TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/12 2000/01/0309

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Veröffentlicht am 12.11.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des am 1. April 1974 geborenen M in L, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Rechtsanwalt in 4010 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Mai 2000, betreffend §§ 7 und 8 des Asylgesetzes 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, gelangte am 13. Dezember 1997 gemeinsam mit seiner Ehefrau in das Bundesgebiet und beantragte am darauf folgenden Tag die Gewährung von Asyl.

Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, am 17. Dezember 1997 gab er als Grund für seine Flucht und sein Ansuchen um Asyl an:

"Ich wurde von Soldaten bedroht und verließ so meine Heimat.

...

Ich war Besitzer eines Kaffeehauses und in dieses kamen Studenten und auch Politiker der IDPS.

Am 28.5.1997 war eine Studentendemonstration. Ich war jedoch nicht dabei, sondern saß im Kaffeehaus. Plötzlich kamen Soldaten ins Haus, schlugen mich zusammen und die anderen Personen, es waren 3 meiner Freunde, wurden mitgenommen.

Man schlug mir meine Zähne ein und ich hörte, dass die Soldaten sprachen, dass ich das Kaffeehaus schließen müsste um so die Treffen zu verhindern.

Ein Nachbar verbrachte mich, da ich verletzt war, ins Krankenhaus. Ich wurde verarztet und kam dann nach einem Tag nach Hause.

Anschließend kam es zu keinen Vorfällen mehr.

Am Samstag vor unserer Ausreise kamen die Soldaten neuerlich. Dies war Anfang Dezember. Die Soldaten klopften, kamen herein und schossen in die Luft. Ich nahm meine Frau und wir ergriffen die Flucht. Dies war in der Nacht.

Ich ging dann zu meinem Onkel.

Der Onkel ging am nächsten Morgen zum Haus und konnte dort ermordete Personen vorfinden. Er sagte dann, wir müssten weggehen. Die Nachbarn teilten meinem Onkel mit, dass die Leute über meinen Aufenthalt befragt wurden. Mein Onkel sagte, ich könne nicht mehr zurück.

Ich führe an, dass sich in meinem Haus Jugendliche getroffen haben. Ich mobilisiere die Jugend, an Demonstrationen teilzunehmen.

Es waren dies Demonstrationen gegen die derzeitige Regierung.

...

Frage zu welcher Partei gehören Sie?

Zur IDPS. Es ist eine verbotene Partei und diese ist seit der

neuen Regierung verboten. Der Vorsitzende ist Etiene Tshisekedi

und dies seit ca. 1980.

...

Ich war lediglich in unterer Ebene in meinem Viertel tätig.

..."

Mit Bescheid vom 9. März 1998 wies das Bundesasylamt (die Erstbehörde) den Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei. Begründend führte die Erstbehörde aus, die Aussage des Beschwerdeführers erfülle nicht - näher wiedergegebene - "Grundanforderungen" an die Glaubhaftmachung. So stünde etwa seine Aussage im Widerspruch zur Aussage seiner Gattin, die im Zuge des Verfahrens zeugenschaftlich einvernommen worden sei. Er habe ausgesagt, sein Kaffeehaus sei das erste Mal am 28. Mai 1997 gestürmt worden und Soldaten hätten ihn zusammengeschlagen. Seine Gattin jedoch habe behauptet, dass das Kaffeehaus das erste Mal am 28. November 1997 gestürmt worden sei, dies würde sie genau wissen, weil sie den Beschwerdeführer vom Krankenhaus abgeholt hätte. Des Weiteren werde festgestellt, dass der vom Beschwerdeführer geschilderte Reiseweg nicht der Wahrheit entsprechen könne, weil es derzeit nicht die vom Beschwerdeführer angegebenen Direktflüge von Nairobi nach Wien gebe. Die Erstbehörde sei zum Schluss gekommen, dass der Beschwerdeführer auch bezüglich der Reiseroute nicht die Wahrheit gesagt habe. Alles in allem komme daher die Erstbehörde zum Schluss, dass er nicht bereit sei, die Wahrheit zu sagen, er versuche lediglich hier in Österreich Asyl zu erlangen, ohne jedoch die Wahrheit gesagt zu haben.

In seiner dagegen erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer darauf, dass es tatsächlich am 28. Mai 1997, wie sich aus Dokumentationen ergebe, in Kinshasa die von ihm geschilderte Demonstration gegeben habe. Es sei daher nicht unglaubwürdig, dass, wie von ihm dargestellt, gegen eine Person, die in Kinshasa ein Kaffeehaus betreibe und dort die Jugend für die Partei UDPS rekrutiere oder die ihr Kaffeehaus für Parteiveranstaltungen zur Verfügung stelle, in der vom Beschwerdeführer geschilderten Weise vorgegangen werde.

In der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) am 19. Mai 2000 sagte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund aus (VL = Verhandlungsleiter, BW = Berufungswerber, BAA = Vertreter des Bundesasylamtes):

"VL: Hat es konkrete Vorfälle gegeben? Wie oft?

BW: Es hat 2mal Vorfälle gegeben.

VL: Was war beim ersten Mal? Wann war das?

BW: Der erste Vorfall fand im Mai 1997 bei einer Versammlung statt. Es hat eine Demonstration gegeben, vom Zentralbahnhof bis zum Haus des Präsidenten. Ich selbst habe daran nicht teilgenommen, ich befand mich in meinem Haus. Es gab in der Stadt viel Militärpräsenz. Sie kamen zu mir und fragten, wer der Besitzer des Cafes wäre. Plötzlich begannen sie mich zu schlagen und auch alle Personen, die bei mir anwesend waren.

...

VL: Wann war der 2. Vorfall und was hat sich hiebei zugetragen?

BW: Der 2. Vorfall war im Dezember. Nach dem 1. Vorfall hatten wir Angst, dass die Soldaten wiederkämen, sie kamen auch immer wieder, haben aber bloß "geschaut" und gingen dann wieder.

VL: Haben sich zwischen dem 1. Vorfall und dem 2. Vorfall weitere politische Versammlungen in ihrem Cafe zugetragen?

BW: Wir haben weiterhin die Jugend organisiert, das sollte verboten werden und sogar die Partei UDPS wurde verboten. Als die Soldaten kamen, haben wir nicht gezeigt, dass wir eine politische Versammlung abhielten, denn es waren die politischen Parteien verboten.

VL: Was war dann genau bei dem 2. Vorfall?

BW: Der 2. Vorfall fand im Dezember statt. Mit großer Brutalität. Die Soldaten schossen in die Luft und brachen die Tür auf und ich floh mit meiner Frau durch die Hintertüre.

VL: Wissen Sie bei diesem Vorfall wie viele Soldaten das waren und was ereignete sich dabei genau? Waren viele oder wenige Leute im Cafe?

BW: Es waren etwa 10 bis 12 Personen im Cafe.

VL: War Ihre Frau auch dabei beim 2. Vorfall?

BW: Meine Frau und ich befanden uns im Inneren der Wohnung.

VL: Konnten Sie von dort aus das Hereinkommen der Soldaten

sehen?

BW: Ja.

VL: Wie viele sind hereingekommen und was haben Sie gemacht?

BW: Sie kamen sehr schnell und mit großer Brutalität herein.

Sie fragen die Leute und ich weiß nicht, was sie tun wollten.

     VL: Zu welchem Zeitpunkt des Tages war das?

     BW: Das ereignete sich am Abend.

     VL: Wohin sind Sie dann geflohen?

     BW: Ich ging mit meiner Frau zu meinem Onkel.

     VL: Wie lange haben Sie sich bei diesem Onkel etwa aufgehalten?

     BW: Etwa 4 bis 5 Tage. Etwa 1 Woche, ich weiß es nicht mehr

genau.

     BAA: Das BAA hat noch kein plastisches Bild von den

Ereignissen des 2. Males. Hat der BW in dem Gebäude gewohnt, wo das Cafe war?

BW: Ja, es ist ein abgeschlossenes Grundstück mit einem Haus im Inneren. Das Cafe besteht aus Stühlen im Freien und aus Tischen, wo Bier und andere Getränke serviert werden. Das Cafe hat keinen Innenraum, es ist nur außerhalb des Hauses.

BAA: Stellen Sie Leute an, haben Sie Personal oder Kellner?

BW: Meine Frau serviert und richtet auch an. Wir haben auch junge Leute, die gekommen sind und serviert haben.

BAA: War das Cafe geöffnet, an dem Abend des 2. Vorfalls?

BW: Ja.

BAA: Wo waren Sie, wo war Ihre Frau, wer hat die Gäste an diesem Abend bedient?

BW: Meine Frau kochte gerade in der Küche. Ich war im Wohnzimmer und glaube, dass ich etwas aufgeräumt habe. Meine Frau und ich haben die Leute bedient.

BAA: Weder der BW noch seine Frau haben sich im Cafehausbereich aufgehalten?

BW: Ja, meine Frau und ich waren im Inneren des Hauses.

BAA: Wer hat die Gäste an dem Abend bedient?

BW: Wie geschildert, hat meine Frau gekocht und ich aufgeräumt. Wir haben an diesem Abend die Gäste grundsätzlich bedient, nur waren wir in dem Moment, als die Soldaten kamen, im Inneren und als ich hörte, dass die Tür aufgebrochen worden war, lief ich in die Küche, nahm meine Frau an der Hand und floh mit ihr.

BAA fordert den BW auf, die Räumlichkeiten seines Cafes und seiner Wohnung auf ein Blatt Papier zu zeichnen. Die Skizze wird als Beilage C zum Akt genommen.

BW: Der BW erläutert, um das Grundstück gibt es einen Zaun. Im Inneren des Grundstückes gab es Tische und Sessel.

BAA: Wie hoch ist der Zaun und wo befindet sich die Tür?

BW: Es gibt nur eine große Eingangstüre beim Zaun, aber keine weitere Tür. Der Zaun ist ca. 9 Ziegel hoch. Der BW zeigt eine Höhe von etwa 2 Meter. Wenn man innerhalb des Grundstücks ist, kann man nicht über die Mauer aus Ziegeln sehen. Hinter dem Haus gibt es einen normalen Zaun.

BAA fordert den BW auf, die Zimmer in der Skizze einzuzeichnen.

Der BW bezeichnet mit S den Salon. Er bezeichnet die Küche mit K. Der BW zeichnet mit V eine Veranda ein.

Es wird ein weiteres Blatt Papier gezeichnet (Skizze D).

BW zeichnet die hinteren Türen und Fenster ein, auch den Nachbarn. Die Abgrenzung zu den Nachbarn stellt eine kleiner Mauer dar.

BAA: Wo waren Sie und Ihre Frau, zum Zeitpunkt des Eindringens der Soldaten?

BW: Ich war im Wohnzimmer.

BW zeichnet seine Position mit einem Kreuz an, wo er sich zum Zeitpunkt des Eindringens der Soldaten befand.

Die Position seiner Frau wird mit einem Punkt eingezeichnet.

BAA: Wie haben sich alle bewegt (Sie selbst, Ihre Frau und die Soldaten)?

BW: Meine Frau war in der Küche, sie haben die Gartentüre aufgebrochen.

BAA stellt fest, dass es sich um ein öffentliches Lokal gehandelt hat.

BW: Wir schließen die Türe zu, allerdings versperren wir sie nicht.

Dolmetscherin stellt fest, dass der BW den Ausdruck

aufgebrochen verwendet hat.

BW: Die Tür war mit einem Haken verschlossen.

BAA: Warum ist ein Cafe - für Gäste geöffnet - mit einem Haken verschlossen?

BW: Das Cafe kennt jeder im Stadtviertel. In Afrika gibt es dieses System die Türen zu verschließen. Ich weiß nicht, wie es hier in Europa ist. Es können Diebe, Polizisten oder Gendarmen kommen.

BAA: Wie ist bei diesem Verschlussmechanismus ein normaler Gast ins Cafe gekommen?

BW: Die Leute wissen das schon, sie Leute klopfen an die Türe. Ich oder meine Frau öffnen die Türe.

BAA: Wann haben Sie bemerkt, dass die Soldaten eindringen in das Cafe? Wann war Ihre 1. Sinneswahrnehmung in Bezug auf diesen

2. Vorfall?

BW: Ich war im Wohnzimmer. Ich schaute durch die Türe und die Stäbe der Veranda. Zu diesem Zeitpunkt saßen fast alle im Cafe. Ich hörte ein Geräusch. Ich schaute also und ich sah, dass die Polizisten mit einer großen Brutalität eindrangen.

BAA: Was bedeutet 'große Brutalität'?

BW: Wenn die Türe aufgebrochen wird und Schüsse abgegeben

werden, ist man direkt traumatisiert.

BAA: Ist das schnell oder langsam gegangen und wohin haben sich die Soldaten bewegt?

BW: Einige bewegten sich auf die Leute zu, einige bewegten sich auf das Innere des Hauses zu. Es ist sehr schnell gegangen.

Der BW wird aufgefordert, die Bewegungen der Soldaten mit blauem Kugelschreiber auf die Skizze einzuzeichnen.

Der BW zeichnet Teile ein, 2 oder 3 Soldaten bewegten sich auf das Haus zu.

BAA: Sind die Soldaten gegangen oder gelaufen?

BW: Sie gingen mit schnellem Schritt.

BAA: Haben Sie dabei in die Luft geschossen?

BW: Es waren die, die in die andere Richtung gegangen sind,

die Waffen hatten. Ich konnte nicht genau sehen, wer geschossen

hat und wer nicht.

BAA: War an dem Abend noch Licht?

BW: Es war Nacht und somit dunkel.

BAA: Wie haben Sie dann reagiert, als die Soldaten zum Haus

gekommen sind?

BW: Ich wusste, dass meine Frau in der Küche war. Ich bin schnell dorthin gegangen, um sie zu nehmen und direkt zur Hintertür mit ihr gegangen, als die Soldaten ins Haus kamen, haben sie uns nicht im Inneren des Hauses vorgefunden."

Weiters gab die Ehegattin des Beschwerdeführers als Beteiligte (BT) vernommen an:

"VL: Wann war der 1. Vorfall, als Sie nicht da waren.

BT: Das war der 28.5.

VL: Sie haben vor dem BAA angegeben, dass der 1. Vorfall der 28.11. gewesen sei.

Es wird auf diese Aussage verwiesen.

BT: Beim Interview in Linz wurde ich bedroht. Man sagte mir bei der Einvernahme immer, ich käme ins Gefängnis, wenn ich nicht ordentlich spreche. Ich habe gesagt, es wäre der 28. gewesen.

VL: Zum 2. Vorfall: Sie waren in der Küche und haben Speisen zubereitet. Was haben Sie optisch und akustisch selbst bei diesem Vorfall wahrgenommen?

BT: Ich habe Schüsse gehört.

VL: Haben Sie selbst jemanden gesehen?

BT: Ich habe keine einzige Person gesehen. Sie schossen in dem Grundstück herum. Ich habe nicht darauf geachtet, mein Mann hat mich an der Hand genommen und wir sind geflüchtet.

VL: Wann haben Sie Schüsse gehört, haben die Schüsse längere Zeit angedauert, was haben Sie über die Schüsse gehört?

BT: Es waren häufige Schüsse.

VL: Sie haben nur Schüsse gehört und Ihr Mann hat Sie genommen und Sie flohen?

BT: Wir flohen durch die Hintertüre und ich bin auch über die Mauer gesprungen, obwohl ich schwanger war. Es war eine richtige Mauer.

VL: Wie hoch war ca. die Mauer?

Die Beteiligte zeigt etwa eine Höhe von 2 Metern.

VL: Wie war das mit dem Cafe an diesem Abend, hat es eine Versammlung gegeben, wie viele Gäste waren im Cafe?

BT: Ich weiß nicht, wie viele Gäste es in diesem Moment waren, ich war mit dem Kochen beschäftigt.

VL: Wo war Ihr Mann gerade und wer hat die Gäste bedient?

BT: Vor den Schüssen sind wir zum Onkel meines Manns gefahren

VL: Wo waren Sie an diesem Tag, wer hat die Gäste an diesem Tag bedient?

BT: Mein Mann war im Salon. Ich habe mich um die Gäste gekümmert, ich habe sie bedient und in der Küche die Speisen vorbereitet.

VL: Zu welcher Tageszeit war das etwa mit den Schüssen?

BT: Es war in der Nacht.

...

BAA: Wie sind die Gäste normalerweise in das Cafe gekommen?

BT: Die Leute kamen herein, ich fragte sie was sie möchten, Saft oder Cola. Sie bestellten es und ich bediente sie.

BAA: Sind die Leute einfach hereingekommen?

BT: Wenn die Leute kommen, biete ich ihnen einen Sessel an.

VL: Wann sehen Sie die hereinkommenden Leute zum ersten Mal, wenn sie schon sitzen, oder zuerst?

BT: Ich bin immer sehr beschäftigt. Wenn Leute kommen, sagt mir mein Mann. Ich bin immer mit der Reinigung oder dem Geschirr beschäftigt.

BAA: Ist die Eingangstür während der Öffnungszeiten des Cafes

offen?

BT: Die öffentliche Tür ist geschlossen.

BAA: Wie betreten die Leute das Cafe?

BT: In Afrika haben die Grundstücke selten Glocken oder Klingeln, wie es sie hier gibt. Die Grundstücke sind mit einem Metall verschlossen.

BAA: Sie sind mit Ihrem Mann aus der Hintertür geflüchtet. An welcher Stelle der Mauer sind Sie geflohen?

Die BT wird aufgefordert, eine Skizze des Hauses und des Grundstückes aufzuzeichnen.

BT: Ich kann das nicht zeichnen, weil ich nicht lange in die Schule gegangen bin.

VL: Wie lange haben Sie sich bei Ihrem Onkel aufgehalten?

BT: Ich glaube, es waren 4 Tage.

BAA: In welchem Monat, waren Sie zum Zeitpunkt des 2. Vorfalls schwanger?

BT: Das Kind ist im Dezember 1997 geboren.

Es wird festgestellt, dass die BT zu diesem Zeitpunkt

hochschwanger gewesen sein musste.

BAA: Gleichzeitig sagte die BT sie ist in Eile über eine 2 Meter hohe Mauer geflohen.

Ich rege eine genauere diesbezügliche Schilderung an? BT. Ich bin über die Mauer gesprungen.

BAA stellt fest: Es ist unmöglich, im 9. Monat der Schwangerschaft, über eine etwa 2 Meter hohe Mauer zu springen.

BT: Ich wiederhole, ich bin gesprungen.

...

BT: Ich bin über die Mauer gesprungen. Ich kenne den Unterschied zwischen Springen und Klettern nicht.

...

BT: Es lag ein Baum da, ich habe den Baum angefasst und bin dann gesprungen. Der Baum war in unserer Parzelle. Ich habe den Baum genommen und bin ins Nachbargrundstück gesprungen.

..."

Schließlich brachte der Beschwerdeführer in dieser Verhandlung vor, dass seine Verfolgung nicht auf seine Mitgliedschaft (bei der UDPS) gestützt werde, sondern darauf, dass das von ihm geführte Kaffeehaus häufig Treffpunkt der lokalen Parteispitze sowie Ort regelmäßiger Parteiveranstaltungen gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und traf gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 die Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens stellte die belangte Behörde "als entscheidungsrelevanten Sachverhalt" fest, der Beschwerdeführer habe mit seiner Ehefrau, die zum Zeitpunkt der Ausreise aus ihrer Heimat im neunten Monat schwanger gewesen sei, in Kinshasa ein Kaffeehaus betrieben. In diesem hätten sich auch öfters Mitglieder von Oppositionsparteien, namentlich insbesondere solcher der UDPS, versammelt, sodass dem Beschwerdeführer lokale Parteifunktionäre teilweise auch persönlich bekannt gewesen seien. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer selbst Mitglied der UDPS sei. Am 28. Mai 1997 habe in Kinshasa eine Demonstration stattgefunden, an der der Beschwerdeführer nicht teilgenommen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich in seinem Kaffeehaus befunden, in dem Soldaten Verhaftungen durchgeführt hätten. Im Zuge dessen sei der Beschwerdeführer von Militärangehörigen tätlich angegriffen und verletzt worden, wobei ihm auch die Vorderzähne eingeschlagen worden seien. Es habe nicht festgestellt werden können, dass sich im Dezember 1997 ein weiterer Vorfall im Kaffeehaus des Beschwerdeführers zugetragen habe. Ebenso wenig habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau in der geschilderten Weise aus ihrer Heimat geflohen seien.

Nach Feststellungen über die allgemeine Situation in der Demokratischen Republik Kongo führte die belangte Behörde "hinsichtlich der Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei, namentlich der UDPS", aus, die UDPS sei im Jahre 1982 gegründet worden und habe sich im März 1996 gespalten. Die Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei allein löse in der Regel keine von der Regierung veranlassten Repressionsmaßnahmen aus. Ein im Jänner 1999 neu erlassenes Parteiengesetz schränke durch eine Vielzahl administrativer Hindernisse und inhaltlicher Vorgaben die politische Freiheit in einem solchen Maß ein, dass eine beabsichtigte Liberalisierung des politischen Lebens dadurch nicht erreicht werden könne. Führungspersönlichkeiten der UDPS und ihres abgespaltenen Flügels stünden weiterhin im Blickfeld der kongolesischen Sicherheitskräfte. Asylrelevante Verfolgung sei dann anzunehmen, wenn die Gegnerschaft zum jetzigen Regime eindeutig und offensichtlich sei bzw. wenn politische Aktivitäten von der Regierung oder deren Sicherheitsorganen wahrgenommen und als Bedrohung empfunden würden. Die bloße Mitgliedschaft in einer politischen Partei, die zur Regierung oder zu Kabila in Opposition stünden, führe nicht zu staatlichen oder dem Staat zurechenbaren asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohten Verfolgungsmaßnahmen solchen Angehörigen der Opposition, die sich verbotswidrig in der Öffentlichkeit parteipolitisch betätigten. Eine lediglich nichtöffentliche politische Betätigung, die dem sogenannten Verbot nicht unterliege, könne nur dann zu Repressionsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden führen, wenn es sich um Führungspersönlichkeiten der Opposition handle. Eine generelle Verfolgung einfacher UDPS-Mitglieder sei nicht ersichtlich.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, das Vorliegen asylrelevanter Verfolgungsgefahr sei nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer sei zwar in der Lage gewesen, die Namen einzelner Parteimitglieder zu nennen, jedoch habe er nicht vermocht, einen (von der belangten Behörde beschriebenen) Mitgliedsausweis der UDPS näher zu beschreiben. Ebenso habe er über die im Jahre 1996 erfolgte Spaltung der Partei nicht Bescheid gewusst. Die Antworten seien nicht dazu geeignet, eine tatsächliche Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der UDPS als glaubhaft erscheinen zu lassen, und seine persönliche Glaubwürdigkeit sei daher bereits in diesem Punkt in Zweifel zu ziehen. Als durchaus glaubhaft und realitätsnah stelle sich hingegen das Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich des Vorfalles im Mai 1997 dar. Ein staatliches Interesse an der Person des Beschwerdeführers könne jedoch insofern nicht erkannt werden, als nicht er, sondern andere Personen festgenommen worden seien. Auch habe er nicht behauptet, während der darauf folgenden sechs Monate einer Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein.

Der Schilderung des zweiten Vorfalles im Dezember 1997 könne aus folgenden Gründen keine Glaubwürdigkeit beigemessen werden:

Zunächst habe der Beschwerdeführer behauptet, Soldaten hätten die Eingangstüre mit großer Brutalität aufgebrochen. Nach den Grundsätzen allgemeiner Lebenserfahrung könne nur schwer nachvollzogen werden, dass die (einzige) Gartentüre eines öffentlichen Lokals während aufrechten Betriebes derartig verschlossen gewesen sei, dass Soldaten erhebliche Gewalt hätten anwenden müssen, um in das Kaffeehaus eindringen zu können. Anhand der vom Beschwerdeführer angefertigten Skizzen könne nicht nachvollzogen werden, dass er bereits von seinem Wohnzimmer aus Soldaten mit schnellem Schritt auf die Wohnungstür zugehen habe wahrnehmen können und dennoch dafür Zeit gefunden habe, in die Küche (die sich neben der Wohnungseingangstür befunden habe) zu eilen und seine hochschwangere Frau zu holen und mit dieser (im besagten Zustand) durch die Hintertüre zu fliehen. All diese Bewegungen sollten nach den Aussagen des Beschwerdeführers abgelaufen sein, bevor die Soldaten die Wohnungstüre hätten erreichen können, sodass diese das Ehepaar im Inneren des Hauses nicht mehr vorgefunden hätten, als sie hereingekommen wären. Diese Darstellung sei mit den Grundsätzen allgemeiner Lebenserfahrung nicht vereinbar.

Als nicht einheitlich stellten sich auch die Schilderungen der Verhältnisse hinter dem Haus dar: Während der Beschwerdeführer selbst angegeben habe, hinter dem Haus gebe es einen normalen Zaun, habe seine am Verfahren beteiligte Ehefrau erzählt, es hätte sich hinter dem Haus eine etwa zwei Meter hohe Mauer befunden, über die sie (im neunten Monat schwanger) gesprungen wäre. Diesen Ausführungen könne keine Glaubwürdigkeit beigemessen werden. Auf Befragen zum Reiseweg hätten der Beschwerdeführer und die Beteiligte nachdrücklich geantwortet, einen Direktflug von Nairobi nach Wien genommen zu haben; in diesem Zusammenhang werde auf das diesbezügliche Ermittlungsergebnis der Erstbehörde verwiesen, das dem Beschwerdeführer bereits anlässlich seiner Einvernahme am 17. Dezember 1997 als unglaubwürdig vorgehalten worden sei. Die Angaben des Beschwerdeführers seien somit aus genannten Gründen zu einem überwiegenden Teil als nicht glaubhaft zu beurteilen und könnten aus dem einmaligen Vorfall, der darin bestanden habe, dass der Beschwerdeführer von Soldaten tätlich angegriffen und verletzt worden sei, bei Zugrundelegung der dargelegten Gesamtschau noch nicht auf eine staatliche Verfolgung des Beschwerdeführers aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründe geschlossen werden.

Weiters begründete die belangte Behörde ihre Feststellungen im Grunde des § 8 AsylG.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht eine Verletzung von Verfahrensvorschriften unter anderem darin, dass die belangte Behörde den Fehler begehe, den vom Beschwerdeführer und seiner Gattin dargelegten Sachverhalt an europäischen Erfahrungswerten zu messen, so im Bezug auf die Gepflogenheit, die Türe eines Gastlokals zu verschließen, und im Bezug auf die Flucht der (hochschwangeren) Gattin über den Zaun hinter dem Haus. Nicht nachvollziehbar sei, wie die belangte Behörde anhand der vom Beschwerdeführer angefertigten Skizzen zum Ergebnis kommen könne, seine Aussagen seien unglaubwürdig. Im Übrigen lasse die Begründung des Bescheides Argumente dafür vermissen, weshalb das Vorbringen hinsichtlich des Vorfalles vom 28. Mai 1997 glaubwürdig sei, hingegen jenes hinsichtlich des Vorfalles vom "28. November 1997" nicht. Gehe die belangte Behörde von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich des ersten Vorfalles aus, so sei grundsätzlich anzunehmen, dass auch das weitere Vorbringen den Tatsachen entspreche. Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit sieht der Beschwerdeführer darin, unabhängig von der Frage, ob er Mitglied der UDPS sei, gehe aus den Feststellungen über den 28. Mai 1997 hervor, dass er sich durch Abhaltung von Versammlungen für die UDPS oppositionell betätigt habe. Daher sei eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft.

Die beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde zur Begründung, weshalb sie dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Vorfalles vom Dezember 1997 absprach, halten einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshofes nicht stand. Die belangte Behörde spricht dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit zusammengefasst deshalb ab, weil

-

"nach den Grundsätzen allgemeiner Lebenserfahrung nur schwer nachvollzogen werden" könne, dass die einzige Gartentüre eines öffentlichen Lokales während aufrechten Betriebes derartig verschlossen gewesen sei, sodass Soldaten erhebliche Gewalt hätten anwenden müssen, um in das Lokal eindringen zu können,

-

an Hand der vom Beschwerdeführer angefertigten Skizzen die von ihm geschilderten Bewegungsabläufe nicht nachvollzogen werden könnten und diese Darstellung "mit den Grundsätzen allgemeiner Lebenserfahrung" nicht vereinbar sei,

-

sich die Schilderungen - des Beschwerdeführers und seiner Gattin - über die Verhältnisse hinter ihrem Haus als "nicht einheitlich" darstellten und "diesen Ausführungen" keine Glaubwürdigkeit beigemessen werden könne und

-

der Beschwerdeführer und seine Gattin auf ihren Angaben über die Fluchtroute beharrten und schon die Erstbehörde dies auf Grund entgegenstehender Ermittlungsergebnisse als unglaubwürdig vorgehalten habe.

Die belangte Behörde zog aus diesen Betrachtungen das Resümee, die Angaben des Beschwerdeführers seien somit "zu einem überwiegenden Teil als nicht glaubhaft zu beurteilen" gewesen.

Dem entgegen verweist der Beschwerdeführer zutreffend darauf, dass alleine Grundsätze allgemeiner Lebenserfahrung seiner Darstellung (sowie der seiner Ehegattin) über das Verschließen der Gartentüre nicht widersprechen, zumal weder er noch seine Gattin ausgesagt hätten, dass die Soldaten erhebliche Gewalt hätten anwenden müssen, um in das Kaffeehaus eindringen zu können.

Ebenso entzieht sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Flucht des Beschwerdeführers und seiner Gattin aus ihrem Wohnhaus einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof. Es ist nicht erkennbar, inwiefern die vom Beschwerdeführer in der Verhandlung vor der belangten Behörde angefertigten Skizzen (Beilagen C und D) in logischem Widerspruch zu seiner Schilderung der Ereignisse (oder jener seiner Ehegattin) stehen. Des Weiteren ist nicht nachvollziehbar, inwiefern diese Schilderungen mit - von der belangten Behörde nicht näher dargelegten, offenbar auf sie selbst bezogenen - "Grundsätzen allgemeiner Lebenserfahrung" unvereinbar seien sollen.

Soweit die belangte Behörde Divergenzen in den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Gattin konstatiert ("nicht einheitlich"), leitet sie daraus offensichtlich die Unglaubwürdigkeit sowohl des Beschwerdeführers als auch seiner Ehegattin ab, ohne jedoch darzulegen, weshalb jede der Darstellungen der Wirklichkeit widerspricht.

Auch wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer hinsichtlich des Fluchtweges die Glaubwürdigkeit abspricht, ist nicht nachvollziehbar, weshalb eine Unglaubwürdigkeit in diesem Punkt zwar allenfalls seiner Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Vorfalles vom Dezember 1997, nicht jedoch hinsichtlich jenes vom Mai 1997 abträglich war.

Aus diesen Gründen erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Begründung ihrer Negativfeststellung über den Vorfall vom Dezember 1997 nicht als schlüssig.

Schließlich sei auch darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer seine Furcht vor Verfolgung letztlich nicht auf seine Mitgliedschaft in der UDPS stützte, sondern darauf, dass das von ihm geführte Kaffeehaus häufiger Treffpunkt der lokalen Parteispitze und Ort regelmäßiger Parteiveranstaltungen gewesen sei. Bezogen auf diesen Umstand erweisen sich jedoch die bislang von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen über die allgemeine Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und über eine Verfolgungsgefahr auf Grund einer Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei, namentlich der UDPS, als nicht geeignet, die vom Beschwerdeführer unabhängig von einer Mitgliedschaft zu einer Partei behauptete Verfolgungsgefahr abschließend zu beurteilen, zumal die belangte Behörde auch zum Schluss kommt, dass asylrelevante Verfolgung dann anzunehmen sei, wenn die Gegnerschaft zum jetzigen Regime eindeutig und offensichtlich sei bzw. wenn politische Aktivitäten von der Regierung und deren Sicherheitsorganen wahrgenommen und als Bedrohung empfunden würden. An Hand des angefochtenen Bescheides kann nicht beurteilt werden, ob und inwiefern das Verhalten des Beschwerdeführers von staatlichen Stellen als politische Aktivität wahrgenommen und als Bedrohung empfunden wird.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 12. November 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000010309.X00

Im RIS seit

04.02.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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