TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/12 2002/05/0737

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Veröffentlicht am 12.11.2002
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Index

L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
BauTV NÖ 1997 §50 Abs3;
BauTV NÖ 1997 §9 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der Helga Stelzer in Baden, vertreten durch Dr. Hans Rabl, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 78-80, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. März 2002, Zl. RU1- V-98194/03, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Christian Brunner in Baden, Neumistergasse 32, 2. Bernhard Brunner in Baden, Neumistergasse 32, 3. Andrea Brunner in Baden, Prinz-Solms-Straße 20, 4. Stadtgemeinde Baden, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 28. September 1999, Zl. 99/05/0111, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil die damalige (und nunmehrige) Beschwerdeführerin durch den Umbau des Verandadaches über dem zweiten Stock des Wohnhauses, das unmittelbar an ihrer Grundgrenze liegt, insofern in ihren Rechten verletzt wurde, als durch die errichtete Terrasse, die mit einer 153 cm hohen Ornamentglaswand an der Grundstückgrenze abgeschlossen werden sollte, das der Beschwerdeführerin zukommende subjektiv-öffentliche Recht auf Einhaltung der Brandschutzbestimmungen verletzt wurde.

In der Folge hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 23. Februar 2000 den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Baden vom 16. Dezember 1998 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat verwiesen. Die Bauwerber änderten hierauf das Projekt insofern ab, als anstelle der Ornamentglaswand ein Geländer geplant war. Mit Berufungsbescheid vom 28. Juni 2000 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters, mit dem die Baubewilligung erteilt wurde, neuerlich keine Folge gegeben, den mitbeteiligten Bauwerbern wurden drei Auflagen zusätzlich vorgeschrieben.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 27. September 2000 stattgegeben, der Berufungsbescheid vom 28. Juni 2000 wurde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen. Im fortgesetzten Verfahren habe der Gemeinderat den Bauwerbern die Möglichkeit zur Projektänderung eingeräumt, woraufhin die Bauwerber das Projekt entsprechend geändert hätten. Das geänderte Projekt selbst sehe keine Brandwand sondern lediglich ein Geländer in einer Höhe von 100 cm vor. Die Errichtung eines Geländers anstelle einer Brandwand hätte der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht entsprochen.

Hierauf änderten die Bauwerber das Projekt so ab, dass anstelle der Ornamentglaswand bzw. des Geländers eine 25 cm breite, 150 cm hohe Ziegelmauerwand als seitlicher Terrassenabschluss geplant war.

Mit dem im dritten Rechtsgang ergangenen Berufungsbescheid vom 13. Juni 2001 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen die erteilte Baubewilligung neuerlich keine Folge gegeben, den Bauwerbern wurden nachstehende Auflagen zusätzlich vorgeschrieben:

"a) Die vorgesehene Wand ist projektmäßig brandbeständig auszuführen und in die Brandwand des Dachgeschosses einzubinden.

b) Die auf der verfahrensgegenständlichen Terrasse anfallenden Oberflächenwässer sind über die bestehenden Hängerinnen und das vorhandene Ablaufrohr abzuleiten.

c) Die Mauerkrone der vorgesehenen Wand ist derart auszubilden und abzudecken, dass Niederschlagswasser auf Eigengrund abgeleitet wird."

Begründet wurde dies damit, dass eine neuerliche Projektänderung durch Errichtung einer 1,5 m hohen Ziegelmauer anstelle der ursprünglichen Ornamentglaswand bei sonst gleichbeleibendem Wesen des Bauvorhabens und damit auch bei unverändertem Sachverhalt zulässig sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe über den Brandschutz hinaus zur Höhe der Mauer keine Feststellungen getroffen. Die Ziegelwand entspreche der ÖNORM 3800.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. März 2002 als unbegründet abgewiesen. Eine Änderung des verfahrenseinleitenden Antrages nach § 13 Abs. 8 AVG sei auch im Berufungsverfahren zulässig, es müsse sich bei dem Vorhaben noch um dieselbe Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG handeln. Durch die Modifikation des Vorhabens im Berufungsverfahren liegt kein anderes Bauvorhaben vor, es handle sich noch um dieselbe Sache. Wie der Gemeinderat richtig erkannt habe, komme einer 1,5 m hohen und 25 cm breiten Ziegelwand nach der ÖNORM 3800-4 vom 1. Mai 2000 unstrittig die Qualität einer Brandwand zu. Diese schließe nach den Planunterlagen mit dem darüber- bzw. darunter liegenden Bauwerk dicht an und werde auch aus diesem Grund den Anforderungen an eine Brandwand gerecht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, und in einer Gegenschrift, ebenso wie die viertmitbeteiligte Stadtgemeinde, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen

Bescheid in zweifacher Hinsicht beschwert: zum Ersten sei durch die Änderung des Projektes infolge des Ersatzes der ursprünglich vorgesehenen 153 cm hohen Ornamentglaswand an der Grundstücksgrenze durch eine nunmehr 1,50 m hohe und 25 cm breite Ziegelmauer das Projekt so geändert worden, dass nicht mehr Identität der Sache vorliege und zweitens sei durch die nunmehr freistehende Ziegelmauer von nur 1,5 m Höhe ein Brandschutz auf dem Nachbargrundstück der Beschwerdeführerin nicht gewährleistet wobei diese Ausgestaltung auch in keiner Weise den zwingenden Bauvorschriften entspreche.

Gemäß § 13 Abs. 8 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 1998/158 kann der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert werden und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.

Der verfahrenseinleitende Antrag der Erst- bis Drittmitbeteiligten war darauf gerichtet, die Baubewilligung für den Umbau des ursprünglichen Verandadaches über dem zweiten Stock zu einer Terrasse zu erhalten. Mit dem projektgemäßen Austausch der ursprünglichen Ornamentglaswand gegen eine Ziegelmauer in der Höhe von 1,50 m wird das Wesen des ursprünglichen Bauvorhabens nicht verändert: Die Lage der Terrasse bleibt unverändert, ihre Größe wird nur insofern verringert, als die Mauerstärke der Ziegelmauer größer ist als jene der Ornamentglaswand. Diese Änderungen des ursprünglichen Bauvorhabens erreichen insgesamt betrachtet kein solches Ausmaß, dass das Bauvorhaben als ein anderes zu beurteilen wäre. Durch die vorgenommene Modifikation wurde das Wesen (der Charakter) des Vorhabens nicht betroffen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 8. März 1994, Zl. 93/05/0117, und die dort angeführte hg. Vorjudikatur).

Im hg. Erkenntnis vom 28. September 1999, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Abschluss der Terrasse gegen die Grundgrenze der Beschwerdeführerin gemäß § 10 Z. 1 NÖ BTV 1997 als Brandwand zu errichten sei und der Beschwerdeführerin ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Brandschutzbestimmungen zukomme. Gemäß § 9 Abs. 1 bzw. gemäß § 50 Abs. 1 NÖ BTV 1997 müssen, wenn es sich um ein Mehrfamilienhaus handelt, Brandwände brandbeständig und so beschaffen sein, dass sie bei einem Brand ihre Standsicherheit nicht verlieren und die Ausbreitung von Feuer auf andere Gebäude, Gebäudeteile oder Nachbargrundstücke verhindern. Gemäß § 9 Abs. 3 bzw. § 50 Abs. 3 NÖ BTV sind Brandwände entweder mindestens 15 cm über Dach hoch zu führen oder es ist, wenn es der Baustoff zulässt, der auf Brandwänden aufliegende Teil der Dacheindeckung hohlraumfrei in Mörtel zu verlegen.

Ob die nur 1,50 m hohe Wand, die den vorgelegten Plänen zufolge nach oben nicht durch Einbindung in eine Verlängerung des Daches abgeschlossen ist, sachverhaltsbezogen geeignet ist, die Ausbreitung von Feuer auf das Nachbargrundstück der Beschwerdeführerin zur verhindern, kann ohne sachverständige Kenntnisse nicht beurteilt werden. Weder der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde noch die belangte Behörde haben nach Änderung des Projektes durch die Bauwerber zur Beurteilung der Frage, ob durch die Ausgestaltung der vorgesehenen Wand die Ausbreitung von Feuer auf Nachbargrundstücke verhindert werden kann, einen Sachverständigen beigezogen. Die Bezugnahme auf die ÖNORM 3800 durch den Gemeinderat bzw. die ÖNORM 3800-4 durch die belangte Behörde vermag diesen Mangel schon deshalb nicht zu sanieren, weil diese ÖNORM keine Aussagen über die Höhe einer Brandwand trifft.

Wenn nun die Brandwand nicht 15 cm über Dach geführt bzw. auch nicht einen auf ihr aufliegenden Teil der Dacheindeckung aufweist, wie dies § 9 Abs. 3 bzw. § 50 Abs. 3 BTV entspräche, ist jedenfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären, ob der erforderliche Brandschutz gewährleistet ist. Da die belangte Behörde nicht erkannte, dass das Ermittlungsverfahren auf Gemeindeebene ergänzungsbedürftig geblieben ist und ihrerseits die erforderliche Ergänzung nicht vorgenommen hat, belastet sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 12. November 2002

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050737.X00

Im RIS seit

18.02.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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