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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1151 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des AI in D, geboren am 15. Oktober 1967, vertreten durch Dr. Felix Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 3. April 1998, Zl. Fr-4250a-30/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,86 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 8 iVm den §§ 37, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf sechs Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit dem 3. November 1989 in Österreich auf, wobei er nie im Besitz eines Sichtvermerks oder einer Aufenthaltsbewilligung gewesen sei. Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei abgewiesen worden. Am 5. Februar 1998 sei er von einem Organ des Arbeitsinspektorates für den 15. Aufsichtsbezirk bei einer Beschäftigung betreten worden, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen. So sei er im Club A in Dornbirn bei Koch- und Kellnerarbeiten angetroffen worden. Er habe selbst angegeben, einen Kaffee serviert zu haben. Weiters habe eine weitere im Club angetroffene Person angegeben, dass der Beschwerdeführer auch in der Küche kochen würde. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er in dem Vereinslokal ältere Vereinsmitglieder bedienen würde. Da er jedoch selbst Vereinsmitglied wäre, könnte dies nicht als Beschäftigung gewertet werden. Es wäre grundsätzlich so, dass sich die Mitglieder selbst bedienen würden bzw. jüngere Mitglieder ältere Vereinsmitglieder bedienten. Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde - bestreite somit diese Tätigkeiten nicht, sondern meine, auf Grund seiner Vereinsmitgliedschaft wären diese Tätigkeiten nicht als Beschäftigung zu bewerten. "Dem sind die Ausführungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes entgegen zu halten, die keine Ausnahmen für Beschäftigungen im Rahmen eines Vereines vorsehen."
Auf Grund der Betretungen durch das Arbeitsinspektorat lägen die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG vor. Die Annahme, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde, werde dadurch verstärkt, dass er sich nach seiner sichtvermerksfreien Einreise im November 1989 ohne aufenthaltsrechtliche Bewilligung im Bundesgebiet aufhalte.
Der Beschwerdeführer sei ledig und lebe derzeit allein. Er habe nicht vorgebracht, dass sich nähere Verwandte in Österreich aufhielten. Fremde, die bereit seien, ohne entsprechende Arbeitsbewilligung ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen, stellten eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ruhe und Ordnung sowie für das wirtschaftliche Wohl des Landes dar. Gemäß § 37 Abs. 1 FrG "wäre" somit die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig. Die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes überwögen im Hinblick auf den durch die Ausübung von Schwarzarbeit verursachten volkswirtschaftlichen Schaden und die Verzerrung der Angebotsseite des Arbeitsmarktes die privaten Interessen des Beschwerdeführers.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG in der hier anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 69/2002 gilt als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1, wenn ein Fremder von einem Organ der Arbeitsinspektorate, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen.
Gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG gilt als Beschäftigung u.a. die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis (lit. a) oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird (lit. b). Der Begriff des Arbeitsverhältnisses im Sinn dieser Bestimmung ist mit dem des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertragsrecht ident und erfordert die Verrichtung von Arbeitsleistungen gegen ein von der Arbeitszeit abhängiges Entgelt in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Beschäftigten von einem Arbeitgeber mittels Weisungsgebundenheit. Bei Gefälligkeitsdiensten ohne jede Rechtspflicht sind die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses und damit das Bewilligungserfordernis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht gegeben. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0197, mwN.)
Arbeitnehmerähnlich iSd § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG ist eine Rechtsbeziehung, wenn der Erbringer der Arbeitsleistung persönlich nicht weisungsgebunden, wirtschaftlich aber abhängig ist. Dabei liegen zwar die dienstvertraglichen Tatbestandsmerkmale nach § 1151 Abs. 1 ABGB vor, es fehlt aber die persönliche Abhängigkeit. Für die wirtschaftliche Abhängigkeit ist entscheidend, dass der Betreffende Gegenleistungen aus dem Rechtsverhältnis mit dem Empfänger der Arbeitsleistung erhält. Bedeutend ist der "organisatorische" Aspekt, der darin besteht, dass der "Arbeitnehmer" wegen der Art und Weise der Tätigkeit trotz fehlender persönlicher Abhängigkeit nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeitskraft anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen und daher unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie der persönlich abhängige Arbeitnehmer tätig wird (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 99/21/0197).
Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid u.a. behauptet, er sei Mitglied des Vereines A, stehe in keinem Beschäftigungsverhältnis zu diesem Verein und habe sich zum Zeitpunkt der Betretung lediglich zur Unterhaltung im Vereinslokal aufgehalten. Dabei komme es vor, dass vor allem ältere Vereinsmitglieder aus Gefälligkeit von jüngeren Vereinskollegen "bedient" würden. Ein freiwilliges und unentgeltliches Servieren von Getränken an Vereinsmitglieder könne nicht als widerrechtliche Beschäftigung ausgelegt werden.
Ihre mit einer rechtlichen Beurteilung verknüpfte Feststellung, der Beschwerdeführer habe eine Beschäftigung im Sinn des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgeübt, traf die belangte Behörde, ohne die gegenläufigen Behauptungen des Beschwerdeführers zu prüfen und in ihre Beweiswürdigung einzubeziehen. Dieser Verfahrensmangel ist wesentlich, weil bei Zutreffen der Behauptung, der Beschwerdeführer habe freiwillig und unentgeltlich Getränke an Vereinsmitglieder serviert, der Beschäftigungstatbestand des § 2 Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz in keiner Weise erfüllt wurde. Gleiches gilt für die nicht weiter konkretisierte Feststellung, der Beschwerdeführer habe gekocht.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 19. November 2002
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000210066.X00Im RIS seit
05.03.2003