Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des O in Linz, geboren 1975, vertreten durch Dr. Josef Kehrer, Rechtsanwalt in 4050 Traun, Mitterfeldstraße 7/1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Februar 2001, Zl. 216.876/0-III/07/00, betreffend §§ 7, 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 31. Jänner 2000 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 28. Februar 2000 gab er an, in Nigeria im November 1999 an einer Demonstration gegen eine Ölgesellschaft teilgenommen zu haben, weil diese Gesellschaft das vom Bürgermeister seines Heimatortes gemachte Versprechen, den Menschen Arbeit zu geben, nicht eingelöst habe. Diese Versammlung hätte von der Polizei aufgelöst werden sollen. Als Demonstranten die Polizisten angegriffen hätten, sei die Armee zu Hilfe gerufen worden. Im Zuge der folgenden Auseinandersetzungen mit dem Militär seien im Heimatort des Beschwerdeführers zehn Einwohner ums Leben gekommen. Sein Haus sei zerstört worden. Er selbst sei in ein Nachbardorf geflüchtet. Der Name des Beschwerdeführers sei auf einer vom Bürgermeister erstellten Liste der Demonstranten zu finden gewesen. Er fürchte daher, aufgrund dieser Umstände verhaftet zu werden.
Mit Bescheid vom 27. April 2000 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vom Bundesasylamt gemäß § 7 AsylG abgewiesen; gemäß § 8 AsylG wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. Das Bundesasylamt begründete seine Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer an einer nicht genehmigten gewalttätigen Demonstration teilgenommen habe. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers allein wegen seiner Teilnahme an der Demonstration könne nicht festgestellt werden; es sei wahrscheinlicher, dass "der staatliche Ordnungsfaktor deshalb eingeschritten" sei, "da die Demonstration nicht bewilligt war und es zu Ausschreitungen kam". Eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus einem der in der Genfer FlKonv genannten Gründe sei daher nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er den Feststellungen des Bundesasylamtes sowohl hinsichtlich des Fehlens eines asylrelevanten Fluchtgrundes als auch hinsichtlich der Voraussetzungen des Abschiebeschutzes im Einzelnen entgegentrat und unter anderem vorbrachte, es sei in Nigeria nicht üblich, Demonstrationen anzumelden. Obwohl die Demonstration friedlich verlaufen sei, sei vom Militär auf alle Demonstrationsteilnehmer ohne Anlass geschossen worden. Die Armee werde nicht ruhen, bis sie alle Demonstranten gefunden habe. Da der Beschwerdeführer der Behörde als Demonstrationsteilnehmer namentlich bekannt sei und auch verdächtigt werde, die Demonstration organisiert zu haben, sei er asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt..
Der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) beraumte über diese Berufung eine öffentliche mündliche Verhandlung für den 5. Februar 2001 an, zu der der Beschwerdeführer mit einem an ihn zu eigenen Handen zuzustellenden Rückscheinbrief geladen wurde. Laut dem Bericht des Zustellers auf dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein dieser Sendung sei deren Zustellung an der Adresse des Beschwerdeführers (einem Flüchtlingsheim) zunächst für den 12. Jänner 2001 angekündigt und die Sendung in der Folge am 12. Jänner 2001 hinterlegt worden. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde laut dem Bericht des Zustellers "an der Abgabestelle zurückgelassen". Der Beschwerdeführer erschien zur Verhandlung am 5. Februar 2001 nicht, sodass die belangte Behörde die Berufungsverhandlung in seiner Abwesenheit durchführte. Im Rahmen dieser Verhandlung hielt die belangte Behörde den - nicht anwesenden - Parteien unter anderem zwei Länderberichte über Nigeria vor.
Mit Bescheid vom 5. Februar 2001 (dem angefochtenen Bescheid) wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und gewährte dem Beschwerdeführer ebenso wie das Bundesasylamt gemäß § 8 leg. cit. keinen Abschiebeschutz.
Nach Zustellung dieses Bescheides beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsverhandlung und begründete diesen Antrag damit, dass ihm keine Ladung zur Verhandlung vom 5. Februar 2001 zugestellt worden sei. In dem Flüchtlingsheim, in dem er untergebracht sei, sei es nicht üblich, dass der Zusteller den bei eigenhändig zuzustellenden Sendungen vorgeschriebenen ersten Zustellversuch unternehme; vielmehr hinterlasse er ohne vorherigen Zustellversuch eine Hinterlegungsanzeige im Büro. Dort werde die Post in ein Postbuch eingetragen, wovon anschließend die untergebrachten Personen verständigt würden. Im Fall des Beschwerdeführers fände sich kein Eintrag im Postbuch; ihm sei die Ladung auch nicht persönlich zugestellt worden.
Mit der nunmehr gegen den Bescheid vom 5. Februar 2001 erhobenen, den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Beschwerde legte der Beschwerdeführer einen nach Erlassung des angefochtenen Bescheids ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. April 2001 vor, mit dem der erwähnte Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zurückgewiesen wurde. In der Begründung dieses Bescheids stellte die belangte Behörde auf Grundlage einer über den Wiedereinsetzungsantrag durchgeführten mündlichen Verhandlung fest, dass die Zustellung der Ladung zur Berufungsverhandlung nicht gesetzmäßig erfolgt sei, weil vom Zusteller bei dem mit 11. Jänner 2001 protokollierten "ersten Zustellversuch" - entgegen den Angaben auf dem Rückscheinbrief - nicht versucht worden sei, die Rsa-Sendung dem Empfänger persönlich auszuhändigen. Da der Beschwerdeführer zur Berufungsverhandlung nicht wirksam geladen worden sei, sei die gegen die Versäumung dieser Verhandlung beantragte Wiedereinsetzung nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, sodass der darauf gerichtete Antrag als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben (protokolliert zur Zl. 2001/01/0333), über die vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden wurde.
Über die hier verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den Bescheid vom 5. Februar 2001, mit dem über den Asylantrag des Beschwerdeführers entschieden wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerde macht als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften unter anderem geltend, dass der Beschwerdeführer von der am 5. Februar 2001 in seiner Abwesenheit durchgeführten Berufungsverhandlung keine Kenntnis gehabt habe, weil ihm die Ladung zu dieser Verhandlung aufgrund des im Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. April 2001 dargestellten gesetzwidrigen Zustellvorganges nicht zugestellt worden sei.
Daran, dass der Beschwerdeführer zu der am 5. Februar 2001 durchgeführten Berufungsverhandlung nicht in der gemäß § 21 ZustG vorgesehenen Weise geladen worden ist und ihm die Ladung zu dieser Verhandlung auch nicht tatsächlich zugekommen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der im Bescheid der belangten Behörde vom 2. April 2001 getroffenen, oben wiedergegebenen Feststellungen keinen Zweifel.
Das Unterbleiben einer wirksamen Ladung und die Durchführung der Berufungsverhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers begründen einen Verfahrensmangel. Da insbesondere mit Rücksicht auf das Berufungsvorbringen auch nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 21. November 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001200326.X00Im RIS seit
27.02.2003