TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/12 2000/05/0236

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.11.2002
beobachten
merken

Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
BauO Wr §134a Abs1 litb;
BauO Wr §69 Abs1 litm;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der Dkfm. Susanne Sulke-Wiesenthal in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Spitzy und Dr. Esther Lenzinger, Rechtsanwälte in Wien III, Weyrgasse 8, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 4. September 2000, Zl. MD-VfR - B XIX - 49/2000, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: KVG Hohe Warte Wohnungserrichtungsges.m.b.H. in Perchtoldsdorf, vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 934,16 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) beabsichtigt die Errichtung einer Wohnhausanlage im 19. Bezirk in Wien und kam um entsprechende Baubewilligung sowie um Bewilligung der Abweichung von Bebauungsvorschriften hinsichtlich der zulässigen Gebäudehöhe ein. Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin einer benachbarten Liegenschaft (auf der anderen Seite der Straße) und erhob in der mündlichen Bauverhandlung vom 3. Dezember 1999 Einspruch gegen die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 69 der Bauordnung für Wien (kurz: BO), weil durch die (geplante) Überhöhung den Interessen der Anrainer nicht entsprochen werde.

Mit Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den

19. Bezirk vom 14. April 2000 wurde eine Abweichung von den Bebauungsvorschriften dergestalt für zulässig erklärt, dass die zulässige Gebäudehöhe von 9,00 m um 0,60 m überschritten werden dürfe. Der gegen die Erteilung der angestrebten Ausnahmebewilligung gerichtete Einwand verschiedener Miteigentümer, darunter auch der Beschwerdeführerin, werde "als im Gesetz nicht begründet abgewiesen". Dies wurde damit begründet, dass von den Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nur unwesentlich abgewichen werde, das vom Flächenwidmungs- und Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflusst werde, durch die geringfügige Überschreitung der Gebäudehöhe um 0,60 m die Bebaubarkeit der Nachbarliegenschaft in "keinster" Weise vermindert werde, der konsensgemäße Baubestand der Nachbarliegenschaften nicht beeinträchtigt werde und die Überhöhung ausschließlich auf eine Vergrößerung der Raumhöhe in den drei Hauptgeschossen zurückzuführen sei und damit eine Verbesserung der Wohnqualität einhergehe.

Mit Bescheid vom 21. April 2000 erteilte demgemäß die erstinstanzliche Baubehörde die angestrebte Baubewilligung zur Errichtung einer Wohnhausanlage, bestehend aus zwei freistehenden, zweistöckigen Gebäuden jeweils mit ausgebautem Dachgeschoss mit insgesamt 10 Wohnungen sowie für eine unterirdische Garage mit zehn Stellplätzen mit verschiedenen Vorschreibungen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen beide Bescheide Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen wurde.

Dies wurde nach zusammengefasster Darstellung des Verfahrensganges, Wiedergabe der Berufung und Darstellung der Rechtslage im Wesentlichen damit begründet, dass nach dem dem Bauansuchen beigeschlossenen Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen für die vom Bauvorhaben betroffene Liegenschaft die Widmung Grünland-Schutzgebiet, Parkschutzgebiet, festgesetzt sei. Innerhalb einer näher bezeichneten Grundfläche dürften zwei Gebäude mit einer gesamten bebaubaren Fläche von maximal 400 m2 und einer Gebäudehöhe von maximal 9 m errichtet werden. Der höchste Punkt des Daches dürfe nicht höher als 4,5 m über der ausgeführten Gebäudehöhe liegen. Als Zweckbestimmung für die Gebäude werde Wohnhaus festgesetzt.

Grundvoraussetzung für die (angestrebte und erteilte) Gewährung einer Ausnahmebewilligung nach § 69 BO sei, dass es hiedurch nur zu einer unwesentlichen Abweichung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplan kommen dürfe. Es dürfe demnach nicht gegen eine dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan zugrundeliegende Tendenz verstoßen werden. Die höchstzulässige Gebäudehöhe von 9 m werde um 0,60 m überschritten. Diese Überschreitung widerspreche der Grundtendenz, der der maßgebende Flächenwidmungs- und Bebauungsplan erkennen lasse, in keiner Weise.

In der bekämpften erstinstanzlichen Ausnahmebewilligung werde auf Grund von Feststellungen des bautechnischen Amtssachverständigen ausgeführt, dass die Bebaubarkeit der Liegenschaft der Beschwerdeführerin nicht vermindert werde. Die belangte Behörde habe keinen Anlass, diese auf der sachverständigen Beurteilung des bautechnischen Amtssachverständigen beruhenden Feststellungen in Zweifel zu ziehen, zumal die geplanten Wohnhäuser durch die festgelegte Vorgartentiefe von der Baulichkeit auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin 26 m entfernt seien. Wie der Stellungnahme der MA 19 vom 29. Juli 1999 entnommen werden könne, stehe die geringfügige Überschreitung der Gebäudehöhe um 0,60 m den Interessen an der Gestaltung des örtlichen Stadtbildes nicht entgegen, weil im näheren Umfeld Baukubaturen gegeben seien, die die geplante Gebäudehöhe erreichten oder überschritten. Auf Grund der nach den Bebauungsbestimmungen gegebenen Zulässigkeit der Errichtung von zwei Gebäuden im Parkschutzgebiet, deren Zweckbestimmung mit Wohnhäuser festgelegt sei, sei keine Überschreitung der bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entstehenden Immissionsbelastung zu erwarten und es werde auch die beabsichtigte Flächennutzung nicht grundlegend geändert. § 69 Abs. 1 lit. m BO sei nicht auf Bauvorhaben im Bauland eingeschränkt, sodass bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Ausnahmegenehmigung gegeben seien, für Projekte in einem Parkschutzgebiet, in welchem Gebäude zulässigerweise errichtet werden dürften, kein strengerer Maßstab anzulegen sei.

Da somit die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen die Erteilung der Ausnahmebewilligung nichts vorzubringen vermocht habe, was geeignet gewesen wäre, eine Verletzung subjektivöffentlicher Nachbarrechte darzutun, sei ihre Berufung gegen den Bescheid vom 14. April 2000 als unbegründet abzuweisen gewesen.

Damit sei weiters ihre Berufung gegen die erstinstanzliche Baubewilligung ebenfalls als unbegründet abzuweisen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Bauwerberin, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe in ihrer Berufung ausdrücklich angeführt, dass keine Abwägung im Sinne des § 69 BO erfolgt sei, sondern dass als Begründung der Entscheidung lediglich der Gesetzestext abgeschrieben worden sei, ohne jedoch die zugrundeliegenden Gedankengänge nachvollziehbar darzulegen. Sie habe weiters vorgebracht, dass sich durch die Überschreitung der Gebäudehöhe auch der Rauminhalt verändere und dadurch der Bestand der vorhandenen Grünflächen geschmälert werde. Darüber hinaus sei durch die Änderung des Rauminhaltes auch eine ausreichende Belüftung und Belichtung der angrenzenden Gebäude in Frage gestellt. Damit habe sich die belangte Behörde nicht ausreichend auseinander gesetzt, sie habe pauschal die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vom 14. April 2000 übernommen, ohne ihrerseits die für und gegen das Abgehen von den Bebauungsvorschriften sprechenden Argumente abzuwägen.

Richtig sei zwar, dass § 69 Abs. 1 lit. m BO nicht auf Bauvorhaben im Bauland beschränkt sei, und dass daher bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahmegenehmigung für Projekte im Parkschutzgebiet, in welchem Gebäude zulässigerweise errichtet werden dürften, kein strengerer Maßstab anzulegen sei. Dabei dürfe jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass in einem Parkschutzgebiet dennoch ein erhöhter Schutz der Anrainer gegeben sei. Es werde im angefochtenen Bescheid jedoch nicht darauf eingegangen, dass der Bestand vorhandener Grünflächen, dessen Sicherung durch "diverse Gemeinderatsbeschlüsse" gewährleistet sein solle, durch die flächenmäßige Veränderung des neuen Bauwerkes geschmälert werden könne. Weiters gehe die belangte Behörde nicht auf den als örtliches Stadtbild zu beurteilenden Bereich ein, das sei der für die Beurteilung relevante Stadtraum, sondern verweise lediglich pauschal auf das "nähere Umfeld" (im Original unter Anführungszeichen). Sichtweite, Einsehbarkeit, wie auch bauliche Strukturbereichsgrenzen im Hinblick auf die Liegenschaft der Beschwerdeführerin seien unberücksichtigt geblieben.

Dem ist Folgendes zu entgegnen: Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Das innere Ausmaß der Begründungspflicht wird durch das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsschutzinteresse der Partei bestimmt. Begründungslücken sind dann wesentlich, wenn sie zur Folge haben, dass der Beschwerdeführer an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit gehindert wird (siehe dazu beispielsweise die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, bei E 1 zu § 58 Abs. 2 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Die Beschwerdeführerin rügt eine ihrer Auffassung nach mangelhafte Begründung des angefochtenen Bescheides, zeigt aber die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht auf.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es hier "nur" um die Bewilligung einer Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe von 9,00 m um 0,60 m geht. Das Vorbringen, dass der Bestand vorhandener Grünflächen durch die "flächenmäßige Veränderung des neuen Bauwerkes geschmälert werden" könne, geht daher ins Leere. Weshalb durch die Anhebung der Gebäudehöhe der Bestand der vorhandenen Grünflächen geschmälert werden soll, wie die Beschwerdeführerin (unter Verweis auf das Berufungsvorbringen) sichtlich meint, ist nicht nachvollziehbar. Sollte die Beschwerdeführerin (im Hinblick auf den entsprechenden Verweis auf Vorbringen in ihrer Berufung) weiterhin meinen, diese Anhebung der Gebäudehöhe um 0,60 m könnte (nachteilige) Auswirkungen auf die Belüftung und Belichtung ihrer (auf der anderen Seite der Straße gelegenen) Liegenschaft haben , ist dies angesichts der von der belangten Behörde unbestritten festgestellten räumlichen Gegebenheiten ebensowenig nachvollziehbar.

Die MA 19 hat der angestrebten (und sodann bewilligten) Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe mit der Begründung zugestimmt (Erledigung vom 29. Juli 1999), dass das Interesse an der Gestaltung des örtlichen Stadtbildes dem nicht entgegenstehe. Im näheren Umfeld seien Baukubaturen vorzufinden, welche die "eingereichte" Gebäudehöhe erreichten bzw. überschritten. Das vom Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild werde dadurch weder gestört noch beeinträchtigt. Bemerkt werde, dass sich die Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe aus den lichten Raumhöhen von 2,80 m ergebe, welche auch mit den Intentionen im Sinne des § 75 Abs. 9 BO in Einklang zu bringen sei. Durch die Anhebung der lichten Raumhöhen sei sicherlich eine Verbesserung der Wohnqualität gegeben. Auf diese Stellungnahme hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gestützt.

Nun trifft es zwar zu, dass das "nähere Umfeld" nicht genauer beschrieben ist. Die Beschwerdeführerin sagt aber nicht einmal, dass diese Stellungnahme der MA 19 (in Bezug auf die genannten "vorfindlichen Baukubaturen") unrichtig ist und sagt insbesondere nicht, welche entscheidungserheblichen Tatsachen der belangten Behörde dadurch verborgen geblieben sein sollen (bei deren Kenntnis ein für den Standpunkt der Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis nicht auszuschließen gewesen wäre).

Zusammenfassend zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, dass sie durch den angefochtenen Bescheid im geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht (auf Einhaltung von Bestimmungen betreffend die Gebäudehöhe) verletzt worden wäre. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens der mitbeteiligten Partei betrifft die für die dritte Ausfertigung der Gegenschrift entrichteten Stempelgebühren, weil Gegenschriften nach der ausdrücklichen Anordnung des § 36 Abs. 4 VwGG (nur) in doppelter Ausfertigung zu überreichen sind.

Wien, am 12. November 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000050236.X00

Im RIS seit

18.02.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten