TE Vfgh Beschluss 1999/10/14 B1242/99

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Veröffentlicht am 14.10.1999
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde gegen die Verkündung des negativen Ergebnisses einer (Rechtsanwalts-)Prüfung mangels Vorliegen eines Bescheides

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, er sei seit 1. August 1996 als Rechtsanwaltsanwärter in einer Rechtsanwaltskanzlei in Oberösterreich tätig. Am 26. Februar 1999 habe er sich für die für Mai/Juni 1999 anberaumte Rechtsanwaltsprüfung bei der Prüfungskommission für Rechtsanwaltsanwärter für Oberösterreich, eingerichtet beim Oberlandesgericht Linz, angemeldet. Nachdem er die drei schriftlichen Arbeiten aus Zivilrecht, Strafrecht und Verwaltungsrecht bestanden habe, sei er am 15. Juni 1999 zur mündlichen Prüfung angetreten. Nach Ablegung der mündlichen Prüfung habe der Vorsitzende der Prüfungskommission, der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz, das Nichtbestehen der Rechtsanwaltsprüfung verkündet und gleichzeitig bekanntgegeben, daß er nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten zu einer Wiederholung der Rechtsanwaltsprüfung antreten dürfe. Mit einem mit 16. Juni 1999 datierten und vom Präsident des Oberlandesgerichtes Linz unterzeichneten Schreiben sei ihm das Resultat und die Reprobationsfrist nochmals mitgeteilt worden.

2. Zur Zulässigkeit der Beschwerde, insbesondere zur Frage, ob die beschwerdegegenständliche Verkündung des Prüfungsergebnisses bzw. die schriftliche Mitteilung vom 15. Juni 1999 als Bescheid iS. des Art144 Abs1 B-VG zu werten ist, führt der Beschwerdeführer aus, daß die in ArtII Abs6 Z4 EGVG normierte Unanwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze auf die Durchführung von Prüfungen nicht - im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - zwingend dazu führe, Prüfungsentscheidungen nur als "Gutachten" zu qualifizieren; denn die gesetzliche Konstruktion, daß die Verwaltungsverfahrensgesetze auf Prüfungen selbst nicht anzuwenden seien, beantworte noch nicht die Frage, welchen rechtlichen Charakter die Verkündung des Prüfungsergebnisses selbst habe. Es sei zwar einzuräumen, daß die (Rechtsanwalts-)Prüfungen selbst den Charakter eines Gutachtens haben. Dies ändere aber nichts daran, daß die Prüfungsergebnisse Bescheidcharakter haben.

Auch der überwiegende Teil der Lehre trete dafür ein, Prüfungsergebnisse als Bescheide zu qualifizieren. (Der Beschwerdeführer zitiert Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 520f; Funk, Die Leistungsbeurteilung des Schülers aus rechtlicher Sicht, RdS 1980, 65ff (68); Mayer, Rechtsstaatliche Aspekte des Schulwesens, RdS 1979, 5ff; Strasser, Aktuelle Probleme des Hochschulrechts 1991 (1991), 66ff).

Neben den allgemeinen Erwägungen, die Teile der Lehre dazu bewege, Prüfungsergebnisse als Bescheide zu qualifizieren, würden im speziellen Fall des Prüfungsergebnisses einer Rechtsanwaltsprüfung folgende Erwägungen für die Qualifikation als Bescheid sprechen:

Die Möglichkeit, den Rechtsanwaltsberuf auszuüben, stelle eine zivilrechtliche Angelegenheit iS. des Art6 EMRK dar. Art13 EMRK sehe das Recht vor, bei Eingriffen in garantierte Menschenrechte eine wirksame Beschwerde vor einer innerstaatlichen Instanz vortragen zu dürfen. Die Qualifikation als Gutachten hätte die Unanfechtbarkeit zur Folge, was eine Verletzung des Art13 EMRK bedingen würde.

Außer der direkten Anfechtung würden dem Beschwerdeführer keine zumutbaren anderen Anfechtungsmöglichkeiten offenstehen.

Gegen die Konstruktion Gutachten spreche auch, daß sich üblicherweise der Gutachter persönlich vom Entscheidungsträger unterscheide. In Ausnahmefällen, etwa bei Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag, würden Fachleute in Entscheidungskommissionen berufen, um ihr Fachwissen in die Entscheidung einfließen zu lassen. In diesen Fällen sehe die Rechtsordnung jedoch eine Anfechtung dieser Entscheidungen vor. Auch im gegenständlichen Fall würden Gutachter und Entscheidungsträger zusammenfallen, "wogegen nur bei Einräumung einer Anfechtung kein Einwand zu erheben wäre".

Für den Bescheidcharakter spreche, daß er in seinen subjektiven öffentlichen Rechten berührt sei: Es werde ihm für die Dauer von sechs Monaten untersagt, zu einer weiteren Prüfung anzutreten; zudem werde ihm die Ablegung einer Wiederholungsprüfung aufgetragen, um die Zulassungsvoraussetzungen für die Eintragung in die Rechtsanwaltsliste zu erfüllen. Auch werde ihm gemäß §25 Abs3 Rechtsanwaltsprüfungsgesetz die Reprobationsfrist nicht in die erforderliche Ausbildungszeit als Rechtsanwaltsanwärter angerechnet. Es spreche gerade die Anordnung einer Reprobationsfrist für die Qualifikation als Bescheid. Sinnvollerweise könne aber nicht nur die Auferlegung der Frist gesondert als Bescheid gewertet werden, sondern auch die damit in untrennbarem Zusammenhang stehende negative Wertung des Prüfungserfolges.

3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den Verwaltungsakt (Prüfungsentscheidung) in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Ausübung der Verwaltung nur aufgrund der Gesetze, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf ein faires Verfahren verletzt. Er beantragt, der gegenständlichen Beschwerde kostenpflichtig stattzugeben und den bekämpften Verwaltungsakt (Prüfungsentscheidung) wegen Verletzung eben genannter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetze, nämlich der §§1 und 25 Abs3 Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, aufzuheben.

II.Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerde kann erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden, sofern ein solcher in Betracht kommt.

2. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein Verwaltungsakt dann ein Bescheid, wenn er gegenüber individuell bestimmten Personen eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, wenn er also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat (VfSlg. 8744/1980).

3. Die Beschwerde richtet sich gegen das negative Ergebnis einer (Rechtsanwalts-)Prüfung. Wie der Verfassungsgerichtshof schon in der Vergangenheit ausgesprochen hat (vgl. VfSlg. 11252/1987, 14789/1997), sind weder die mündliche noch die schriftliche Verkündung des Prüfungsergebnisses als Erlassung eines Bescheides, sondern als die Bekanntgabe eines Gutachtens anzusehen, an das in der Regel bestimmte - ex lege eintretende - Rechtsfolgen geknüpft sind (so bereits VwSlg. 7350 A/1968 und die dort angeführte Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Das bedeutet jedoch nicht, daß Prüfungen völlig der Rechtmäßigkeitskontrolle entzogen sind, wenn der Prüfungsvorgang und das Gutachten im wesentlichen nicht den von der Rechtsordnung dafür normierten Vorschriften entsprochen haben: Im konkreten Fall könnte der Beschwerdeführer vor Ablauf der Reprobationsfrist einen Antrag auf Wiederzulassung der (nicht bestandenen) Prüfung stellen, über den mit Bescheid abgesprochen werden müßte (vgl. auch VfSlg. 14789/1997; VwGH 18.12.1989, Zl. 89/12/0044, 19.4.1995, Zl. 93/12/0264).

Auch vermag die Argumentation der Beschwerde, die Behörde habe bereits über das (negative) Prüfungsergebnis von Rechtsanwaltsprüfungen aufgrund der aus Art6 iVm. Art13 EMRK erfließenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte einen Bescheid auszustellen, den Verfassungsgerichtshof nicht zu einer Änderung dieser Rechtsprechung zu veranlassen (vgl. dazu EGMR 26.6.1986, van Marle ua. gegen die Niederlande, EuGRZ 1988, 35 ff.).

4. Die Beschwerde ist daher wegen Fehlens der Prozeßvoraussetzungen zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis ist auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht einzugehen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Bescheidbegriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B1242.1999

Dokumentnummer

JFT_10008986_99B01242_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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