TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/14 2001/09/0099

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Veröffentlicht am 14.11.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs2;
AuslBG §28 Abs5;
AuslBG §28;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §1;
VStG §27 Abs1;
VStG §28;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1. März 2001, Zl. VwSen-250882/3/Kon/Pr, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Dr. S in L; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 8. Mai 2000 wurde der Mitbeteiligte gemäß §§ 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a, 28 Abs. 5 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geldstrafe in Höhe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tage) bestraft, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma A Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in L, und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ zu verantworten habe, dass ein namentlich genannter bosnischer Staatsangehöriger in der Zeit vom 27. Oktober 1998 bis 4. Januar 1999 als Hilfskraft beschäftigt worden sei, obwohl für den genannten Ausländer weder

eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine gültige Arbeitserlaubnis, Anzeigebestätigung oder ein gültiger Befreiungsschein ausgestellt worden sei.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. März 2001 gab die belangte Behörde der Berufung ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung Folge, behob das angefochtene erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 erster Fall VStG ein.

Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde begründend aus, nach dem Inhalt des im Akt liegenden Firmenbuchauszuges (Stichtag 9. April 1999) habe die Fa. A Ges.m.b.H. ihren Sitz in der politischen Gemeinde Linz. Die Geschäftsanschrift der Fa. A laute auf 4048 Linz-Puchenau, GStraße. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sei als Tatort im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers (im Beschwerdefall somit nicht Linz-Puchenau, sondern richtigerweise:

pol. Gemeinde Linz) anzusehen. In Hinblick darauf ergebe sich, dass im Beschwerdefall dem Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz als Tatortbehörde die Strafverfolgung oblegen gewesen wäre, unbeschadet des Umstandes, dass die Geschäftsanschrift der gegenständlichen Firma (4048 Linz-Puchenau, GStraße) im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung gelegen sei. Daraus ergebe sich, dass der Schuldspruch einen nicht den Tatsachen entsprechenden Sitz beinhalte, was zu Folge habe, dass der Mitbeteiligte als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher einer an diesem Ort nicht existenten juristischen Person belangt worden sei. Der im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses enthaltene Tatort sei lediglich die Geschäftsanschrift. Die Erlassung eines Straferkenntnisses durch die zuständige Behörde sei infolge des zwischenzeitlichen Eintritts der Verfolgungsverjährung nicht mehr möglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 2 B-VG i.V.m. § 28a Abs. 1 AuslBG gestützte Amtsbeschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit mit dem Antrag, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben. Im Wesentlichen wird dies damit begründet, die belangte Behörde sei zu Unrecht von der Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz sowie vom Eintritt der Verfolgungsverjährung ausgegangen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Mitbeteiligte äußerte sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 27 Abs. 1 VStG ist die Behörde für die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen wurde. Ist nach Abs. 2 der genannten Bestimmung die Zuständigkeit mehrerer Behörden begründet oder ist es ungewiss, in welchem Sprengel die Übertretung begangen worden ist, so ist die Behörde zuständig, die zuerst eine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen hat.

Auch im Falle von Übertretungen gegen § 28 AuslBG ist im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers der Tatort, denn dort wird in der Regel die gegebenenfalls nach diesem Gesetz verpönte Beschäftigung eingegangen und von dort aus wäre die allenfalls fehlende Beschäftigungsbewilligung zu beantragen gewesen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0140, und die dort angeführte Vorjudikatur). Wird die tatsächliche Leitung eines Unternehmens jedoch an einem anderen Ort als an dem im Firmenbuch eingetragenen Sitz des Unternehmens ausgeübt, so hat dies zur Folge, dass als Ort der Beschäftigung dieser tatsächliche Sitz der Unternehmensleitung und auch dieser Ort als jener Ort, von welchem aus die allenfalls erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen hätten beantragt werden müssen, anzunehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2000/09/0147). Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass der im Firmenbuch eingetragene Sitz der A Gesellschaft m.b.H. auf "politische Gemeinde Linz" ohne nähere Anschrift, die Geschäftsanschrift hingegen auf "4048 Linz-Puchenau, GStraße " lautet. Daraus ergibt sich, dass der Tatort der dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Verwaltungsübertretung, also jener Ort der tatsächlichen Unternehmensführung, von welchem aus er die erforderliche Beschäftigungsbewilligung hätte beantragen müssen, im Sprengel der Behörde erster Instanz gelegen war. In diesem Sinne blieb die Behörde erster Instanz jedenfalls nach § 28 VStG zur Verfolgung zuständig, solange nicht ein Umstand hervorkam, der nach § 27 Abs. 1 leg. cit. die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet hätte. Die Erstbehörde war darüber hinaus nicht verhalten, von Amts wegen Ermittlungen anzustellen, ob nicht etwa die tatsächliche Unternehmensleitung der GesmbH von einem dritten Ort aus erfolgt sei (Anzeichen dafür enthielt die Angabe des einvernommenen Ausländers). Ein Umstand, der gemäß § 27 Abs. 1 VStG die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet, kann nämlich erst dann als hervorgekommen angesehen werden, wenn er der Behörde zur Kenntnis gelangt ist, allenfalls in dem Zeitpunkt, in dem ihn die Behörde bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätte kennen müssen. Kommt ein solcher Umstand nicht bis zur Fällung des Straferkenntnisses hervor, dann ist die nach § 28 VStG vorläufig zuständige Behörde auch zur bescheidmäßigen Bestrafung zuständig. Dies hat die belangte Behörde verkannt, weshalb sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete.

Darüber hinaus ist ferner auszuführen:

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.

Verfolgungshandlung ist zufolge § 32 Abs. 2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Gemäß § 28 Abs. 2 AuslBG beträgt die Verjährungsfrist (§ 31 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 ein Jahr.

Der im Beschwerdefall angelastete Zeitraum der unberechtigten Beschäftigung des genannten Ausländers endete mit dem 4. Januar 1999, die Frist des § 28 Abs. 2 AuslBG somit am 4. Januar 2000.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird diese Frist im Sinne des § 31 Abs. 1 in Verbindung mit § 32 Abs. 2 VStG u.a. durch die Aufforderung zur Rechtfertigung bereits dann gewahrt, wenn darin unverwechselbar feststeht, wo und welcher Ausländer unerlaubt beschäftigt worden sein soll (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. September 2000, Zl. 99/09/0091). Der Mitbeteiligte wurde mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 25. Mai 1999 (zugestellt am 27. Mai 1999) zur Rechtfertigung aufgefordert, wobei die sachverhaltsmäßige Grundlage der ihm zum Vorwurf gemachten Tat bereits durch Angabe der Person des Ausländers, einer ausreichenden Beschreibung der Art seiner Tätigkeit, der übertretenen Norm und des Tatzeitraumes ausreichend umrissen war. Die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25. Mai 1999 ließ am Gegenstand der unter Strafandrohung gestellten Tat keinerlei Zweifel aufkommen, auch wenn der Mitbeteiligte vorerst als Verantwortlicher eines anderen Unternehmens belangt worden war, zumal er sich selbst dahingehend verantwortet hatte, die Fa. A sei Arbeitgeberin des Ausländers gewesen. Für die Tauglichkeit einer Verfolgungshandlung ist es nicht erforderlich, dem Beschuldigten vorzuwerfen, die Tat als zur Vertretung einer bereits spezifizierten juristischen Person nach außen Berufener im Sinne des § 9 VStG verantworten zu müssen, wenn die Tathandlung selbst im Sinne der verletzten Verwaltungsvorschrift - im Beschwerdefall sohin des zur Last gelegten Verstoßes gegen das AuslBG - eindeutig individualisiert ist. Ist aber die Frage der Verantwortung für eine physische oder juristische Person in diesem Verfahrensstadium (noch) nicht relevant, so erst recht nicht die zutreffende Bezeichnung der letzteren, sofern kein Zweifel an der Identität der vorgeworfenen Tat aufkommen kann. Damit erfolgte in Hinblick auf die in der Aufforderung zur Rechtfertigung enthaltenen Spezifika eine Konkretisierung der dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Tat, die diesen in die Lage versetzte, seine Rechtsverteidigung zu führen. Dass er (nach Stilllegung seines anderen Unternehmens) im Tatzeitraum handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser Gesellschaft war, stellt er nicht in Abrede. Dass er tatsächlich in einem Irrtum über die ihm angelastete Tat befangen oder diese mit einer anderen ihm vorgeworfenen Tathandlung verwechselbar gewesen wäre, hat er nie behauptet.

Verfolgungsverjährung lag somit weder im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vor.

Da die belangte Behörde insofern die Rechtslage verkannte und das Verfahren gegen den Mitbeteiligten gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Das Unterbleiben einer Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf § 47 Abs. 4 VwGG.

Wien, am 14. November 2002

Schlagworte

Zurechnung von Organhandlungen örtliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001090099.X00

Im RIS seit

18.02.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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