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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
StVO 1960 §20 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des RG in O, vertreten durch Dr. Zoe van der Let-Vangelatou, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 18. März 2002, Zl. E 002/05/2002.031/002, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. März 2002 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 3. August 2001 um 18.32 Uhr im Gemeindegebiet von A an einer näher bezeichneten Straßenstelle als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW's die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h dadurch überschritten, dass er mit einer Geschwindigkeit von 161 km/h gefahren sei (Radarmessung).
Er habe eine Übertretung gemäß § 20 Abs. 2 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 218,02 (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden) verhängt.
In der Begründung des - ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erlassenen - angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, es interessiere hier nicht, ob der vom Beschwerdeführer hinsichtlich der Lenkeranfrage im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 eingewendete Zustellmangel vorliege, weil Gegenstand des Strafverfahrens nicht die allfällige Verletzung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 durch den Beschwerdeführer sei, sondern ihm vielmehr zur Last gelegt werde, § 20 Abs. 2 StVO verletzt zu haben.
Der Beschwerdeführer habe im Verfahren der Behörde erster Instanz nicht entsprechend mitgewirkt, weil er zu einem aus Anlass seines Einspruches gegen die Strafverfügung vom 11. Dezember 2001 ergangenen Ladungsbescheid lediglich ohne nähere Begründung mitgeteilt habe, er sei nicht in der Lage, den Termin wahrzunehmen und er habe das Fahrzeug nicht gelenkt. Erst im Berufungsschriftsatz habe er über das bloße Bestreiten der Lenkereigenschaft seinen Vater als Lenker bezeichnet, ohne diesen jedoch nach Namen und Anschrift zu benennen. Dieses Vorbringen sei unglaubwürdig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe eine antizipative Beweiswürdigung vorgenommen, weil sie seine Glaubwürdigkeit verneint habe, ohne eine mündliche Verhandlung durchgeführt zu haben und ohne zu seinem Vorbringen, sein Vater sei der Lenker gewesen, einen Beweis aufgenommen zu haben.
§ 51e Abs. 1 bis 5 VStG, BGBl. Nr. 52/1991, in der von der Berufungsbehörde anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 137/2001 lautet:
"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung)
§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn
1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3.
im angefochtenen Bescheid eine 218 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."
Da der Sachverhalt bestritten wurde, auch kein Fall des § 51e Abs. 3 Z. 4 VStG vorlag und eine, wenn auch geringfügig, über der Grenze von EUR 218,-- liegende Geldstrafe verhängt wurde, kam keiner der Tatbestände des § 51e Abs. 3 VStG in Betracht. Ein Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung lag nicht vor.
Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, gemäß § 51e Abs. 1 VStG eine Verhandlung durchzuführen, was sie unterlassen hat.
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehren - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 6. November 2002
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen BerufungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002020109.X00Im RIS seit
05.03.2003Zuletzt aktualisiert am
11.10.2011