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L65003 Jagd Wild Niederösterreich;Norm
AVG §46;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des
1. H und der 2. M, beide in Hollenstein an der Ybbs, vertreten durch Dr. Josef Broinger, Dr. Johannes Hochleitner und Mag. Bernd Thiele, Rechtsanwälte in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. August 1999, Zl. LF1-J-129/10, betreffend Bewilligung eines Zuchtgeheges, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer sind schuldig, dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 20. September 1995, Zl. 94/03/0114, und vom 17. Juni 1998, Zl. 96/03/0258, verwiesen. Mit letzterem wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 24. Juni 1996, mit welchem der auf Abweisung des Antrages der Beschwerdeführer um Bewilligung eines Zuchtgeheges für Gämsen im Bereich näher genannter Grundparzellen lautende erstinstanzliche Bescheid vom 30. Juni 1993 aufgehoben worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. August 1999 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den obgenannten erstinstanzlichen Bescheid als unbegründet abgewiesen und die Entscheidung der Jagdbehörde erster Instanz bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, mit Schreiben vom 20. November 1998 habe die Jagdbehörde zweiter Instanz die Beschwerdeführer erneut aufgefordert, ein detailliertes Zuchtprogramm vorzulegen, welches die Auslegungsgrundsätze für "zuchthochwertiges Wild" für alle drei Zuchtzwecke zu dokumentieren geeignet sei. Auf die Notwendigkeit eines solchen Zuchtprogrammes sei bereits im Verfahren erster Instanz in einem dem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 2. Oktober 1992 angeschlossenen Gutachten Dris. K hingewiesen worden. Die daraufhin mit Schreiben vom 29. März 1999 erstattete Äußerung der Beschwerdeführer sei vom jagdfachlichen Sachverständigen mit Schreiben vom 26. Mai 1999 beurteilt worden. Dieser habe ausgeführt, dass die drei zuvor eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen keine jagdfachlichen Hinweise beinhalten würden, aus denen ein Zuchtprogramm für Gamswild in den beantragten Gattern abzuleiten wäre. Die übrigen Äußerungen der Beschwerdeführer zum "Zuchtprogramm" stellten ein allgemein formuliertes Zuchtziel dar, wonach die Zucht hochwertigen Wildes angestrebt werde und gesunde und gute Trophäenträger für Gatter und freie Wildbahn herangezüchtet werden sollten, in dem die Zucht mit den bestmöglichen und vitalsten Tieren vorgenommen werden solle. Die Aussage, dass die Zucht mit den bestmöglichen und vitalsten Tieren vorgenommen werde und eine gezielte Auslese von kranken bzw. ungeeigneten Tieren unter veterinärmedizinischer Aufsicht anstelle einer natürlichen Auslese stattfinden werde, stelle aus jagdfachlicher Sicht beim Gamswild einen grundsätzlichen Unterschied zu den Hegezielen in freier Wildbahn dar. Zwar erfolge auch bei der Jagd in der freien Wildbahn eine gezielte Auslese von kranken und schwächeren Tieren, damit sich ein artenreicher und gesunder Wildbestand entwickeln bzw. erhalten könne und somit der im Jagdgesetz festgelegten Verpflichtung entsprechend nachgekommen werde. Zur Erhaltung einer gesunden Gamswildpopulation bzw. eines Gamswildbestandes in der freien Wildbahn sei aber vor allem auch die natürliche Auslese durch die Umweltbedingungen im jeweiligen Lebensraum sehr wichtig. Dabei komme der Trophäenqualität eine untergeordnete Rolle zu. Ein Aussetzen von im Zuchtgatter unter den zuvor beschriebenen Bedingungen ausgewählten Gämsen in die freie Wildbahn erscheine aus jagdfachlicher Sicht problematisch und nicht zweckmäßig. Insgesamt sei der Inhalt des "Zuchtprogrammes" derart allgemein gehalten, dass daraus aus jagdfachlicher Sicht ein Zuchtprogramm nicht bzw. nur in Ansätzen zu erkennen sei. Die Bedenken von Dipl. Ing. R. (vgl. die Sitzung des NÖ Landesjagdbeirates vom 3. Dezember 1998), dass es ohnehin genug Gämsen in der freien Wildbahn gäbe, würden durch die jährlichen Abschüsse von Gamswild in Niederösterreich bestätigt. Die zuletzt vorliegenden Abschusszahlen aus der Jagdstatistik 1997 wiesen für Niederösterreich beim Gamswild 781 erlegte Böcke, 801 Geißen und 419 Kitze, insgesamt 2.001 Stück Gamswild aus. Hiezu komme ein jährlich nicht unbeträchtlicher Anteil von Fallwild bei Gämsen, die auf Grund der Witterungsverhältnisse in ihrem angestammten Lebensraum unter besonders strengen und schneereichen Wintern litten sowie oftmals den Lawinen zum Opfer fielen.
Dieses Gutachten sei den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht worden, worauf diese am 10. August 1999 Stellung genommen hätten. Zu den von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Argumenten, sei, ausgehend von § 7 Abs. 4 NÖ JG, Folgendes zu entgegnen:
In der dem Antrag beigelegten (tierärztlichen) Stellungnahme werde die Besatzdichte des 8 ha großen Zuchtgeheges mit insgesamt 48 Stück Gamswild beziffert. Die Aussage, dass die Gämsen bei zu hohem Besatz anfälliger gegen Räudemilbenbefall und Darmparasiten seien, bedürfe keiner zusätzlichen Begründung, da das Wissen über die Krankheiten der Gämsen bei einem veterinärmedizinischen Sachverständigen von der Behörde vorausgesetzt werde. Die Behauptung, dass ein Gamsrudel von bis zu 30 Tieren in der Winterzeit auch auf wesentlich geringeren Flächen als 8 ha auftrete, vermöge nicht, die Aussage des Institutsvorstandes des Instituts der veterinärmedizinischen Universität für Wildforschung zu entkräften, dass ein Gamsrudel von 30 Tieren ein Zuchtgatter in der Größe von 50 ha benötige. Die Rückzugsmöglichkeit für die einzelnen Böcke während der Kämpfe in der Brunftzeit erschienen nicht ausreichend, wenn man bedenke, dass mehrere Tiere gleichzeitig und gegen mehrere Gegner Kämpfe auszufechten hätten, und daher die Rangkämpfe gar nicht durch endgültige Flucht des jeweils unterlegenen Tieres beendet werden könnten.
Ein Zuchtziel für die Gämsen dieses konkreten Zuchtgeheges, sowie die konkrete Durchführung einer entsprechenden Selektion unter veterinärmedizinischer Aufsicht nach den Zielen des Zuchtfortschrittes sei weder im Antrag vorhanden gewesen noch seien diese nach mehrmaliger Aufforderung nachgereicht worden. Die Stellungnahme des Amtstierarztes K. vom 22. Dezember 1992 lege schlüssig und nachvollziehbar dar, warum keine genotypisch hochwertigen Tiere in einem Zuchtgatter wie dem geplanten großgezogen werden könnten. Insbesondere seien bei der hier beabsichtigten Massentierhaltung, um die Tiere vor Krankheiten zu bewahren, ständig Medikamente, und um Mangelerscheinungen vorzubeugen, Medikamente und Kraftfutter beizugeben. Die Rudelzusammensetzung müsste vor der Brunft durch menschlichen Eingriff, nämlich durch Reduzierung geschlechtsreifer Böcke, verändert werden, um Kämpfen vorzubeugen. Dadurch könne es dazu kommen, dass sich nicht der tatsächlich stärkste Bock des Rudels als Erzeuger der neuen Generation durchsetzt. Auch das von den Beschwerdeführern herangezogene Argument der Rudelbildung bei Gämsen lasse nicht den Schluss zu, dass das einzelne Tier dadurch weniger Lebensraum benötige, also eine höhere Populationsdichte im Zuchtgehege zulässig sei. Die Populationsdichte von 48 Tieren auf 8 ha Gehege sei von den beigezogenen Sachverständigen als zu hoch beurteilt worden. Eine Vorschreibung der Besatzdichte durch die Behörde als Auflage komme deshalb nicht in Frage, da die Besatzdichte ein wesentlicher Bestandteil des Zuchtprogrammes und daher des ganzen Vorhabens sei. Die Behörde dürfe durch Auflagen ein Projekt in seinen Details verändern. Wie jedoch ein Projekt, das sei im gegenständlichen Fall das Zuchtgehege für Gämsen, im wesentlichen beschaffen sein solle, müsse der Antragsteller der Behörde gegenüber präzisieren, dies hätten die Beschwerdeführer unterlassen. Den hinreichend gebotenen Möglichkeiten, den eingeholten Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, seien die Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Was die Zaunhöhe betreffe, stünden die Aussage des veterinärmedizinischen Amtssachverständigen, sie müsse ca. 4 m betragen, bzw. Prof. O., die Höhe müsse mindestens 3 m mit einem zusätzlichen engmaschigem Aufsatz betragen, nicht im Widerspruch. Eine derartige Höhe sei mit der außerordentlichen Sprungkraft der Gämsen und der Beschaffenheit des Geländes im Gehege zu begründen. Die im § 7 Abs. 4 NÖ Jagdgesetz 1974 zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen seien der allgemeine Tierschutz und die Krankheits- und Seuchenverhütung bei den Zuchttieren, nicht aber die Förderung eines landwirtschaftlichen Betriebes. Die Voraussetzungen für die Genehmigung des Zuchtgeheges seien daher nicht erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 7 Abs. 4 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes (NÖ JG), LGBl. 6500-14, lautet:
"§ 7. (4) Die Bewilligung für Zuchtgehege ist zu erteilen, wenn diese so beschaffen sind, dass in ihnen unter Bedachtnahme auf Auslesegrundsätze die Zucht hochwertigen Wildes für Wildforschungszwecke oder überwiegend zum Zweck der Abgabe lebender Zuchtprodukte an Wildgehege oder in die freie Wildbahn möglich ist, Isolierungsgehege oder -ställe besitzen sowie die Tierhaltung im Sinne tierschutzrechtlicher und veterinärpolizeilicher Vorschriften ermöglichen."
Zunächst ist den Beschwerdeführern, soweit sie die Verletzung im Parteiengehör behaupten, weil die belangte Behörde "mehrfach Zitate aus Büchern" angeführt habe, Folgendes zu entgegnen: mit den hier in Rede stehenden Literaturzitaten hat die belangte Behörde ihre Rechtsmeinung, die beabsichtigte Populationsdichte in dem von den Beschwerdeführern beantragten Zuchtgehege sei zu groß, untermauert, ohne dadurch einen neuen, entscheidungswesentlichen Sachverhalt, der nicht schon Gegenstand des bisherigen Verfahrens gewesen wäre, festzustellen. Sie wurden daher in ihrem Recht auf Parteiengehör nicht verletzt.
Auch im Übrigen sind die Beschwerdeführer mit ihrem Vorbringen, der angefochtene Bescheid enthalte keine hinreichenden Feststellungen zur Beurteilung, ob eine Bewilligung gemäß § 7 Abs. 4 NÖ JG erteilt werden könne, nicht im Recht. Kern der Begründung des angefochtenen Bescheides bilden die Argumente der belangten Behörde, es sei die beabsichtigte Populationsdichte zu hoch und das im Gehege gehaltene Wild von Krankheiten und Fehlentwicklungen in der Fortpflanzung bedroht. Die belangte Behörde nahm an, dass Gämsen bei zu hohem Besatz anfälliger gegen Räudemilbenbefall und Darmparasiten seien, und dass geschlechtsreife Böcke in der Brunftzeit Kämpfe austragen würden und andere Böcke bei diesen Kämpfen verletzten.
Stichhältige Bedenken gegen diese Aussagen der belangten Behörde, insbesondere, die beabsichtigte hohe Populationsdichte - unbestritten geht es hier um bis zu 48 Stück Gams auf einer Grundfläche des Geheges von 8 ha - fördere die Anfälligkeit der Tiere für Krankheiten, wie etwa Befall durch Räudemilben, vermögen die Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, zumal es anerkannt ist, dass Räude bei zu hoher Wilddichte auftritt (vgl. auch Das Jagdlexikon (1983), S 480). Durch welche konkrete Maßnahmen der "veterinärmedizinischen Kontrolle" die Beschwerdeführer dies auszuschließen vermögen, ist aus dem Beschwerdevorbringen nicht erkennbar. Insoweit sie - auch was die veterinärmedizinische Aufsicht anlangt - auf ihre im fortgesetzten Verwaltungsverfahren erstattete Äußerung vom 29 März 1999 hinweisen, ist ihnen zu entgegnen, dass sie auch dort nur allgemein ihre Absicht, "natürliche Auslese unter veterinärmedizinischen Aufsicht" vorzunehmen, behaupten, ohne diesbezüglich im Einzelnen darzulegen, um welche Maßnahmen es sich handelt.
Die belangte Behörde folgte in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen auch den Ausführungen des jagdfachlichen Amtssachverständigen, der auf die erstatteten Stellungnahmen und Äußerungen der Beschwerdeführer einging und insbesondere auch den Einwand berücksichtigte, die Zucht werde mit den bestmöglichen und vitalsten Tieren vorgenommen und es solle eine gezielte Auslese von kranken bzw. ungeeigneten Tieren unter veterinärmedizinischer Aufsicht anstelle einer natürlichen Auslese stattfinden. Der Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, zur Erhaltung einer gesunden Gamswildpopulation bzw. eines Gamswildbestandes in der freien Wildbahn sei vor allem auch die natürliche Auslese durch die Umweltbedingungen im jeweiligen Lebensraum sehr wichtig und ein Aussetzen von im Zuchtgatter unter den hier gegebenen Bedingungen ausgewählten Gämsen in die freie Wildbahn sei aus jagdfachlicher Sicht problematisch und nicht zweckmäßig. Es wäre den Beschwerdeführern freigestanden, diesen Ausführungen auf gleicher fachlicher Ebene durch Vorlage eines diese Ausführungen entkräftenden Gutachtens entgegenzutreten, was sie jedoch unterlassen haben. Wenn sie nunmehr gegen den angefochtenen Bescheid einwenden, die Behörde hätte ein veterinärmedizinisches Sachverständigengutachten zur Frage der "Möglichkeit" einer tauglichen Zucht einholen müssen, stellt dies einen - unzulässigen - Erkundungsbeweis dar, vermag jedoch nicht, einen der belangten Behörde unterlaufenen relevanten Verfahrensmangel aufzudecken.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 13. November 2002
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 rechtswidrig gewonnener BeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999030418.X00Im RIS seit
18.02.2003