TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/21 2000/20/0562

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Veröffentlicht am 21.11.2002
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des AHES (auch HA) in Stockerau, geboren am 2. Oktober 1965, vertreten durch Dr. Hans Jürgen Krehan, Rechtsanwalt in 2000 Stockerau, Am Neubau 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. September 2000, Zl. 209.504/0-IX/25/99, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, reiste am 31. August 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 3. September 1996 Asyl.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 7 AsylG ab. Sie stellte im Wesentlichen fest, der älteste Bruder des Beschwerdeführers sei 1982 wegen des Verdachtes der Mitgliedschaft bei der Al-Dawa Partei hingerichtet worden. Ein weiterer älterer Bruder des Beschwerdeführers sei im Anschluss an diese Hinrichtung von der Geheimpolizei vorgeladen und drei Monate lang angehalten worden. Danach sei er wegen eines Versuches, den Irak illegal zu verlassen, zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach seiner Entlassung aus der Haft sei er - vermutlich im Zuge des zweiten Golfkrieges - in die USA geflüchtet. Im Zusammenhang mit der Suche nach diesem Bruder des Beschwerdeführers sei der Beschwerdeführer selbst 1993 zur Sicherheitsdirektion in Bagdad vorgeladen und vier Monate lang angehalten worden. Danach sei er ohne Urteil oder sonstige Auflagen entlassen worden. Er habe sein Studium fortsetzen können und sei für die Zeit des Studiums auch vom Wehrdienst befreit gewesen. Nach Abschluss des Studiums im Sommersemester 1994 habe er sich bis zu seiner Ausreise im August 1996 mit einer gefälschten Bestätigung betreffend einen weiteren Aufschub des Militärdienstes in Bagdad aufgehalten. Er habe den Irak verlassen, um keinen Militärdienst ableisten zu müssen. Für das Nichterscheinen zum Militärdienst sei die Todesstrafe vorgesehen. Auch die unerlaubte Ausreise und die Asylantragstellung im Ausland seien mit näher beschriebenen Sanktionen bedroht.

Zur Beweiswürdigung führt die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sich zum Teil in Widersprüche verwickelt. In Anbetracht dessen, dass selbst unter Zugrundelegung seiner Angaben keine asylrelevante Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht worden sei, habe die Berufungsbehörde "von einer Beweiswürdigung insofern Abstand genommen, als auf die tatsächlich bestehenden Widersprüche nicht eingegangen wird, sondern das Vorbringen, das der Berufungswerber anlässlich der Berufungsverhandlungen erstattet hat, der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt wird".

In rechtlicher Hinsicht sei auf die Maßnahmen der irakischen Behörden gegenüber den Brüdern des Beschwerdeführers sowie auf die damit im Zusammenhang stehende zeitweilige Inhaftierung des Beschwerdeführers schon wegen der Länge der seither verstrichenen Zeit nicht mehr einzugehen. Der Beschwerdeführer habe danach sein Studium fortsetzen und erfolgreich abschließen können, weshalb als Fluchtgrund nur die "schlichte Wehrdienstverweigerung" in Betracht zu ziehen sei. Zu dieser verwies die belangte Behörde auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach u.a. "die Strenge und Art der angedrohten Strafe ... nicht maßgeblich" sei. Die Gefahr einer aus asylrelevanten Gründen im Vergleich zu anderen irakischen Staatsangehörigen strengeren Bestrafung sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Dies gelte auch für die behaupteten Nachfluchtgründe der wegen illegaler Ausreise und Asylantragstellung drohenden Sanktionen. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Bestrafung hiefür im Falle des Beschwerdeführers "über das gewöhnliche, für alle Bewohner des Iraks übliche Ausmaß hinausgehen" würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der angefochtene Bescheid ist zunächst insofern widersprüchlich begründet, als die belangte Behörde ausdrücklich - und nicht nur in der Form einer Wiedergabe des Vorbringens als solchen - Feststellungen zum Sachverhalt getroffen hat, die sich auf das Vorbringen des Beschwerdeführers gründen, wohingegen es in den Ausführungen zur Beweiswürdigung heißt, es sei von einer Beweiswürdigung in Bezug auf die vom Beschwerdeführer beschriebenen Geschehnisabläufe abgesehen und das Vorbringen der Entscheidung wegen seiner mangelnden Asylrelevanz (gemeint offenbar: nur hypothetisch) zu Grunde gelegt worden.

In der schon hier zu Grunde gelegten und in der rechtlichen Würdigung des Falles näher begründeten Annahme der belangten Behörde, die dem Beschwerdeführer wegen Wehrdienstverweigerung drohende Bestrafung könne bei Gleichbehandlung des Beschwerdeführers mit anderen Wehrdienstverweigerern nicht zur Asylgewährung führen, steht der angefochtene Bescheid aber jedenfalls in Widerspruch zu dem - gleichfalls den Irak betreffenden - hg. Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 99/20/0401, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird. Dies gilt - insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer in der Strenge der Sanktion allenfalls zum Ausdruck kommenden Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung - vor allem für die Ansicht der belangten Behörde, "Strenge und Art" der Strafe seien bei Gleichbehandlung von Wehrdienstverweigerern "nicht maßgeblich". Die belangte Behörde hat es in diesem Zusammenhang aber auch verabsäumt, in Anbetracht der familiären Vorgeschichte des Beschwerdeführers und seiner in diesem Zusammenhang schon einmal erfolgten Inhaftierung, die auch in weiterer Folge mit (vorerst folgenlosen) Verdächtigungen einer oppositionellen Gesinnung verbunden gewesen sein soll, die Möglichkeit einer diskriminierenden Bestrafung seiner Wehrdienstverweigerung in Betracht zu ziehen. Schließlich ist dem erwähnten Erkenntnis - insoweit anschließend an die schon im Erkenntnis vom 22. November 2001, Zl. 98/20/0221, zusammengefasste Vorjudikatur - auch entnehmbar, dass der Bestrafung wegen illegaler Ausreise und Asylantragstellung im Ausland unter den besonderen politischen Verhältnissen im Irak nicht von vornherein die Asylrelevanz abgesprochen werden kann (vgl. auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/20/0160, m.w.N.).

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 21. November 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000200562.X00

Im RIS seit

27.02.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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