch) österreichischer Staatsbürger sei. Demgemäß hätten die bosnisch-herzegowinischen Gerichte unter spiegelbildlicher Anwendung dieser Bestimmung schon dann Scheidungsgerichtsbarkeit, wenn - wie im vorliegenden Fall die Mitbeteiligte - einer der Ehegatten auch (noch) bosnischherzegowinischer Staatsangehöriger gewesen sei. Da aus österreichischer Sicht sohin bosnisch-herzegowinische Scheidungsgerichtsbarkeit gegeben gewesen sei, liege der Versagungsgrund des § 328 Abs. 1 Z. 1 dZPO nicht vor. Nach § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO sei die Anerkennung zu versagen, wenn der unterlegene Beklagte Österreicher war und sich auf den Prozess nicht eingelassen habe, sofern ihm die den Prozess einleitende Ladung oder Verfügung weder im Staate des Prozessgerichtes in Person noch durch Gewährung österreichischer Rechtshilfe zugestellt worden sei. Dieser Versagungsgrund sei gegeben, weil sich die Mitbeteiligte als im Scheidungsverfahren beklagte österreichische Staatsangehörige nicht in das Verfahren eingelassen habe und ihr die verfahrenseinleitende Ladung oder Verfügung auch nicht persönlich in Bosnien-Herzegowina oder in Österreich im Rechtshilfeweg (über Vermittlung des Bundesministeriums für Justiz durch ein österreichisches Rechtshilfegericht) zugestellt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde; darin wird Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Anerkennung der Entscheidung des Bezirksgerichts Gradiska/Bosnien-Herzegowina vom 2. September 1998, mit der die Ehe des Beschwerdeführers mit der Mitbeteiligten geschieden wurde, verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die belangte Behörde eine nicht mehr dem Rechtsbestand angehörende Fassung der Bestimmung des § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO angewendet habe. § 24 Abs. 1 DVEheG verweise auf die sinngemäße Anwendung des § 328 dZPO. Schon nach der Formulierung des Gesetzestextes handle es sich dabei eindeutig um eine dynamische Verweisung, sodass die genannte Bestimmung der dZPO in der jeweils aktuellen Fassung anzuwenden sei. Nach der aktuellen und für die Beurteilung des gegenständlichen Falles maßgebenden Fassung (gemeint offenbar: des dIPRG 1986, dBGBl. 1986 I 1142) sei die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ausgeschlossen, wenn "dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte". Im vorliegenden Fall sei der Mitbeteiligten - entsprechend dem bosnischen Zustellrecht - durch Boten zugestellt worden. Die Zustellung sei daher im Sinne des Zustellrechts des Erststaates und somit ordnungsgemäß im Sinn des § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO in der aktuellen Fassung erfolgt. Die Ladung sei rechtzeitig erfolgt, sodass eine Prozesseinlassung und Prozessverteidigung für die Mitbeteiligte möglich gewesen wäre. Der Versagungsgrund des § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO komme daher nicht zur Anwendung.
Damit ist die Beschwerde nicht im Recht.
Das vorliegende Verfahren wurde durch Antrag des Beschwerdeführers vom 24. Februar 1999 eingeleitet; der angefochtene Bescheid wurde am 27. April 1999 erlassen. Die belangte Behörde hatte ihrem Bescheid - und der Verwaltungsgerichtshof hat der Überprüfung dieses Bescheides - daher die mittlerweile (mit Art. XIII des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2001 - KindRÄG 2001, BGBl. I Nr. 135/2000) aufgehobene Vorschrift des § 24 Abs. 1 der Vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 25. Oktober 1941, Deutsches RGBl. I S 654 (4. DVEheG), zugrunde zu legen (vgl. Art. XVIII § 1 Abs. 1 und § 7 KindRÄG 2001).
§ 24 Abs. 1 4. DVEheG zählt zu jenen nach dem 13. März 1938 für die Republik Österreich erlassenen Gesetzen, die durch § 2 Rechts-Überleitungsgesetz - R-ÜG, StGBl. Nr. 6/1945, bis zur Neugestaltung der einzelnen Rechtsgebiete als österreichische Rechtsvorschriften in vorläufige Geltung gesetzt wurden. Diese Vorschrift (in der auf österreichische Verhältnisse umgestellten Fassung) lautete:
"Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, dem Bande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden oder durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien festgestellt ist, sind in Österreich nur wirksam, wenn der Bundesminister für Justiz oder die von ihm bestimmte Stelle festgestellt hat, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung gegeben sind. Dabei ist § 328 der Reichs-Zivilprozessordnung sinngemäß auch in den Gebietsteilen anzuwenden, in denen diese Vorschrift nicht gilt. Von dem Erfordernis der Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 328 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 der Reichs-Zivilprozessordnung) kann abgesehen werden. Die Feststellung ist für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend."
Tragend für den Standpunkt der Beschwerde ist deren Auffassung, schon aus dem Text des § 24 Abs. 1 4. DVEheG ergebe sich, dass es sich um eine dynamische Verweisung handle, sodass die genannte Bestimmung der deutschen Zivilprozessordnung in der jeweils aktuellen Fassung (gemeint offenbar: des dIPRG 1986, dBGBl. 1986 I 1142) anzuwenden sei.
Damit übersieht die Beschwerde, dass die Geltung der Vorschrift als Bestandteil des österreichischen Rechts ab dem 1. Mai 1945 auf der durch § 2 R-ÜG bewirkten Transformation beruht. Diese umfasste nach dem Inhalt der Anordnung, die "Gesetze, die nach dem 13. März 1938 ... erlassen wurden", bis zur Neugestaltung der einzelnen Rechtsgebiete als österreichische Vorschriften in vorläufige Geltung setzt, die übergeleiteten Vorschriften mit ihrem am 1. Mai 1945 vorgefundenen Inhalt. In der durch § 2 R-ÜG determinierten Fassung ist der Verweis auf § 328 dZPO in § 24 Abs. 1 4. DVEheG als Verweisung auf eine Rechtsvorschrift in der Fassung vom 1. Mai 1945 zu lesen, die somit in dieser Fassung zum Inhalt der verweisenden Norm, des § 24 Abs. 1 4. DVEheG, wurde. Eine "dynamische Verweisung" auf deutsches Zivilprozessrecht in der Form, wie sie der Beschwerde vorschwebt, nämlich, dass - wie der Verfassungsgerichtshof zum Verhältnis Bundesrecht-Landesrecht ausführte - "der Gesetzgeber ... nicht selbst den Inhalt der Norm festlegt, sondern dies einem anderen Gesetzgeber überlässt, indem er für die Zukunft die jeweiligen Gesetzesbefehle des anderen Gesetzgebers als eigene Gesetzesbefehle erklärt, obwohl ihr Inhalt noch gar nicht feststeht und daher auch nirgends umschrieben ist" (vgl. VfSlg. 12.384 mwN) liegt hier nicht vor. Hätte § 24 Abs. 1
4. DVEheG iVm § 2 R-ÜG den von der Beschwerde angenommenen Inhalt, läge darin auch weder ein verfassungsrechtlich zulässiges "Anknüpfen" an Normen einer "fremden" Rechtsetzungsautorität (vgl. auch hiezu VfSlg. 12.384 sowie VfSlg. 13.501) noch eine Kollisionsnorm, die im Hinblick auf bestimmte Anknüpfungspunkte im Sachverhalt auf eine bestimmte "fremde" Rechtsordnung verweist; eine Regelung mit dem von der Beschwerde angenommenen Inhalt wäre vielmehr eine (verfassungswidrige) Delegation von Gesetzgebungsbefugnissen an eine nicht aus der österreichischen Bundesverfassung abgeleitete Rechtsetzungsautorität.
Gemäß dem kraft Verweisung zum Inhalt von § 24 der 4. DVEheG erklärten und gemäß § 2 R-ÜG auf österreichische Verhältnisse umgestellten § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Zeitpunktes der Rechtsüberleitung) ist die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ausgeschlossen,
"wenn der unterlegene Beklagte ein Österreicher ist und sich auf den Prozess nicht eingelassen hat, sofern die den Prozess einleitende Ladung oder Verfügung ihm weder in dem Staate des Prozessgerichts in Person noch durch Gewährung österreichischer Rechtshilfe zugestellt ist".
Auf der Grundlage des mängelfrei ermittelten Sachverhalts entspricht daher die Auffassung der belangten Behörde, dass der Versagungsgrund des § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO vorliege, dem Gesetz.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die belangte Behörde sei eine Begründung dafür, dass sie eine "nicht mehr aktuelle Fassung des § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO" angewendet habe, schuldig geblieben; somit sei der Bescheid mit einem entscheidungswesentlichen Begründungsmangel belastet. Zudem habe die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor Erlassung des gegenständlichen Bescheids nicht bekannt gegeben, dass sie beabsichtige, ihrer Entscheidung eine nicht mehr dem Rechtsbestand angehörende Rechtsvorschrift zu Grunde zu legen; der Beschwerdeführer sei daher auch in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt. Schließlich habe die belangte Behörde keinerlei Sachverhaltsfeststellungen getroffen, die es erlauben würden, das Vorliegen des Versagungsgrunds des § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO in der nunmehr geltenden Fassung zu beurteilen; sohin bedürfe der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung.
Diesem Vorbringen liegt die unzutreffende Annahme zu Grunde, dass § 24 der 4. DVEheG "dynamisch" auf § 328 dZPO verweise. Auf Grundlage der oben dargelegten zutreffenden Rechtsauffassung konnte jedoch die belangte Behörde zu keinem anderen Ergebnis gelangen; schon deshalb vermag der Beschwerdeführer mit seinen Vorbringen keine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuzeigen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH - Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 4. November 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001100149.X00Im RIS seit
05.02.2003