TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/4 2001/10/0245

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Veröffentlicht am 04.11.2002
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Index

72/13 Studienförderung;

Norm

StudFG 1992 §20 Abs1;
StudFG 1992 §48 Abs2;
StudFG 1992 §51 Abs1 Z5;
StudFG 1992 §51 Abs3 Z1;
StudFG 1992 §51 Abs3 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der S Wien, vertreten durch Dr. Robert Krasa, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Museumstraße 4, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 21. August 2001, Zl. 54.000/8-VIII/D/4a/2001, betreffend Rückzahlung von Studienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin unter Berufung auf die §§ 48 Abs. 1 und 2 sowie 51 Abs. 1 Z. 5 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305 (StudFG), die in den ersten beiden Studiensemestern bezogene Studienbeihilfe in der Höhe von S 71.800,-- binnen vier Wochen bei sonstiger Vollstreckung zurückzuzahlen.

Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin im Sommersemester 1998 und im Wintersemester 1998/99 für die ersten beiden von ihr an der Technischen Universität Wien belegten Semester der Studienrichtung Bauingenieurwesen eine Studienbeihilfe in der Höhe von S 71.800,-- bezogen. Während dieser beiden Semester habe die Beschwerdeführerin keinerlei Prüfungen abgelegt, sondern sich um die Anerkennung der von ihr bereits an der Universität Bagdad absolvierten Prüfungen bemüht. Der Vorsitzende der Studienkommission für die Studienrichtung Bauingenieurwesen habe erstmals am 2. Dezember 1998 von der Beschwerdeführerin an der Universität Bagdad abgelegte Prüfungen anerkannt. An der Technischen Universität Wien habe die Beschwerdeführerin erstmals im Wintersemester 1999/2000 Prüfungen abgelegt. Am 12. April 2000 habe sie die erste Diplomprüfung unter Berücksichtigung der im Ausland absolvierten anerkannten Prüfungen und der an der Technischen Universität Wien abgelegten Prüfungen absolviert. Ihre beiden Kinder seien am 11. April 1998 und am 5. Juli 2000 geboren worden. In ihrer ersten Schwangerschaft hätten gesundheitliche Probleme im März und April 1998 zu mehrtägigen Spitalsaufenthalten geführt.

Die Studienbeihilfenbehörde habe mit Bescheid vom 2. Jänner 2001 die von der Beschwerdeführerin in den ersten beiden Studiensemestern ausbezahlte Studienbeihilfe zurückgefordert. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Beschwerdeführerin keinerlei Prüfungsnachweise gegenüber der Studienbehörde vorgelegt. Erst im Zuge des Rechtsmittelverfahrens gegen den Rückzahlungsbescheid habe sie erstmals im Wintersemester 2000/2001, also im insgesamt

6. inskribierten Semester, den Nachweis eines günstigen Studienerfolges vorgelegt.

Die Studienbeihilfenbehörde habe die Vorstellung der Beschwerdeführerin mittels Vorentscheidung abgewiesen, der Senat der Studienbeihilfenbehörde habe die Vorstellung mit Bescheid vom 5. Juli 2001 abgewiesen. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin Berufung erhoben, in der sie im Wesentlichen vorgebracht habe, zu Beginn ihres Studiums mit der Anerkennung ihrer Vorstudien an der Universität Bagdad beschäftigt gewesen zu sein. Außerdem habe sie gesundheitliche Probleme wegen ihrer Schwangerschaft gehabt. In diesem Zusammenhang habe sie auf § 19 StudFG über die Verlängerung der Anspruchsdauer verwiesen.

Nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass die Nichtvorlage des Studienerfolges in der Antragsfrist des 3. Semesters zwingend zur Rückzahlungsverpflichtung der Studienbeihilfe, die in den ersten beiden Semestern ausbezahlt worden sei, führe. Die Gründe, die zu dieser nicht zeitgerechten Vorlage der Studiennachweise geführt hätten, seien unerheblich. Die im § 19 Abs. 5 StudFG angeführten wichtigen Gründe, die zur Verlängerung der Anspruchsdauer führen könnten (Krankheit, Schwangerschaft, Pflege und Erziehung eines Kindes usw.), seien nicht geeignet, auch den Nachweiszeitraum für den günstigen Studienerfolg nach den ersten beiden Semestern zu verlängern. Die Verpflichtung zur Rückzahlung sei zwingendes Recht, von der keine Nachsicht erteilt werden könne. Nach § 51 Abs. 3 StudFG bestehe nur die Möglichkeit einer Reduktion der Rückzahlungsverpflichtung, welche aber voraussetze, dass die erforderlichen Prüfungen bis zum Ende der Antragsfrist im

3. Semester erworben, aber nicht zeitgerecht vorgelegt worden seien bzw. dass innerhalb der Antragsfrist des 5. Semesters ab Studienbeginn ein günstiger Studienerfolg nachgewiesen werde. Zur erstgenannten Möglichkeit sei festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin in den ersten drei Semestern ihres Studiums keinerlei Studienaktivität entfaltet, sondern erst im 4. Semester erstmals eine Prüfung an der Technischen Universität Wien absolviert habe. Sie habe daher den erforderlichen Studienerfolg in den ersten beiden Semestern nicht zeitgerecht erworben. Für die zweitgenannte Möglichkeit wäre es erforderlich gewesen, dass der günstige Studienerfolg, wie er im 5. Semester vorgeschrieben sei, der Studienbeihilfenbehörde nachgewiesen werde. Die Beschwerdeführerin habe jedoch erstmals Zeugnisse über ihren Studienfortgang im Wintersemester 2000/2001, also im insgesamt

6. Semester, vorgelegt. Der Umstand, dass sie den Studienerfolg zwar binnen fünf Semestern erworben habe, ändere nichts daran, da nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 3 Z. 1 StudFG auch die Vorlage des Studienerfolges gegenüber der Studienbeihilfenbehörde erforderlich sei.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 26. November 2001, B 1367/01, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 48 Abs. 1 (idF BGBl. Nr. 201/1996) und 2 (idF BGBl. Nr. 619/1994) StudFG lautet:

"§ 48. (1) Studierende, die in den ersten beiden insgesamt inskribierten Semestern (im ersten Ausbildungsjahr) oder in den ersten beiden Semestern eines an ein Diplomstudium anschließenden Doktoratsstudiums Studienbeihilfe bezogen haben, sind verpflichtet, spätestens in der auf das zweite Semester folgenden Antragsfrist (§ 39 Abs. 2) Nachweise über ihren Studienerfolg vorzulegen. Dies gilt auch für Studierende, die erstmals im zweiten insgesamt inskribierten Semester Studienbeihilfe bezogen haben.

(2) Die Nachweise gemäß Abs. 1 müssen zum Ausschluss der Rückzahlungsverpflichtung wenigstens das halbe Stundenausmaß jener Nachweise umfassen, die für den weiteren Bezug von Studienbeihilfe gefordert werden. Studierende an medizinisch-technischen Akademien und an Hebammenakademien haben statt dessen eine Bestätigung der Direktion über die erfolgreiche Ablegung wenigstens der Hälfte der vorgeschriebenen Einzelprüfungen vorzulegen."

Der die Antragsfrist regelnde § 39 Abs. 2 StudFG idF BGBl. Nr. 201/1996 lautet auszugsweise:

"(2) Anträge sind im Wintersemester in der Zeit vom 20. September bis 15. Dezember, im Sommersemester in der Zeit vom 20. Februar bis 15. Mai zu stellen. ..."

§ 51 StudFG (Abs. 1 Z. 5 idF BGBl. Nr. 201/1996; Abs. 3 idF BGBl. Nr. 619/1994) bestimmt auszugsweise:

"§ 51. (1) Studierende haben zurückzuzahlen:

1.

...

5.

den gesamten Betrag der erhaltenen Studienbeihilfe, der in den ersten beiden Semestern oder in den ersten beiden Semestern eines an ein Diplomstudium anschließenden Doktoratsstudiums bezogen wurde, wenn nicht wenigstens Studiennachweise in dem in § 48 Abs. 2 festgelegten Ausmaß vorgelegt werden;

(2) ...

(3) Im Falle des Abs. 1 Z. 5 und 6 ist die Rückforderung bis auf 10 %, wenigstens aber auf 1.000,-- S zu verringern, wenn die Studierenden

1. ihr Studium nicht abbrechen und längstens in der Antragsfrist des fünften Semesters ab Studienbeginn wieder einen günstigen Studienerfolg nachweisen oder

2. die zum Ausschluss der Rückzahlungsverpflichtung notwendigen Studiennachweise zwar innerhalb der für die Vorlage vorgesehenen Frist erworben, diese jedoch erst nach Ablauf der Frist vorgelegt haben.

(4) ..."

Die mit BGBl. I Nr. 76/2000 novellierte Fassung des § 51 Abs. 2, 3, 4 und 6 StudFG ist gemäß § 78 Abs. 18 leg. cit. erst mit 1. September 2001 in Kraft getreten.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in den ersten beiden Semestern ihres Studiums keinerlei Prüfungen absolviert und somit in der auf das

2. Semester folgenden Antragsfrist (dies war im Sommersemester 1999: bis 15. Mai) keinerlei Nachweise über ihren Studienerfolg im Sinne des § 48 Abs. 1 StudFG vorgelegt hat. Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin erstmals im Wintersemester 1999/2000 Prüfungen abgelegt. Von der belangten Behörde war daher im Sinne des § 51 Abs. 1 Z. 5 StudFG die Verpflichtung zur Rückzahlung der Studienbeihilfe auszusprechen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 8. Jänner 2001, Zl. 2000/12/0301).

Hinsichtlich einer etwaigen Verringerung der Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 51 Abs. 3 StudFG ist auf Folgendes zu verweisen:

Da die Beschwerdeführerin die zum Ausschluss der Rückzahlungsverpflichtung notwendigen Studiennachweise innerhalb der für die Vorlage vorgesehenen Frist gar nicht erworben hat, konnten solche von ihr auch nicht nach Ablauf der Frist vorgelegt werden. Eine Reduzierung der Rückforderung im Sinne des § 51 Abs. 3 Z. 2 StudFG scheidet daher im Beschwerdefall von vornherein aus.

Offen ist allerdings die Frage, ob die Beschwerdeführerin in der Antragsfrist des 5. Semesters ab Studienbeginn (also im Sommersemester 2000: bis zum 15. Mai 2000) wieder einen günstigen Studienerfolg "nachgewiesen" hat (vgl. § 51 Abs. 3 Z. 1 StudFG).

Die belangte Behörde verneinte diese Frage im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin den Studienerfolg zwar binnen fünf Semestern erworben habe (gemeint: Absolvierung der 1. Diplomprüfung noch innerhalb des 5. Semesters am 12. April 2000), diesen jedoch nicht nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 3 Z. 1 StudFG der Behörde gegenüber in der Antragsfrist, sondern erst danach im 6. Semester nachgewiesen habe.

Die Auffassung der belangten Behörde, der Studierende müsse im Sinne des § 51 Abs. 3 Z. 1 StudFG längstens in der Antragsfrist des 5. Semesters ab Studienbeginn nicht nur einen günstigen Studienerfolg aufweisen, sondern diesen (bei sonstigem Ausschluss der Verringerung der Rückzahlung) der Behörde auch innerhalb dieser Frist nachweisen, entspricht allerdings aus folgenden Erwägungen nicht dem Gesetz:

Der Zweck der Rückzahlungsverpflichtung nach § 51 Abs. 1 Z. 5 leg. cit. liegt offenkundig darin, Studenten ohne angemessenen Studienfortgang von der Gewährung von Förderung umfassend auszuschließen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 6. September 1995, VwSlg. 14.312/A). Dementsprechend soll die Verringerung der Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der für die erste Phase des Studiums gewährten Beihilfe offenbar dann erfolgen, wenn der Student wenigstens nach einer gewissen Anlaufphase, nämlich spätestens im 5. Semester, einen günstigen Studienerfolg erreicht (§ 51 Abs. 3 Z. 1 iVm § 20 Abs. 1 StudFG), oder in den beiden ersten Semestern wenigstens Prüfungen über die Hälfte des für die Annahme eines günstigen Studienerfolges erforderlich Stundenausmaßes ablegt (§ 51 Abs. 3 Z. 2 iVm § 48 Abs. 2 StudFG). Es erschiene nun unsachlich, zwischen diesen beiden Fällen derart zu differenzieren, dass für die Vorlage der entsprechenden Nachweise in einem Fall überhaupt keine Frist besteht (§ 51 Abs. 3 Z. 2 StudFG), im anderen Fall (§ 51 Abs. 3 Z. 1 StuFG) an die Versäumung der Nachweisfrist, die weder einer Wiederaufnahme noch einer Wiedereinsetzung zugänglich ist, jedoch die Sanktion des Ausschlusses von der Verringerung der Rückzahlungsverpflichtung - trotz des rechtzeitig erworbenen günstigen Studienerfolges - zu knüpfen. Abgesehen von einem allfälligen Widerspruch zwischen Z. 1 und Z. 2 des § 51 Abs. 3 StudFG schiene auch der Ausschluss von der Verringerung der Rückzahlungsverpflichtung trotz Vorliegens der Voraussetzungen der Studienbeihilfe (Bedürftigkeit, günstiger Studienerfolg) eine unangemessene Sanktion für die Versäumung einer "Nachweisfrist" zu sein. § 51 Abs. 3 Z. 1 StudFG ist daher dahin auszulegen, dass die Rückforderung der Studienbeihilfe auch dann zu verringern ist, wenn spätestens in der Antragsfrist des 5. Semesters ab Studienbeginn Nachweise eines günstigen Studienerfolges gegeben sind, auch wenn diese Nachweise der Studienbeihilfenbehörde erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt werden.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (vgl. dazu z.B. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 , auf S. 257 wiedergegebene Rechtsprechung zu § 30 Abs. 2 VwGG).

Wien, am 4. November 2002

Dr. Jabloner

MMag. Zavadil

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001100245.X00

Im RIS seit

18.02.2003

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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