TE Vfgh Erkenntnis 1999/10/14 B1323/97, B1324/97

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Veröffentlicht am 14.10.1999
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art108
Wr BauO 1930 §1
Wr BauO 1930 §2
Wr BauO 1930 §75 Abs1
Wr BauO-Nov LGBl 10/1996 ArtII
Plandokument Nr 4196
Verordnung des Stadtsenates. ZMA 21C-VO 22B/96, über den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan 22. Bezirk. Teilbereich 2

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die inhaltlichen Determinanten für die Rechtsüberleitung der vor der Wr Bauordnungsnovelle LGBl 10/1996 erlassenen Flächenwidmungs- und Bebauungspläne unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips; keine Bedenken gegen die gesetzliche Ermächtigung an den Stadtsenat zu einer beschränkten Änderung der vom Gemeinderat erlassenen Verordnungen; keine Gesetzwidrigkeit der Feststellung der Weitergeltung eines Plandokuments; keine Gesetzwidrigkeit dieses Plandokuments

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Magistrat der Stadt Wien hat mit Bescheid vom 25. Jänner 1996 gemäß §70 der Bauordnung für Wien (WBO) der A-GmbH die Bewilligung zur Errichtung eines einstöckigen Reihenhauses mit fünf Wohneinheiten erteilt. Dagegen erhoben drei Nachbarn Berufungen, die mit den angefochtenen Bescheiden abgewiesen wurden.

2. In ihren - im wesentlichen gleichlautenden Beschwerden - behaupten die Beschwerdeführer ausschließlich die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen. Insbesondere behaupten sie, ArtII Abs1 des Gesetzes, mit dem die Bauordnung für Wien geändert wird, LGBl. Nr. 10/1996, sei verfassungswidrig und das auf Grund dieser Bestimmung übergeleitete Plandokument Nr. 4196 sei gesetzwidrig.

II.1. Die Rechtslage bezüglich der Überleitung von Flächenwidmungsplänen, die vor Aufhebung des §1 WBO durch das Erkenntnis VfSlg. 14041/1995 erlassen wurden, ist durch folgende Entwicklung gekennzeichnet:

1.1. Mit Erkenntnis VfSlg. 14041/1995 hat der Verfassungsgerichtshof §1 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1976, LGBl. Nr. 18, mit der Begründung als verfassungswidrig aufgehoben, daß sich in der Bauordnung für Wien keine dem Legalitätsprinzip entsprechenden Determinanten für die Planung finden und Festlegungen von Planungszielen ebenso fehlen wie Regelungen über die Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers. Die Aufhebung des §1 WBO trat mit Ablauf des 31. August 1996 in Kraft. Mit dem genannten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof weiters zwölf Flächenwidmungs- und Bebauungspläne zur Gänze aufgehoben, weil sie auf Grund einer verfassungswidrigen Gesetzesvorschrift erlassen wurden.

1.2. Mit der am 1. September 1996 in Kraft getretenen Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 10/1996, führte der Wiener Landesgesetzgeber im neuen §1 Abs2 WBO einen umfassenden Zielkatalog für die Raumordnung ein und regelte das für die Festsetzung und Abänderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne einzuhaltende Verfahren und erließ eine Übergangsbestimmung für bestehende Raumordnungspläne, die wie folgt lautet:

"Artikel II

Übergangsbestimmung

(1) Der Stadtsenat kann durch Verordnung feststellen, daß bereits erlassene Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne oder flächenmäßige Teile dieser Pläne als Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne im Sinne dieses Gesetzes gelten. Diese Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne sind in der Verordnung mit ihrer Kennzahl (Nummer des Plandokumentes) zu bezeichnen. Flächenmäßige Teile dieser Pläne, die nicht umfaßt werden, sind ausdrücklich zu bezeichnen. Die Verordnung ist im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen. Auf die Ausfolgung der Planbeilagen zu den bezogenen Flächenwidmungsplänen und Bebauungsplänen hat jedermann gegen Ersatz der Vervielfältigungskosten Anspruch.

(2) Eine Feststellung gemäß Abs1 ist nur zulässig, wenn bei der Erstellung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne die am 1. September 1996 geltenden gesetzlichen Bestimmungen in den Grundzügen eingehalten worden sind.

(3) Von einer Feststellung gemäß Abs1 können Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne nur erfaßt sein, wenn sie am 31. August 1996 in Geltung stehen.

(4) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne, die in einer Verordnung gemäß Abs1 enthalten sind, treten mit Ablauf des 31. August 2006 außer Kraft, sofern sie an diesem Tag noch in Geltung stehen.

(5) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne, die am 31. August 1996 in Geltung stehen und nicht in eine Verordnung gemäß Abs1 aufgenommen werden, treten mit Ablauf des 31. August 1996 außer Kraft."

2. Die Beschwerde bringt gegen die geschilderte Regelungstechnik folgende Bedenken im Hinblick auf Art18 B-VG vor:

Um ermitteln zu können, ob der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 4196, (noch) gilt, werde den Beschwerdeführern zugemutet, daß sie sich nicht nur die Gewißheit über die Kundmachung der seinerzeitigen Beschlußfassung im Amtsblatt der Stadt Wien verschaffen und von ihrem Anspruch auf Ausfolgung des Beschlusses und der dazugehörigen Planbeilagen Gebrauch machen, sondern daß sie auch alle Amtsblätter der Stadt Wien durchsehen, ob eine entsprechende Verordnung des Wiener Stadtsenates ergangen sei. Diese Regelungstechnik widerspreche Art18 B-VG, wonach der Gesetzgeber (im materiellen Sinn) der breiten Öffentlichkeit den Inhalt seines Normbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis bringen muß, da andernfalls die Normunterworfenen nicht die Möglichkeit haben, sich der Norm gemäß zu verhalten. Diesem Erfordernis entspreche weder eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung sowie "geradezu archivarischer Fleiß" vonnöten sind, noch eine solche, zu deren Verständnis außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine "gewisse Lust zum Lösen von Denksportaufgaben" erforderlich sind

(VfSlg. 3130/1956, 12420/1990). Da die Beschwerdeführer zur Lösung der Aufgabe, ob das Plandokument Nr. 4196 noch dem Rechtsbestand angehört, zahlreiche Amtsblätter, die nicht gerade leicht zugänglich seien, studieren müßten, werde ihnen in verfassungswidriger Weise ein "nicht zumutbarer archivarischer Fleiß" und eine "gewisse Lust zum Lösen von Denksportaufgaben" zugemutet.

Selbst wenn aber in irgendeinem Amtsblatt durch Verordnung des Stadtsenates das gegenständliche Plandokument Nr. 4196 "übergeleitet" worden wäre, wäre dies nach Ansicht der Beschwerdeführer inhaltlich in verfassungswidriger Weise erfolgt:

Einerseits wäre eine Feststellung gemäß ArtII Abs2 des Gesetzes LGBl. 10/1996 nur zulässig, wenn bei der Erstellung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne die am 1. September 1996 geltenden gesetzlichen Bestimmungen in den Grundzügen eingehalten worden wären. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, da auf die Ziele, wie sie nunmehr in §1 Abs2 WBO idgF aufgezählt sind, in keiner Weise Bedacht genommen worden sei. Dies zeigte sich etwa daran, daß andernfalls der Flächenwidmungsplan spätestens im Jahre 1976 dahingehend zu ändern gewesen wäre, daß eine Bebauung ausschließlich mit Kleinhäusern zulässig gewesen wäre; jede andere Bebauungsweise würde den in §1 Abs2 Z5, Z9, Z12 und Z14 WBO idgF genannten Zielen eklatant widersprechen. Eine "ausreichende Prüfung" im Sinne des Gesetzes habe somit nicht stattgefunden.

Zudem handle es sich bei der gewählten Überleitungstechnik des ArtII des Gesetzes LGBl. 10/1996 um eine verfassungswidrige Delegation, da der Stadtsenat ermächtigt werde, die Geltung von Verordnungen festzustellen, die von einer anderen normsetzenden Autorität (Gemeinderat) erlassen wurden. Daß es sich nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich um eine "Feststellung" handeln soll, könne nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich in Wahrheit um Normsetzung (ArtII Abs1) bzw. um Normaufhebung (ArtII Abs5) handle.

Schließlich handle es sich bei der Bestimmung des ArtII Abs2 des Gesetzes LGBl. 10/1996 um eine verfassungswidrige formalgesetzliche Delegation, da die Ermächtigung an den Stadtsenat, eine Feststellung gemäß ArtII Abs1 zu treffen, wenn nicht näher definierte gesetzliche Bestimmungen "in den Grundzügen eingehalten worden sind", den Inhalt der Verordnung nicht ausreichend determiniert.

3. Die Wiener Landesregierung hält diesen Ausführungen folgendes entgegen:

Das Amtsblatt der Stadt Wien sei ein offizielles Publikationsorgan. Dazu komme, daß das Landesgesetzblatt für Wien Nr. 10/1996 am 31. Jänner 1996 kundgemacht worden ist. Die gegenständlichen Verordnungen des Stadtsenates hätten nur bis 31. August 1996 erlassen werden können (ArtII Abs5 leg. cit.). Es sei daher auch im Hinblick auf diese beschränkte Zeitspanne und das wöchentliche Erscheinen des Amtsblattes der Stadt Wien in keiner Weise einzusehen, warum ein archivarischer Fleiß oder eine gewisse Lust zum Lösen von Denksportaufgaben notwendig sein sollte, die geltende Rechtslage herauszufinden.

Gemäß ArtII Abs4 und 5 leg. cit. treten Flächenwidmungs- und Bebauungspläne, die in einer Verordnung des Stadtsenates enthalten sind, mit 31. August 2006 außer Kraft, sofern sie bis dahin nicht durch neue Pläne des Gemeinderates ersetzt worden sind, und Flächenwidmungs- und Bebauungspläne, die nicht in eine Verordnung des Stadtsenates aufgenommen wurden, traten mit 31. August 1996 außer Kraft. Die Normaufhebung- und -setzung bei den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen erfolge daher ausschließlich durch den Gesetzgeber bzw. Gemeinderat und nicht durch den Stadtsenat.

Bei Schaffung der nun in Frage gestellten Rechtsnormen sei zu bedenken gewesen, daß den alten Plänen auf Grund der Aufhebung des §1 Bauordnung für Wien mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14041/1995 ein Makel anhafte und eine Überleitung auf unbeschränkte Zeit folglich nicht in Frage gekommen sei. Auf der anderen Seite erscheine angesichts des zitierten Erkenntnisses eine pauschale Überleitung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne durch den Gesetzgeber (vgl. VfSlg. 14179/1995) nicht möglich. Der Gesetzgeber hätte daher wegen erheblicher Rechtsunsicherheit über die Weitergeltung von Plänen nach Aufhebung des §1 WBO und des Drohens einer generellen Bausperre für ganz Wien (§8 Abs1 WBO) eine sachlich ausgewogene Überleitungsmöglichkeit zu finden gehabt. Diese bestehe darin, daß die Frage, ob bei der Erstellung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne die neuen Regelungen de facto bereits eingehalten wurden, durch eine Verordnung des Stadtsenates zu entscheiden sei, an die durch die gesetzliche Rechtslage die Weitergeltung der entsprechenden Plandokumente tatbestandsmäßig geknüpft worden sei.

Daher sei es unzutreffend, daß der Stadtsenat Normen einer anderen Autorität abändere oder aufhebe. Eine diesbezügliche Gestaltungskompetenz komme ihm nicht zu. Die Kompetenz des Stadtsenates umfasse auch etwas anderes (nämlich nur die Feststellung über Vorkommnisse der Vergangenheit) als jene des Gemeinderates (Erlassung von Plänen), der wiederum eine Feststellung wie der Stadtsenat nicht treffen könnte.

Es liege im rechtspolitischen Ermessen des Landesgesetzgebers, welchem Organ er diese Feststellungskompetenz gesetzlich zuspreche. Der Stadtsenat habe sich hier angeboten, da er wie der Gemeinderat proportional zusammengesetzt sei, im Vergleich zu einem Gemeinderatsbeschluß aber ein geringerer Verfahrensaufwand notwendig sei und dies besonders, abgesehen von der Sparsamkeit, in einem Wahljahr entsprechende Bedeutung gehabt habe. Es gehe eben gerade nicht um die aufwendige Ausarbeitung neuer Planbestimmungen, sondern um die Feststellung der Erfüllung gewisser Punkte bei der seinerzeitigen Erarbeitung von Plandokumenten.

Nach der Aufhebung des §1 WBO durch den Verfassungsgerichtshof sei davon auszugehen gewesen, daß alle Plandokumente seit 1930 verfassungswidrig gewesen seien. Der Gesetzgeber habe jedoch die Tatsache zu bedenken gehabt, daß diese Pläne zwar in formeller Hinsicht mangels Verfassungskonformität der sie tragenden Gesetzesbestimmung rechtswidrig gewesen seien, daß aber in materieller Hinsicht den Anforderungen, die der Verfassungsgerichtshof anläßlich der Aufhebung des §1 WBO aufgestellt hat, in der Praxis durch lange Zeit schon weitgehend entsprochen worden sei.

Die Kritik, ArtII Abs2 der WBO-Novelle LGBl. Nr. 10/1996 verweise auf nicht näher definierte gesetzliche Bestimmungen, sei schon deshalb unzutreffend, weil die am 1. September 1996 geltende Rechtslage dem Landesgesetzblatt für Wien entnommen werden könne. Daß keine umfassende Einhaltung dieser Normen auch in den Details verlangt werden konnte, sei aber ebenfalls klar, weil alle Details dieser Normen bei der seinerzeitigen Planung nach der alten Rechtslage noch nicht bekannt gewesen seien. Der Gesetzgeber habe daher, auch angesichts der befristeten Geltung übergeleiteter Plandokumente, zulässig auf die Grundzüge dieser neuen Bestimmungen abgestellt, die leicht festgestellt werden können (Verfolgung bestimmter Ziele, Grundlagenforschung).

III.Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß Art140 Abs7 letzter Satz B-VG können die vor dem Inkrafttreten der Aufhebung des §1 WBO durch den Verfassungsgerichtshof (31. August 1996) erlassenen Flächenwidmungspläne mit dem Argument, sie seien auf Grund des als verfassungswidrig erkannten §1 WBO erlassen worden, nicht mehr angegriffen werden.

ArtII Abs2 der WBO-Novelle LGBl. Nr. 10/1996 erweist sich daher als Überleitungsbestimmung für die nach der Rechtslage vor der WBO-Novelle erlassenen Flächenwidmungs- und Bebauungspläne.

2. Gemäß der Übergangsbestimmung des ArtII Abs2 der Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 10/1996 sind als Determinanten für die Rechtsüberleitung unter der Geltung des §1 WBO in der Fassung vor der genannten Novelle erlassener Flächenwidmungs- und Bebauungspläne die Einhaltung der am 1. September 1996 geltenden gesetzlichen Bestimmungen (das sind die nach Aufhebung des §1 WBO neu erlassenen §§1 und 2 WBO) in den Grundzügen vorgegeben. Gegen diese inhaltlichen Determinanten bestehen aus folgenden Gründen unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips keine verfassungsrechtlichen Bedenken:

Der Verfassungsgerichtshof mißt der Voraussetzung der Einhaltung des Verfahrens gemäß §§1 und 2 WBO in den Grundzügen die Bedeutung bei, daß sowohl bei der Abwägung der Ziele als auch bei der Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen jener Mindeststandard eingehalten wurde, der im Hinblick auf das Legalitätsprinzip geboten ist, um einerseits eine ausreichende und nachvollziehbare Darstellung der gebotenen Abwägungen sicherzustellen und andererseits auszuschließen, daß das Verwaltungshandeln in einem rechtsfreien Raum ohne Überprüfungsmöglichkeit der Gesetzmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit stattfindet. Weder eine einseitige und selektive Abwägung ausgewählter Ziele noch eine Außerachtlassung der für die Festlegungen im Raumplan maßgeblichen Grundlagen könnte daher als Einhaltung des Verfahrens gemäß §§1 und 2 WBO in den Grundzügen angesehen werden.

Daß der Gesetzgeber der Übergangsregelung auf die Einhaltung der Regelungen der §§1 und 2 WBO idF der Novelle LGBl. Nr. 10/1996, im Detail deswegen nicht abstellen konnte, liegt auf der Hand, denn sie waren bei Erlassung der Raumpläne noch nicht bekannt.

Der Verfassungsgerichtshof hat also keine Bedenken gegen die inhaltlichen Vorgaben der Sanierung bestehender Raumordnungspläne durch ArtII der Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 10/1996; durch sie wird das Verhalten des Stadtsenates bei Erlassung der genannten Verordnung in ausreichender Weise vorherbestimmt.

3. Der Verfassungsgerichtshof hegt aber auch keine Bedenken dagegen, daß der Stadtsenat das Weitergelten bestimmter Flächenwidmungs- und Bebauungspläne anordnet und diese damit von der im ArtII Abs5 der Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 10/1996 angeordneten Aufhebung ausnimmt; ArtII der Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 10/1996 ermächtigt zwar den Stadtsenat nicht dazu, auf den Inhalt von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen Einfluß zu nehmen, wohl aber dazu, durch Verordnung festzustellen, daß bereits erlassene Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne oder flächenmäßige Teile dieser Pläne als Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne im Sinne dieses Gesetzes gelten. An die Tatsache der Unterlassung einer derartigen Feststellung durch den Stadtsenat knüpft der Gesetzgeber die Rechtsfolge des Außerkrafttretens des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes. Damit nimmt der Stadtsenat auf den zeitlichen Geltungsbereich der vom Gemeinderat erlassenen Flächenwidmungs- und Bebauungspläne den im Gesetz beschriebenen Einfluß und zwar entweder in Form der Feststellung des Weitergeltens dieser Pläne oder der Schaffung eines Tatbestandsmerkmals, das das Außerkrafttreten des Planes zur Folge hat und bewirkt insoweit ein Änderung dieser Verordnungen.

Gegen die durch ArtII der Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 10/1996 erteilte ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung an ein Gemeindeorgan - nämlich den Stadtsenat - zu einer vom Umfang und vom Inhalt her beschränkten Änderung einer Verordnung, die von einem anderen Gemeindeorgan - hier dem Gemeinderat - erlassen wurde, bestehen aber aus folgenden Gründen weder vor dem Hintergrund des Art108 B-VG noch des Art18 Abs2 B-VG Bedenken:

Gemäß Art108 B-VG hat zwar für die Bundeshauptstadt Wien als Land der Gemeinderat auch die Funktion des Landtages und der Stadtsenat auch die Funktion der Landesregierung. Aus dieser Bestimmung ist jedoch für die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, daß der Stadtsenat - der auch die Funktion der Landesregierung ausübt - eine vom Gemeinderat - der auch die Funktion des Landtages ausübt - erlassene Verordnung abändern darf, nichts zu gewinnen, denn die Funktionsbereiche, in denen die genannten Organe im Einzelfall tätig werden, sind streng zu trennen (VfSlg. 6146/1970).

Die Wiener Stadtverfassung enthält keine im Landesverfassungsrang stehende Vorschrift, daß die Erlassung von Verordnungen ausschließlich dem Gemeinderat vorbehalten ist. Im Bereich des Wiener Raumordnungsrechtes hat der einfache Gesetzgeber in §1 WBO dem Gemeinderat ausdrücklich die Zuständigkeit eingeräumt, Flächenwidmungs- und Bebauungspläne in Verordnungsform zu erlassen, und damit bezüglich der Erlassung von Raumplänen den Wirkungsbereich des Gemeinderates im Sinne des Art18 Abs2 B-VG bestimmt. Ebenso hat der einfache Gesetzgeber dem Stadtsenat die Befugnis eingeräumt, die vom Gemeinderat erlassenen Verordnungen in sehr eingeschränkter Weise, nämlich nur hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereiches abzuändern. Eine inhaltliche Abänderung von übergeleiteten Plänen ist weiterhin dem Gemeinderat vorbehalten.

Ebenso wie der einfache Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise bezüglich der Zuständigkeit zur Erlassung von Verordnungen Veränderungen mit der Konsequenz herbeiführen darf, daß das nach der neuen Rechtslage zuständige Organ zuständig ist, Verordnungen des früher zuständigen Organs aufzuheben oder abzuändern, begegnet es auch keinen Bedenken, wenn der Gesetzgeber einem Organ nur eine beschränkte - aber wie oben ausgeführt ausreichend determinierte - Abänderungsbefugnis einräumt, im übrigen aber die Abänderungs- und Aufhebungsbefugnis des erlassenden Organs unberührt läßt.

4. Mit Verordnung, Z MA 21C-VO 22B/96, des Stadtsenates über den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan 22. Bezirk, Teilbereich 2, wurde gemäß ArtII Abs1 des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 10/1996, festgestellt, daß u.a. das Plandokument 4196 in der Fassung der Plandokumente 4794 und 6762 (diese betreffen nicht die Grundstücke der Beschwerdeführer sondern eine Kleingartenanlage an der Breitenleer Straße) als Flächenwidmungs- und Bebauungsplan im Sinne der Bauordnung für Wien idF des ArtI des Gesetzes LGBl. Nr. 10/1996 gilt.

Der Verfassungsgerichtshof konnte auch auf Grund der vorgelegten Verordnungsakten keinen Anhaltspunkt dafür gewinnen, daß die Abwägung der Raumplanungsziele einseitig oder lückenhaft vorgenommen oder die Entscheidungsgrundlagen ungenügend erarbeitet wurden. In seinem Bericht vom 23. April 1964 an den Gemeinderat stellt der Magistrat der Stadt Wien fest:

"Noch vor der Eingemeindung in den 'Großraum Wien' hat die damals selbständige Gemeinde Eßling für ihr Gemeindegebiet einen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ausgearbeitet (Blg. 3).

Dieser Plan, der heute noch rechtskräftig ist, sieht für fast das gesamte Gemeindegebiet die Widmung 'Bauland' vor. Die Erschließung dieser überaus großen Fläche wurde in rein geometrischen Formen vorgenommen, so daß man mit Recht von der Schaffung eines typischen 'Rasterviertels' sprechen kann.

Leider wurden die damals sehr billigen Parzellen gleich unmittelbar nach Festlegung dieses Regulierungsplanes von Käufern einzeln erworben und so sind in zerstreuter Lage Siedlungsstreifenanlagen entstanden, für die eine städtebauliche Ordnung kaum mehr möglich ist.

Ein äußerst schlechtes Beispiel dieser Art stellt die sogenannte Siedlung Teufelsfeld dar, die von den zentralen Einrichtungen des Ortsgebietes Eßling rd. 5 km bzw. von jenen im Ortsgebiet Breitenlee rd. 2,5 km entfernt liegt.

Die dort vorhandenen Siedlungsstreifen stellen mit ihrer lockeren Bebauung wohl die ungünstigste Bebauungsform dar, die bei einer Bebauung von Flächen in Randlage zur Stadt gewählt werden konnte. Kilometerlange Aufschließungsstraßen sind zur Erschließung eines solchen Geländes erforderlich und belasten im Bezug auf Herstellung, Erhaltung und Säuberung die öffentliche Hand. Die Erschließung dieses Geländes mit öffentl. Versorgungssträngen ist technisch wie auch finanziell kaum mehr möglich. Besonders die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung stellt heute schon die Stadt Wien vor fast unlösbare Aufgaben. Das bestehende Wasserversorgungsnetz unserer Stadt in seiner heutigen Form und Kapazität kann nicht mehr so weit verlängert werden, daß eine Versorgung dieses Gemeindegebietes von Eßling möglich erscheint. Es treten daher in diesem Gebiet Verhältnisse auf, die durch eine weitere Bautätigkeit immer mehr verschlechtert werden. Der steigende Bedarf an Gebrauchwasser, der besonders durch den Einbau von Badezimmer und Waschküchen auftritt, wird zur Zeit auf jeder einzelnen Parzelle durch Brunnen und Hauswasserwerke gedeckt und wird zur Ableitung wieder durch sogenannte Sickergruben dem Untergrund zugeführt. Dadurch wurde in vielen Fällen bereits eine Verschmutzung der wasserführenden Bodenschichten herbeigeführt. Eine Bereinigung wäre nur durch den Bau eines Sammelkanales möglich, der von der Donau als Vorflut bis in das Gebiet von Eßling geführt werden müßte und mit seinen Baukosten von vielen Millionen Schilling kaum mit der vorhandenen Bebauung in wirtschaftlichen Einklang zu bringen wäre.

Es ist daher angezeigt, jene Flächen, welche noch unbebaut sind, aus dem Bauland auszuscheiden und ihrer heutigen Nutzung entsprechend in Grünland/Ländliches Gebiet umzuwidmen."

5. Die Beschwerden werfen dem Plandokument Nr. 4196 vor, die Verordnung sei deshalb gesetzwidrig, weil sie nur eine Beschränkung der Gebäudehöhe auf 7.50 m, nicht aber eine Beschränkung auf Kleinhäuser enthalte und somit gesetzwidrigerweise eine Reihenhausbebauung ermögliche.

Die Bedenken treffen nicht zu: Aus dem Plandokument 4196 ergibt sich, daß für die von der Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes erfaßten und weiterhin als Bauland gewidmeten Grundstücke im vorher geltenden Plan folgende Festlegungen getroffen waren:

Widmung: Bauland - Wohngebiet

Bebauungsweise: offen oder gekuppelt oder Gruppenbauweise

Bauklasse: I

Diese Festlegungen wurden durch das Plandokument 4196 insofern geändert, als die gemäß §75 Abs1 WBO in der Fassung vor der Bauordnungsnovelle 1956, LGBl. Nr. 28, für die Bauklasse I höchstzulässige Gebäudehöhe von 9 m unter Berufung auf ArtIV Abs1 der Bauordnungsnovelle 1956 auf 7.50 m herabgesetzt wurde. Eine Beschränkung auf Kleinwohnhäuser oder ein Verbot von Reihenhäusern sahen die vor der Änderung durch das Plandokument 4196 bestehenden Festlegungen nicht vor.

Der Verfassungsgerichtshof hat daher auch keine Bedenken gegen das Plandokument 4196.

6. Die Beschwerden waren daher abzuweisen. Die antragsgemäße Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof stützt sich auf Art144 Abs3 B-VG.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Legalitätsprinzip, Übergangsbestimmung, Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Rechtsüberleitung, Sanierung, Determinierungsgebot, Bundeshauptstadt Wien, Behördenzuständigkeit, Verordnungserlassung, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B1323.1997

Dokumentnummer

JFT_10008986_97B01323_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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