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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des 1978 geborenen B in G, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 36/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. März 2000, betreffend § 7 des Asylgesetzes 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Senegal, gelangte am 13. Dezember 1996 in das Bundesgebiet und beantragte am 17. Dezember dieses Jahres die Gewährung von Asyl.
Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz, am 3. Jänner 1997 gab er als Grund für seine Flucht und sein Ansuchen um Asyl an:
"Am 10. Februar 1996 kam es zu einem Angriff der Rebellen auf unser Dorf. Ich war dort mit meiner Mutter, dem Vater und meiner kleinen Schwester. Die Mutter kochte gerade das Essen außerhalb des Hauses. Mein Vater hatte Schafe. Die Rebellen haben die Schafe weggebracht und meine Mutter hörte Lärm. Als sich meine Mutter bemerkbar machte, schossen die Rebellen auf meine Mutter. Mein Vater lief darauf aus dem Haus. Dann haben sie auf meinen Vater geschossen. Meine Angehörigen kamen dabei ums Leben, auch meine kleine Schwester. Ich selbst rannte ebenfalls ins Freie und wurde mit einem langen Messer verletzt. Ich erlitt Schnittverletzungen am rechten Unterarm und an der rechten Schulter. Ich fiel zu Boden und die Rebellen flüchteten.
Was hat dieser Vorfall im Februar 1996 mit Ihrer nunmehrigen Flucht im Oktober 1996 zu tun?
Man brachte mich ins Krankenhaus, wo ich drei Monate war. Gab es danach konkrete Verfolgungshandlungen gegen Ihre Person? Ja, ich war dann bei meiner Tante.
Wer setzte etwaige Maßnahmen gegen Ihre Person?
Die Rebellen kamen dann auch zu meiner Tante und wollten dort Mitglieder werben, das war gegen Ende Juli 1996. Meine Tante erzählte mir dann davon, dass die Rebellen da waren. Nachdem meine Tante eine Mitgliedskarte der Rebellen erworben hatte, kam am nächsten Tag das Militär und warf meiner Tante Komplizenschaft vor. Das Militär fand die Karte meiner Tante. Ich hatte im Nebenhaus gewohnt und am nächsten Tag sah ich, dass meine Tante nicht mehr da war. Die Nachbarn rieten mir dann zur Flucht.
Wo hielten Sie sich von Ende Juli 1996 bis zum Beginn Ihrer Flucht auf?
Ich war beim Sohn dieser Tante - bei meinem Cousin - in Dakar. Dieser Cousin ist dort Buchhalter und arbeitet mit Italienern.
Gab es irgendwelche Maßnahmen gegen Ihre Person?
Das Militär hat mich in Ziganchoar gesucht, da man meine Mitgliedskarte gefunden hatte.
Vorhalt: Das kann doch allenfalls die Karte Ihrer Tante gewesen sein? - Dazu gebe ich an, dass meine Tante auch für mich eine Mitgliedskarte gekauft hatte.
Vorhalt: Sie gaben in der Niederschrift den Tod Ihrer Eltern mit 1995 an und nun mit 1996. - Dazu gebe ich an, dass ich mich geirrt habe, es war tatsächlich 1996.
Wollen Sie weitere Fluchtgründe geltend machen?
Meine ganze Familie ist von den Rebellen getötet worden und meine Tante wurde vom Militär verhaftet. Mein Cousin sagte dann zu mir, dass ich nicht bei ihm bleiben könne und er brachte mich nach Guinea. Er selbst weiß auch nicht, wo sich seine Mutter befindet."
Mit Bescheid vom 17. Jänner 1997 wies das Bundesasylamt (die Erstbehörde) den Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. Nach Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers führte sie begründend aus, dieser sei nicht in der Lage gewesen, eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen. Nach dem Überfall der Rebellen auf seine Familie hätte er bei seiner Tante gelebt, die den Rebellen eine Mitgliedskarte abgekauft hätte, woraufhin das Militär seine Tante verhaftet hätte. Erst auf weiteres Befragen habe der Beschwerdeführer angegeben, dass man auch ihn suchen würde, weil man auch seine Mitgliedskarte gefunden hätte. Diese neue Version erscheine nun aber lediglich als eine Schutzbehauptung.
In seiner dagegen erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Würdigung seiner Darstellung durch die Erstbehörde als Schutzbehauptung.
In der Berufungsverhandlung vor dem unabhängigen
Bundesasylsenat (der belangten Behörde) am 22. Februar 2000 wurde
der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund einvernommen (BW =
Beschwerdeführer, VL = Verhandlungsleiter):
"VL: Können Sie in groben Umrissen die Gründe des Verlassens Ihres Heimatstaates vorbringen?
BW: Ich hatte einen Ausweis des MFDC (Movement des Forces democratique de Casamances). Die Casamances ist meine Heimatregion.
VL: Aus welchem Ort oder Stadt stammen Sie?
BW: Bambadinka. Als die Rebellen mein Dorf angriffen, haben sie meine Familie getötet. Ich zog dann zu meiner Tante. Ich war gerade zu Hause. Als die Rebellen kamen haben sie das Vieh meines Vaters an sich genommen. Meine Mutter war gerade in der Küche, und hat sie gerufen. Sie haben auf meine Mutter geschossen. Mein Vater und ich waren im Haus, wir haben die Schüsse gehört. Wir gingen aus dem Haus, um zu sehen, was da vorging, und da wurden wir angegriffen.
...
VL: Wann hat sich dieser Überfall der Rebellen ereignet?
BW: Im Februar 1996.
VL: Wie lange waren Sie im Krankenhaus?
BW: Über 3 Monate. Ich wurde etwa im Mai aus dem Krankenhaus entlassen. Ich habe im Dezember 1996 den Senegal verlassen.
VL: Was haben Sie nach der Entlassung aus dem Krankenhaus getan?
BW: Ich war bei meiner Tante in Ziguinchor.
...
VL: Was haben Sie bei Ihrer Tante gemacht bzw. wie lange
haben Sie sich dort aufgehalten?
BW: Von Mai bis Juli war ich bei ihr. Ich konnte nicht arbeiten, da ich an den Folgen meiner Verletzung litt, und ich konnte mich nicht gut bewegen. Die Probleme kamen von dem Angriff der Rebellen. Ich wurde einerseits schwer verletzt, und andererseits hat man mir auch auf den Kopf geschlagen.
VL: Gab es während dieser Zeit ein Ereignis, an das Sie sich erinnern können?
BW: Jeden Tag gab es Angriffe der Rebellen in der Umgebung
bzw. Kämpfe mit dem Militär.
...
VL: Stimmen die von Ihnen bisher angegebenen Daten bzw.
Monatsangaben tatsächlich, können Sie sich daran erinnern?
BW: Ja. Nachdem ich aus dem Spital kam, bin ich bis Juli bei
meiner Tante geblieben.
VL: Was geschah sonst noch in dieser Zeit, Sie persönlich
betreffend?
BW: Bei meiner Tante waren auch die Rebellen, sie haben meine
Tante besucht. Die Rebellen kennen sich in der Umgebung aus, und sind sie ohne Einladung ins Haus meiner Tante gekommen. Die Rebellen verkaufen Mitgliedsausweise, meine Tante hat unter Druck zwei Mitgliedsausweise gekauft, einen für sie und einen für mich.
VL: Was haben Sie mit diesen Mitgliedskarten getan?
BW: Wir haben nichts damit gemacht, als meine Tante die Mitgliedskarten gekauft hatte, sind die Rebellen weggegangen.
VL: Wissen Sie, wie die staatlichen Behörden jemanden als Rebell identifizieren?
BW: Ich weiß nicht, wie sie jemanden als Rebell identifizieren, aber wenn man eine MFDC-Mitgliedskarte tragen würde, würde man als Rebell identifiziert werden.
VL: Können Sie zum Aussehen der Mitgliedskarte etwas sagen?
BW: Auf der Karte steht MFDC (auf dem Deckblatt oben steht die Abkürzung sowie die Langversion), der Name des Inhabers und das Geburtsdatum. Das Beitrittsdatum. Es gibt einen Platz, wo das Foto hinkommt. Es gibt eine Nummer, und auch einen Stempel. Es steht nur eine Zahl ohne Beifügung.
VL: Gibt es auf dem Deckblatt noch etwas Auffälliges?
BW: Ich habe nichts mehr bemerkt.
VL: Können Sie uns die Farbe des Mitgliedsausweises sagen?
BW: Gelb.
VL: Hat Ihr Mitgliedsausweis ein Foto getragen?
BW: In dem Moment, in dem meine Tante die Ausweise gekauft hatte, waren keine Fotos drinnen. Sie hat zu den Rebellen gesagt, sie würde Fotos machen lassen. Sie hat aber keine Fotos machen lassen. Am nächsten Tag kamen die Militärs ins Haus der Tante, um uns zu kontrollieren, weil wir unter dem Verdacht standen, dass wir die Militärs unterstützen. Ich war im Nachbarhaus, und habe ich dort gewohnt, da bei meiner Tante nicht genug Platz war. Ich glaube, ich habe geschlafen, als die Militärs am frühen Morgen zu meiner Tante kamen. Die Militärs sind leise gekommen, und habe ich es deshalb nicht mitbekommen.
VL: Wie haben Sie also erfahren, dass das Militär bei Ihrer Tante war?
BW: Sie haben meine Tante festgenommen, das Haus war leer, und hat mir ein weiterer Nachbar, von der Festnahme meiner Tante erzählt. Der Nachbar sagte mir, ich müsse das Dorf verlassen, und hätten die Soldaten die Mitgliedskarten gefunden und mitgenommen.
VL: Sind Sie den Behörden in Ziguinchor bekannt?
BW: Ja, wegen der Ereignisse in meinem Heimatdorf.
...
VL: Wohin sind Sie gegangen?
BW: Nach Dakar, im Juli 1996. In den Bezirk Grand Dakar. Ich bin bis Oktober 1996 geblieben, ich habe bei meinem Cousin gewohnt. Mein Cousin arbeitet in einem italienischen Unternehmen.
VL: Haben Sie gewusst, Sie müssen das Land verlassen?
BW: Mein Cousin hat öfter gesagt, er könne mich nicht aufnehmen, da die Behörden sich schon für mich interessiert hätten. Dann habe ich das Land verlassen.
...
VL: Wie lange haben Sie sich etwa bei Ihrem Cousin aufgehalten?
BW: Juli bis Oktober 1996.
VL: Wurden Sie an der Adresse Ihres Cousins von den Behörden gesucht?
BW: Mein Cousin weiß, warum ich aus der Casamance weggegangen bin. Und hat er gesagt, er würde dauernd von den Behörden nach mir befragt werden. Manchmal bin ich aus dem Haus gegangen, sonst war ich im Haus.
VL: Und ist das Militär oder die Polizei nie ins Haus gekommen?
BW: Ich habe sie nicht gesehen. Ich ergänze nun meine vorige Aussage, nämlich hat mein Cousin mir nach einigen Wochen nach meiner Ankunft gesagt, und auch einige Wochen später zum zweiten Mal, hätten die Behörden nach mir gefragt."
Mit Spruchabschnitt I. des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab; die in Spruchabschnitt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 AsylG getroffene Feststellung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat sei zulässig, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. April 2000 "gemäß § 66 Abs. 4" AVG ersatzlos behoben. Betreffend Spruchabschnitt I. des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde in dessen Begründung nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges aus, der Beschwerdeführer stamme aus der Provinz Casamance. Seine Eltern sowie seine Schwester seien von in der Heimatregion des Beschwerdeführers operierenden Rebellen im Zuge eines Überfalles getötet worden. Hiebei sei auch der Beschwerdeführer verletzt worden. Er habe sich sodann zu seiner Tante in der Stadt Ziguinchor begeben und sich von Mai bis Juli 1996 dort aufgehalten. Seine Tante sei sodann von Rebellen heimgesucht worden und habe unter Druck zwei Mitgliedsausweise für die Rebellenorganisation MFDC kaufen müssen. Der Beschwerdeführer habe in der Zwischenzeit bzw. während dieser Ereignisse im Haus des Nachbarn gewohnt. Seine Tante sei wegen des Verdachtes der Unterstützung der Rebellen von staatlichen Militärs festgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe sich sodann zu seinem Cousin in die Stadt Dakar begeben und habe dort von Juli bis Oktober 1996 unbehelligt gelebt. Er habe bei seinem Cousin gewohnt, er sei dort jedoch weder von Polizeibehörden noch von Militärs gesucht worden. Vertreter der staatlichen Behörden hätten seinen Cousin zwei Mal nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers gefragt.
In Senegal herrsche Meinungs- und Pressefreiheit sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Nach Erkenntnissen des deutschen Außenamtes gewähre Senegal in einer für Afrika vorbildlichen Weise die grundlegenden Freiheitsrechte. Senegal verfüge über ein funktionierendes Mehrparteiensystem, das bereits Ende der 70er-Jahre etabliert worden sei. Seit Beginn der 80er-Jahre werde Senegals grundsätzlich vorhandene innenpolitische Stabilität durch einen bewaffneten Konflikt in der Casamance überschattet. Die Rebellenbewegung MFDC kämpfe dort um die Unabhängigkeit vom Senegal. Die Casamance weise im Verhältnis zum Nordteil Senegals historische, geographische und ethnische sowie ökonomische und politische Besonderheiten auf. Vom Beginn der Unabhängigkeitsbestrebungen bis zum heutigen Tag befinde sich die Provinz Casamance in einer zumindest teilweise latenten Bürgerkriegssituation und sei die allgemeine Menschenrechtssituation in dieser Provinz dementsprechend. Demokratisch gewählte Organe Senegals hätten in den letzten Jahren immer wieder ernsthafte Friedensbemühungen in die Wege geleitet, jedoch zeitigten diese noch keine hinreichenden Früchte. Im Frühjahr 1999 sei es erneut zu heftigen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Aktivisten der MFDC gekommen. Von der politischen und menschenrechtlichen Situation in der Casamance sei die allgemeine politische Situation im Rest des Landes strikt zu trennen: So sei die allgemeine Menschenrechtssituation im Senegal als - für afrikanische Verhältnisse - gut zu bezeichnen. Gemäß übereinstimmenden Quellen finde im Senegal weder unmittelbar noch mittelbar eine staatliche Verfolgung von Personen oder Gruppen auf Grund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen deren politischer Überzeugung statt. Ebenso ermutige, unterstütze oder billige der Staat auch nicht derartige Verfolgungshandlungen von Seiten Dritter. Die senegalesische Regierung arbeite grundsätzlich konstruktiv mit internationalen Menschenrechtsorganisationen (wie z. B. amnesty international etc.) zusammen. Die grundsätzliche politische Unterstützung bzw. Befürwortung einer Sonderrolle der Provinz Casamance mit nicht-militärischen bzw. nichtterroristischen Mitteln führe grundsätzlich nicht zu staatlichen Verfolgungsmaßnahmen. Selbst nach dem Aufflammen der bewaffneten Kämpfe seit dem Sommer 1997 gebe es keine systematische Verfolgung von MFDC-Anhängern. In Zeiten der militärischen Eskalation des Konfliktes komme es allerdings auf Seiten des senegalesischen Militärs wie auch auf Seiten der MFDC in der in Rede stehenden Unruheprovinz immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen. Grundsätzlich gälten für festgenommene MFDC-Mitglieder und - Sympathisanten auch die sonst allgemein üblichen strafrechtlichen Garantien. Der nunmehrige Staatspräsident habe als vertrauensbildende Maßnahme in der Unruheprovinz 123 von insgesamt 150 Personen, die im Zusammenhang mit den Kämpfen in der Casamance in Untersuchungshaft gewesen seien, amnestiert. In der Vorgangsweise der staatlichen Behörden sei erkennbar, dass diese einerseits Verhandlungsversuche mit den Separatisten pflegten, andererseits durch harsche Repressionsmaßnahmen der Armee und Sicherheitskräfte im Gebiet der Unruheprovinz insbesondere gegen bewaffnete Unabhängigkeitskämpfer der MFDC vorgingen. Aus diesem Grunde sei die Menschenrechtssituation in der Provinz Casamance - in krassem Gegensatz zum restlichen Staatsgebiet - als schlecht zu bezeichnen. Angehörige der MFDC seien nicht schon auf Grund ihrer Mitgliedschaft einer Verfolgung ausgesetzt. Sie müssten allerdings Verfolgungsmaßnahmen befürchten, wenn sie sich gewaltsam für die Ziele der Unabhängigkeitsbewegung einsetzten oder sich krimineller Taten schuldig machten. In Zeiten der militärischen Eskalation seien in der Vergangenheit allerdings sowohl auf Seiten des senegalesischen Militärs als auch auf Seiten der MFDC immer wieder Menschenrechtsverletzungen zu beklagen gewesen.
Mangels konkreter staatlicher Verfolgungsmaßnahmen stelle sich die Frage nach innerstaatlichen Fluchtalternativen dem Grundsatze nicht.
Die belangte Behörde stütze sich zentral auf die zugänglichen Erkenntnisquellen des deutschen Auswärtigen Amtes vom 23. September 1998 und vom April 1999 sowie auf eine umfassende Länderinformation des deutschen Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom November 1999 betreffend den Staat Senegal, unter weiterer Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumentationsunterlagen. Insbesondere "der Erkenntnisquelle" sei besondere Beweiskraft zugeschrieben worden, weil diese eine Kompilation bzw. genaue Analyse einer Fülle unterschiedlichster Quellen darstelle - dies sei den einzelnen Fußnoten sowie dem Quellenverzeichnis entnehmbar - und daher einer solchen möglichst breit gestreuten Quellenanalyse der Vorzug vor einzelnen bloß einseitige Blickwinkel einer Ländersituation wiedergebenden Quellen zu geben sei. Der zitierten Quelle sei daher erhöhte Beweiskraft zuzumessen gewesen.
Dem durchaus glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers sei zu entnehmen, dass seine Familie allenfalls im Verdacht gestanden sei, mit der Befreiungsbewegung der Casamance zu sympathisieren. Seinem Vorbringen sei jedoch konkret zu entnehmen gewesen, dass er mehrere Monate in Dakar offenbar gänzlich unbehelligt gelebt habe. Er habe nicht ins Treffen geführt, sich versteckt gehalten zu haben. Der Umstand, dass sein Cousin und damaliger Unterkunftgeber angeblich zwei Mal von den Sicherheitsbehörden nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers befragt worden wäre, erweise, dass diese offenbar ein gewisses Interesse am Verbleib des Beschwerdeführers gehabt hätten. Aus den Rahmenbedingungen (zweimalige folgenlose Nachfrage nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers und keine weiteren Maßnahmen, insbesondere keine Nachschau am Wohnort) zeige sich, dass das behördliche Interesse jedenfalls keine asylrechtlich relevante Intensität erreicht habe. Wären die staatlichen Sicherheitsbehörden tatsächlich massiv daran interessiert gewesen, des Beschwerdeführers habhaft zu werden und ihn auf Grund einer allenfalls unterstellten politischen Gesinnung (Sympathisieren mit bzw. Mitgliedschaft in der MFDC) zu verfolgen, so hätten es die Sicherheitskräfte mit Sicherheit nicht damit bewenden lassen, bloß den Cousin des Beschwerdeführers nach dessen Aufenthaltsort zu fragen, sondern wäre es grundsätzlich - vor allem "vor dem Hintergrund der allgemein auch in anderen afrikanischen Ländern herrschenden Logik" - eher wahrscheinlich gewesen, dass diese doch zumindest einmal versucht hätten, im Rahmen einer Nachschau am Wohnort des Cousins die Richtigkeit seiner Aussage zu verifizieren. Diese Umstände erhellten, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Indizien für eine Verfolgungsgeneigtheit wegen - unterstellter - politischer Gesinnung mit auch nur einiger Wahrscheinlichkeit entnehmbar seien. Diese Bewertung des Sachverhaltes bzw. die Einschätzung der Verfolgungswahrscheinlichkeit sei insbesondere vor dem Hintergrund der politischen und menschenrechtlichen Situation im Senegal zu sehen. So sei unbestreitbar die Situation in der Unruheprovinz Casamance als denkbar schlecht zu bezeichnen; demgegenüber sei dem Hintergrundmaterial zur Situation im Senegal eindeutig zu entnehmen, dass die Menschenrechtssituation in den übrigen Landesteilen als durchaus gut zu bezeichnen sei. Es lägen keine Berichte über gezielte Aktionen der Sicherheitskräfte gegen MFDC-Anhänger oder Sympathisanten außerhalb der Casamance vor. Eine allenfalls alle Einwohner der sezessionistischen Provinz Casamance auch im Rest des Landes treffende Gefahr, Ziel behördlicher Ermittlungen zu werden, vermöge jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer gefahrenerhöhender Momente keinen hinreichenden Grund für die Asylgewährung zu bieten. Da allenfalls alle in den Rest Senegals geflohenen Casamance-Flüchtlinge gleichermaßen dieser speziellen Situation ausgesetzt seien, könne daraus noch nicht auf eine Verfolgungsgeneigtheit geschlossen werden, die die Schwelle der asylrechtlichen Relevanz übersteige. Selbst für den Fall, dass die staatlichen Behörden tatsächlich ein massives Interesse am Beschwerdeführer gehabt hätten bzw. in Zukunft hätten, sei nach der Erkenntnislage der belangten Behörde auch davon auszugehen, dass für den Beschwerdeführer alle in Senegal normierten Rechtsgarantien zum Tragen kämen. Der Beschwerdeführer habe keinen wirklich sein Schicksal betreffenden Parallelfall, der eine Verfolgung indizieren würde, ins Treffen führen können.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerde wendet sich gegen die Beurteilung der belangten Behörde, in der zweimaligen Nachfrage nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers liege noch nicht die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung.
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der belangten Behörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete.
Die belangte Behörde gründete ihre Feststellungen über die unterschiedliche politische und menschenrechtliche Situation in der Casamance einerseits und den übrigen Teilen Senegals andererseits "zentral" auf die zugänglichen Erkenntnisquellen des deutschen Auswärtigen Amtes sowie auf eine umfassende Länderinformation des deutschen Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom November 1999. Dass sie offensichtlich diesen Erkenntnisquellen erhöhte Beweiskraft gegenüber den vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismitteln - Berichten von Hilfsorganisationen und Medienberichten - zumaß, begründete sie wiederum damit, dass erstere eine Kompilation bzw. genaue Analyse einer Fülle unterschiedlichster Quellen darstellten und einer breitgestreuten Quellenanalyse der Vorzug vor einzelnen, bloß einseitige Blickwinkel einer Ländersituation wiedergebenden Quellen zu geben sei.
Mag der belangten Behörde in ihrer Beweiswürdigung noch darin zu folgen sein, dass die von ihr bevorzugten Erkenntnisquellen Kompilationen anderer Quellen darstellten, so kann ihr in der weiteren Begründung, wonach diese Erkenntnisquellen auch genaue Analysen darstellten - denen die belangte Behörde offenbar ausschlaggebendes Gewicht für die Beweiswürdigung beimaß - nicht mehr gefolgt werden. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auf den von der belangten Behörde zitierten, auf Grund seines Standes (November 1999) für die Beurteilung der aktuellen Situation in Senegal vorrangig bedeutsamen Länderbericht des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einzugehen, der zur Wahrung der Menschen- und Freiheitsrechte in Senegal (Punkt 1.6.2, S. 40) einleitend ausführt, nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes sei die Menschenrechtssituation in Senegal gut. Im weiteren gibt dieser Bericht, wie der Gebrauch des Konjunktivs und die Angabe von Quellen in Fußnoten erkennen lässt, Berichte anderer Stellen wieder, ohne eine Analyse dieser (dh. Auseinandersetzung mit diesen) Quellen vorzunehmen oder eine Wertung der Berichte erkennen zu lassen. Abgesehen von dem von der belangten Behörde ebenfalls herangezogenen Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom April 1999 finden sich im zitierten Bericht des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge auch folgende Ausführungen (S. 41 f):
"Das Institut für Afrika-Kunde führt in seinem Gutachten vom 13.08.1998 an VG Gelsenkirchen aus, dass die senegalesische Regierung mit aller Härte gegen vermeintliche Sympathisanten des MFDC vorgehe. Es sei nicht bekannt, dass hierbei Unterschiede im Hinblick auf die ethnische Zugehörigkeit ... gemacht werden. Die Unterstützung des MFDC könne nach Ansicht des Gutachters zu Verhaftung, Folter durch die Sicherheitskräfte und Verurteilung wegen Vergehen gegen die Staatssicherheit führen. Einige dieser Verfahren hätten vor dem Staatssicherheitsgericht stattgefunden, seien also nicht als Verfolgung kriminellen Unrechts eingestuft worden. ...
...
Das U.S. Departement of State kommt in seinem jüngsten Bericht zur Lage der Menschenrechte in Senegal zu dem Ergebnis, dass die Regierung grundsätzlich die Rechte der Bevölkerung respektiere, es auf manchen Gebieten jedoch ernste Probleme gebe, die besonders Berichte über extralegale Tötungen, Verschwindenlassen, Folter und Misshandlungen Verdächtiger durch die Polizei während des Verhörs, willkürliche Verhaftung und Haft sowie lang andauernde Haft vor Anklageerhebung beträfen. Das U.S. Departement of State beanstandet in diesem Zusammenhang, dass trotz der seit 1997 verschärften Gesetzeslage im Hinblick auf Folter, selten Untersuchungen oder Strafverfolgungsmaßnahmen auf Grund von Foltervorwürfen eingeleitet werden.
..."
Die zitierten Quellen sprechen von einer Verfolgungsgefahr, ohne dass ihnen zu entnehmen wäre, dass sich diese Gefahr auf die Provinz Casamance beschränken würde. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist nicht zu entnehmen, dass sich die belangte Behörde mit jenen (Teilen von) Beweismitteln auseinander setzte, die eine solche Gefahr sehr wohl auch außerhalb der Provinz Casamance indizierten, und weshalb diese (Teile von) Beweismittel den von der belangten Behörde letztlich getroffenen Feststellungen nicht entgegenstanden. Das vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in seinem Bericht vom November 1999 zur Wahrung der Menschen- und Freiheitsrechte einleitend abgegebene Kalkül, die Menschenrechtssituation in Senegal sei gut, steht mit Teilen der von ihm wiedergegebenen Berichte offensichtlich nicht im Einklang, sodass die belangte Behörde nicht berechtigt war, ohne nähere Begründung auf dieses Gesamtkalkül zurückzugreifen.
Die belangte Behörde hat auch nicht versucht, ihre Annahmen zu der von ihr als glaubwürdig erachteten Schilderung des Schicksals der Tante des Beschwerdeführers konkret in Beziehung zu setzen und nachvollziehbar darzulegen, weshalb die Auffindung des Rebellenausweises, die bei der Tante des Beschwerdeführers als Grund für deren nicht bloß vorübergehende Festnahme genügt haben soll, in Bezug auf den Beschwerdeführer keine vergleichbaren Folgen haben würde.
Da die belangte Behörde ihren die Annahme einer mangelnden Verfolgungsgefahr außerhalb der Provinz Casamance tragenden Feststellungen keine nachvollziehbare Beweiswürdigung zur Seite stellte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 12. November 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000010161.X00Im RIS seit
04.02.2003