TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/19 2002/21/0096

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Veröffentlicht am 19.11.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §38;
FrG 1997 §107 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §41 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2004/21/0002 E 19. Oktober 2004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des KE in M (Deutschland), vertreten durch Dr. Alexander Widter, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Wagramer Straße 135, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 15. Mai 2002, Zl. Senat-MD-02-0053, betreffend Bestrafung nach dem Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe sich am 17. Jänner 2002 im Franziskanerkloster in 2344 Maria Enzersdorf, Hauptstraße 5, aufgehalten, obwohl gegen ihn ein gültiges, unbefristetes Aufenthaltsverbot der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 20. Mai 1964 bestehe und ihm die Wiedereinreise nicht bewilligt worden sei. Er sei daher einem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt und habe § 107 Abs. 1 Z 2 iVm § 41 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, übertreten. Über den Beschwerdeführer wurde deswegen eine Geldstrafe von EUR 50,60 sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

Nach der Begründung dieses Bescheides sei das gegen den Beschwerdeführer erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 20. Mai 1964 zunächst über Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 19. April 1979 aufgehoben worden. Weil der letztgenannte Bescheid jedoch auf einem vom Beschwerdeführer vorgelegten gefälschten Führungszeugnis beruht habe, sei das Verfahren über die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 19. Dezember 1979 wieder aufgenommen und der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abgewiesen worden. Da das unbefristete Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer somit weiterhin dem Rechtsbestand angehöre, und sich dieser zum genannten Tatzeitpunkt im Bundesgebiet aufgehalten habe, sei der objektive Tatbestand verwirklicht.

Daran ändere auch nichts, dass der Beschwerdeführer in einem weiteren Verfahren vor der belangten Behörde folgende Beweisstücke vorgelegt habe:

"1. Gendarmerieposten Frastanz, Ausdruck aus der Fremdeninformationsdatei des Bundesministeriums für Inneres vom 21.3.1998. Darin scheint das bereits erwähnte Aufenthaltsverbot auf, darunter ist, jeweils eingerückt, vermerkt:

'Anlaß: Übernahmsfall - Aktenlage prüfen' und 'Zusätze:

N870/80(N), N23418/95(B).' Herausgerückt, in der nächsten Zeile:

'Tritt außer Kraft: 23.01.2001'

2. Schreiben des Österreichischen Generalkonsulats in München vom 19.11.1999, das den Satz 'Gegen Sie wurde ein Aufenthaltsverbot für Österreich bis 23.01.2001 verhängt.' und die Feststellung enthält, dass der Beschuldigte nur mit einem Visum in Österreich einreisen dürfe.

3. Strafverfügung vom 22.2.2000 sowie Straferkenntnis vom 30.5.2000, jeweils der Bezirkshauptmannschaft Lienz, Zl. A-159/00, Geldstrafe S 3.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) wegen Aufenthalts im Bundesgebiet am 8.12.1999 und somit unerlaubter Wiedereinreise trotz des Aufenthaltsverbotes der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 23.01.1980, Zl. 11-E-24/61- 1979, 'gültig bis 23.01.2001'.

4. Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 16.10.2000, GZ uvs-2000/13/141-1, womit ein Verfahrenshilfeantrag des Beschuldigten abgewiesen wurde. In der Bescheidbegründung das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 30.5.2000 und damit auch die Passage 'gültig bis 23.01.2001' zitiert.

5. Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 14.11.2000, GZ uvs-2000/131141-3, womit die Berufung des Beschuldigten gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 30.5.2000, Zl. A-159/00, abgewiesen wurde. Auszug aus der Bescheidbegründung 'Für die Berufungsbehörde steht zweifelsfrei fest, dass über den Berufungswerber ein Aufenthaltsverbot vom 23.01.1980 bis zum 23.01.2001 verhängt wurde und dass er sich am 08.12.1999 ohne Wiedereinreisebewilligung im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten hat.'"

Kein einziges dieser Schriftstücke, so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter, beinhalte einen normativen Abspruch über eine Abänderung des gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbotes. Der Beschwerdeführer wäre daher vor seiner Einreise in das Bundesgebiet verpflichtet gewesen, sich "bei der zuständigen Behörde (Bezirkshauptmannschaft Mistelbach)" über das weitere Bestehen des Aufenthaltsverbotes und somit über die Rechtmäßigkeit seiner Einreise zu erkundigen, weshalb ihm auf der subjektiven Tatseite Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Der Beschwerdeführer habe, wie sein Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vom 23. März 1998 zeige, gewusst, wer für dessen Abänderung oder Aufhebung zuständig sei. Mit dem seinen Antrag nach § 44 FrG abweisenden Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. März 1999 sei dem Beschwerdeführer zudem das weiterhin gegen ihn bestehende Aufenthaltsverbot in Erinnerung gerufen worden. Hingegen könne er sich nicht auf den Vermerk "Tritt außer Kraft: 23.01.2001" im Ausdruck der Fremdeninformationsdatei des Bundesministeriums für Inneres berufen, weil sich dieser gar nicht auf das Aufenthaltsverbot des Beschwerdeführers beziehe. Gleiches gelte für das Schreiben des österreichischen Generalkonsulats im München, das hinsichtlich der zu einem anderen Zeitpunkt beabsichtigten Einreise des Beschwerdeführers ergangen sei.

Darüber hinaus begründete die belangte Behörde das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 21 VStG und die Höhe der verhängten Strafe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Durch die Beschwerde bleibt unbestritten, dass sich der Beschwerdeführer am 17. Jänner 2002 im Bundesgebiet aufhielt und dass gegen ihn mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 20. Mai 1964 (nach den Verwaltungsakten bestätigt durch den Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 4. August 1964) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war. Unstrittig ist weiter, dass dieses Aufenthaltsverbot über Antrag des Beschwerdeführers vom Februar 1977 zunächst mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 19. April 1979 aufgehoben, das letztgenannte Verfahren aber mit Bescheid derselben Behörde vom 19. Dezember 1979 wieder aufgenommen wurde. Mit diesem Bescheid wurde unter einem der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vom Februar 1977 zurückgewiesen und dieses Aufenthaltsverbot als aufrecht bleibend festgestellt. Die Beschwerde bringt nicht vor, dass dieses Aufenthaltsverbot in weiterer Folge (tatsächlich) aufgehoben worden wäre. Der belangten Behörde ist darin zuzustimmen, dass es jedenfalls durch die zitierten, im angefochtenen Bescheid (auszugsweise) wiedergegebenen Feststellungen über die Gültigkeitsdauer des gegen den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes in den (offenbar Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers nach dem FrG betreffenden) Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Lienz und des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol zu keiner Befristung des unbefristet erlassenen Aufenthaltsverbotes kam. Schon aus diesen - offenbar der Klärung der Vorfrage über das Bestehen eines aufrechten Aufenthaltsverbotes dienenden - Begründungsteilen der letztgenannten Bescheide ist nämlich ersichtlich, dass den Feststellungen, das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer sei (lediglich) bis zum 23. Jänner 2001 gültig, der normative Wille fehlte (vgl. dazu Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 7. Auflage, Rz 384). Nach dem Gesagten bestehen daher gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe den ihm angelasteten Tatbestand objektiv verwirklicht, keine Bedenken.

Der Beschwerdeführer bestreitet im Wesentlichen sein Verschulden. Er verweist in seiner Beschwerde auf die im angefochtenen Bescheid auszugsweise zitierten Schriftstücke, die - gleich lautend - von einer Gültigkeitsdauer des gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbotes "bis 23.01.2001" sprechen und vertritt den Standpunkt, dass für ihn auf dieser Grundlage kein vernünftiger Grund bestanden habe, sich bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft über das Bestehen des Aufenthaltsverbotes zu erkundigen.

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob sich der Vermerk über das Außerkrafttreten im Ausdruck der Fremdeninformationsdatei des Bundesministeriums für Inneres auf das Aufenthaltsverbot des Beschwerdeführers bezog und ob der Beschwerdeführer auf diese - bloß für den behördeninternen Gebrauch bestimmte - Datei vertrauen durfte. Es bedarf auch keiner weiteren Prüfung, in welchem Zusammenhang das erwähnte Schreiben des österreichischen Generalkonsulates in München vom 19. November 1999 erging. Gegenüber dem Beschwerdeführer wurde nämlich sowohl in zwei Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Lienz als auch in zwei Bescheiden des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol die Rechtsansicht vertreten, das gegen ihn verhängte Aufenthaltsverbot sei (nur) bis zum 23. Jänner 2001 gültig. Dass die Frage der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes im Rahmen von Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer als Vorfrage von den genannten - und daher insoweit zuständigen - Behörden zu klären war, wurde bereits erwähnt. Damit kann aber den Wissensäußerungen dieser Behörden über die mit 23. Jänner 2001 befristete Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes - auch wenn diesen Feststellungen nach dem Gesagten kein normativer Gehalt zukommt - nicht jegliche Wirkung abgesprochen werden. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass eine unrichtige Auskunft von einem Organ der zuständigen Behörde einen Schuldausschließungsgrund darstellen kann (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, E 195 ff zu § 5 VStG referierte hg. Judikatur). Sinngemäß muss das auch gelten, wenn die "Auskunft" im Rahmen der Vorfragenbeurteilung in der Begründung eines schriftlichen Bescheides erteilt wird.

Soweit die belangte Behörde dagegen meint, dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid der zuständigen Sicherheitsdirektion vom 12. März 1999 das Aufenthaltsverbot neuerlich in Erinnerung gerufen worden, so übersieht sie, dass sämtliche von einer Befristung des Aufenthaltsverbotes sprechenden Bescheide, auf die sich der Beschwerdeführer beruft, aktuelleren Datums sind.

Nicht nur, dass der Beschwerdeführer somit, wie er zutreffend betont, in zumindest - vier - Bescheiden auf den Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Aufenthaltsverbotes am 23. Jänner 2001, somit beinahe ein Jahr vor seinem nunmehr angelasteten Aufenthalt im Bundesgebiet, hingewiesen wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol als Berufungsbehörde in seinem Bescheid vom 14. November 2000 diese Befristung sogar als "zweifelsfrei" angesehen. Angesichts dieser, wenngleich nach der Aktenlage nicht zutreffenden, behördlichen Feststellungen mussten beim Beschwerdeführer entgegen der Auffassung der belangten Behörde keine Zweifel in Bezug auf einen unbefristeten Weiterbestand des gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbotes aufkommen. Es ist ihm daher - zumindest was seinen Aufenthalt in Österreich am 17. Jänner 2002 betrifft - nicht die schuldhafte Unkenntnis der Rechtslage vorzuwerfen.

Da die belangte Behörde das Verschulden des Beschwerdeführers unrichtig beurteilt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im zugesprochenen Pauschalbetrag der genannten Verordnung enthalten ist.

Wien, am 19. November 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002210096.X00

Im RIS seit

30.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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