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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §1 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des Y Ö, geboren am 3. Jänner 1967, vertreten durch Dr. Markus Fink, Rechtsanwalt in 6870 Bezau, Brugg 36, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 28. Oktober 1997, Zl. 1-0428/97/K3, betreffend Übertretung des Fremdengesetzes 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 24. April 1997 wurde der Beschwerdeführer folgender Verwaltungsübertretung für schuldig befunden:
"Am 26.9.1996 gegen 01.30 Uhr fuhren Sie mit Ihrem Pkw mit dem Kennzeichen B-17 KEA über den Grenzübergang Sulzberg/Oberreuthe. In Ihrem Pkw führten Sie B.S., S.Y., B.N., B.N. und B.C. mit. Sie ermöglichten dadurch den mitgeführten Personen den rechtswidrigen Grenzübertritt in die BRD."
Über den Beschwerdeführer wurde wegen Übertretung des § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1992, BGBl. Nr. 838/1992 eine Geldstrafe von S 40.000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen verhängt. In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer unter Bezug auf ein von ihm zuvor vorgelegtes Urteil des (deutschen) Amtsgerichtes Kempten (Allgäu) vom 4. Februar 1997, nach dem er wegen des Einschleusens der im zitierten Straferkenntnis genannten Personen in das Bundesgebiet der Bundesrepublik Deutschland zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, geltend, das Straferkenntnis verstoße gegen das Verbot der Doppelbestrafung nach dem
7. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, als sie die verhängte Geldstrafe auf S 25.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 7 Tage herabsetzte. Im Schuldspruch bestätigte sie das Straferkenntnis und ersetzte in der Tatumschreibung die Worte "Personen" durch die Worte "Fremden vorsätzlich" (nachdem dem Beschwerdeführer die Schuldform des Vorsatzes schon zuvor innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG angelastet worden war). Die Abweisung der Berufung in der Schuldfrage begründete die belangte Behörde damit, dass sich "ein Verbot der doppelten Bestrafung in zwei verschiedenen Vertragsstaaten der EMRK" aus keiner Vorschrift der EMRK ableiten ließe. Zur Strafherabsetzung führte sie aus, durch das genannte Urteil des Amtsgerichtes Kempten träten spezialpräventive Überlegungen in den Hintergrund. Gleichzeitig wertete sie die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers (zum Zeitpunkt der Begehung der Tat) als mildernd.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 23. Februar 1998, B 2957/97-4, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die durch den Beschwerdeführer ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift erwogen:
Der Beschwerdeführer meint, durch die Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union habe Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolles zur EMRK insoferne eine Bedeutungserweiterung erfahren, als sich die dortige Formulierung "desselben Staates" auf alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union beziehe. Daher liege angesichts des genannten Urteils des Amtsgerichtes Kempten einerseits und seiner Bestrafung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg andererseits ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vor.
Mit dem im Akt befindlichen, bereits mehrfach angesprochenen Urteil des Amtsgerichtes Kempten (Allgäu) vom 4. Februar 1997 wurde der Beschwerdeführer wegen des am 26. September 1996 gegen 01.30 Uhr begangenen "Einschleusens eines Ausländers in fünf tateinheitlichen Fällen" (und zwar hinsichtlich der im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz namentlich genannten Personen) schuldig gesprochen. Die fünf Geschleusten seien nicht im Besitz eines Passes und der für die Einreise in das Bundesgebiet der Republik Deutschland erforderlichen Aufenthaltsgenehmigungen gewesen, was dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sei. Weil dieser dadurch näher genannten Bestimmungen des (deutschen) Ausländergesetzes zuwider gehandelt habe, wurde über ihn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Urteil des Amtsgerichtes Kempten liegt somit zu Grunde, dass der Beschwerdeführer deutsche Einreisebestimmungen missachtet hat, indem er die im zitierten Straferkenntnis genannten Personen rechtswidrig in das deutsche Bundesgebiet gebracht hat.
Demgegenüber wurde dem Beschwerdeführer mit der ihm im angefochtenen Bescheid angelasteten Übertretung des § 80 Abs. 1 und Abs. 2 FrG doch deutlich erkennbar vorgeworfen, er habe vorsätzlich die rechtswidrige Ausreise der fünf namentlich genannten Fremden aus dem österreichischen Bundesgebiet gefördert. Unter Ausreise ist gemäß § 1 Abs. 2 FrG das Verlassen des Bundesgebietes zu verstehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24. März 2000, Zl. 97/21/0748, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass der Begriff der Ausreise bzw. des Verlassens des Bundesgebietes im Sinn des § 80 Abs. 1 und Abs. 2 FrG nicht dahin "interpretiert" werden kann, dass er auch die an den Ausreisevorgang unmittelbar anschließende Einreisebewegung in den ausländischen Staat umfasse, da die Sanktionierung von Letzterem in der Ingerenz des jeweiligen (ausländischen) Staates verbleibe. Bei der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Förderung der rechtswidrigen Ausreise von Fremden aus dem österreichischen Bundesgebiet einerseits und dem dem Urteil des Amtsgerichtes Kempten (Allgäu) zugrundeliegenden Verstoß gegen deutsche Einreisebestimmungen andererseits handelt es sich somit nicht um dieselbe strafbare Handlung (vgl. zum Nebeneinander der Förderung der rechtswidrigen Ausreise aus Österreich und der rechtswidrigen Einreise von Fremden in die BRD auch das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 98/18/0357). Schon von daher kommt im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolles zur EMRK nicht in Betracht.
Weiter bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe es verabsäumt, § 66 StGB und die dort vorgesehene Anrechnung im Ausland erlittener Strafen im Verwaltungsstrafverfahren analog anzuwenden. Abgesehen davon, dass, worauf in der Gegenschrift zutreffend hingewiesen wird, § 66 StGB im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten nicht zur Anwendung gelangt, wird auch dabei übersehen, dass auch die letztgenannte Bestimmung Strafen für dieselbe Tat voraussetzt.
Da dem angefochtenen Bescheid nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 19. November 2002
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998210268.X00Im RIS seit
05.03.2003