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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/09/0178Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (protokolliert zur Zl. 2001/09/0177), sowie über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Kranich & Fehringer, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Neubaugasse 68, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 24. Juli 2001, Zl. UVS- 07/A/37/4057/2000/46, betreffend Bestrafung nach dem AuslBG (protokolliert zur hg. Zl. 2001/09/0178) (weitere Parteien:
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Bundesminister für Finanzen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattgegeben.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der mit der Beschwerde verbundene Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wurde damit begründet, die Zustellung des angefochtenen Bescheides sei "beiden Vertretern" am 30. Juli 2001 erfolgt, die Frist zur Erhebung der Beschwerde wäre somit am 10. September 2001 abgelaufen. Die in der Rechtsanwaltskanzlei zuständige Sekretärin habe - von einem Juristen überprüft - unter Wahrung eines Sicherheitsspielraums den 7. September 2001 als das Ende der einzuhaltenden Beschwerdefrist in das Fristenbuch eingetragen. In der Zeit vom 22. August bis 11. September habe sie sich aber in Spitalsbehandlung begeben müssen; für sie sei in dieser Zeit eine erst kurze Zeit beschäftigte Aushilfssekretärin eingesprungen. Am 30. August 2001 habe der Beschwerdevertreter mit dem Beschwerdeführer in einer anderen Angelegenheit eine Besprechung gehabt, an deren Ende als nächster Termin der 13. September 2001 vereinbart worden sei. Dementsprechend habe der Beschwerdevertreter der Aushilfssekretärin telefonisch den Auftrag erteilt, "Schauen Sie nach, ob in Sachen R. der letzte Tag der VwGH-Frist ist und tragen Sie einen neuen Besprechungstermin für Herrn R. für den 13.9., 17.00 Uhr ein". Diesen Auftrag habe die Aushilfskraft missverstanden, weshalb sie den (richtigerweise) eingetragenen Fristenvormerk ausgestrichen (was ausschließlich Juristen vorbehalten sei) und die Neueintragung der Frist für "13. September 2001, 17.00 Uhr", vorgenommen habe. Dieser Fehler sei erst am 13. September 2001 nach Rückkehr der zuständigen Sekretärin (am 11. September 2001) entdeckt worden. Darin sei ein unvorhergesehenes Ereignis zu sehen, an dem nur ein minderer Grad des Versehens bestünde.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist letzterem (und damit auch der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle über den Angestellten unterlassen hat. Insbesondere muss der Rechtsanwalt die Organisation des Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch eine entsprechende Kontrolle u.a. dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Dabei kann sich der Rechtsanwalt in der Regel auf eine bewährte Kanzleikraft verlassen. Allerdings können auch sorgfältigste Kanzleiorganisation und genaue Kontrolle Fehler generell im Vorhinein nicht gänzlich ausschließen; in solchen Fällen darf aber das Verschulden an der Versäumung den Grad eines minderen Versehens nicht überschreiten.
Im vorliegenden Fall wurde der Fristenvormerk zwar in das Fristenbuch grundsätzlich richtig eingetragen, jedoch entgegen einer generellen Weisung von einer erst kurz in der Kanzlei des Beschwerdevertreters tätigen Aushilfssekretärin auf Grund eines Missverständnisses ausgestrichen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt betont hat, verhält es sich - anders als bei manipulativen Irrtümern, die als Wiedereinsetzungsgründe gelten - bei Irrtümern, deren Fehlergeneigtheit für jedermann, insbesondere aber für berufliche Parteienvertreter leicht erkennbar ist, um solche, die als Wiedereinsetzungsgründe in der Regel nicht geltend gemacht werden können (vgl. als Beispiel für viele das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2001, Zl. 99/06/0039). Um einen solchen handelt es sich, wenn der Parteienvertreter einen telefonischen Auftrag zu einer Eintragung in das Fristenbuch mit Worten gibt, bei dem eine Missinterpretation geradezu vorprogrammiert ist. Es hätte vielmehr der sofortigen Überprüfung oder einer nachprüfenden Kontrolle des Rechtsanwaltes bedurft, ob seinem telefonischen Auftrag fehlerfrei entsprochen worden ist. Dies wäre insbesondere in Anbetracht der Behauptung, die mit der Eintragung beauftragte Aushilfssekretärin sei lediglich erst kurzfristig in der Kanzlei tätig gewesen, geboten gewesen. Durch die Forderung nach Beobachtung solcher Art von Sorgfalt, erscheint die einem beruflichen Parteienvertreter obliegende Diligenzpflicht auch keineswegs überspannt (vgl. auch ähnliche Fälle betreffend den hg. Beschluss vom 5. November 1997, Zl. 97/21/0673, und das hg. Erkenntnis vom 3. April 2001, Zl. 2000/08/0214).
Insgesamt ergibt sich, dass die auf eine fehlerhafte Fristeintragung zurückzuführende verspätete Einbringung der Beschwerde nicht bloß auf einen minderen Grad des Versehens zurück zu führen ist. Aus diesem Grunde war dem Antrag nicht stattzugeben.
Damit erweist sich aber auch die erst am 26. September 2001 zur Post gegebene Beschwerde als verfristet, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 14. November 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001090177.X00Im RIS seit
21.02.2003