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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde des JS in O, vertreten durch Dr. Dieter Beimrohr, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Rosengasse 8, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 16. Mai 2002, Zl. -11-FLG-94/4-2002, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft Nachbarschaft O, zu Handen des Obmannes G, O), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Agrarbezirksbehörde V vom 30. April 2001 als verspätet zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Agrarbezirksbehörde V (AB) wies mit Bescheid vom 30. April 2001 gemäß § 51 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. Nr. 64 (K-FLG 1979), in Verbindung mit § 7 Abs. 5 der geltenden Verwaltungssatzung der mitbeteiligten Partei die Minderheitenbeschwerde (unter anderem) des Beschwerdeführers vom 3. November 2000 gegen Top 3. der außerordentlichen Vollversammlung der mitbeteiligten Partei vom 22. Oktober 2000 als unbegründet ab.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 3. Mai 2001 zugestellt.
Mit Schriftsatz (Fax) vom 16. Mai 2001, eingelangt bei der AB am gleichen Tag, erklärte (unter anderem) der Beschwerdeführer, in offener Frist die Berufung gegen den Bescheid der AB vom 30. April 2001 zu erheben. Die ausführliche Begründung dieser Berufung werde in den nächsten Tagen nachgereicht.
In einem weiteren Schriftsatz vom 23. Mai 2001 brachte der Beschwerdeführer "bezugnehmend auf die Berufungseingabe vom 16. Mai 2001 gegen den Bescheid der AB vom 30. April 2001" dieser weitere Umstände des vorliegenden Verwaltungsverfahrens zur Kenntnis und ersuchte die AB, ihm umgehend mitzuteilen, ob aufgrund der von ihm erteilten Informationen das oben genannte Berufungsverfahren "vorübergehend eingestellt" werden solle bzw. welche Schritte die AB in dieser Angelegenheit zu unternehmen gedenke.
Daraufhin teilte die AB dem Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30. Mai 2001 mit, es bestehe keine Möglichkeit, das Berufungsverfahren "einzustellen"; der Beschwerdeführer werde aufgefordert, zu der Berufung gegen den Bescheid der AB vom 30. April 2001 eine Begründung nachzureichen.
Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2001 reichte der Beschwerdeführer "ergänzend zur Berufungseingabe vom 16. Mai 2001" die Begründung der Berufung unter entsprechender Antragstellung nach.
Nachdem auch die mitbeteiligte Partei eine Äußerung zur Berufung erstattet hatte, führte die belangte Behörde am 29. April 2002 eine mündliche Verhandlung durch.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen stellte die belangte Behörde fest, die Berufung sei in drei Etappen eingebracht worden. Der erste Schriftsatz vom 16. Mai 2001 enthalte lediglich den Hinweis, dass Berufung erhoben werde; dieser Schriftsatz sei innerhalb der in § 63 Abs. 5 AVG festgelegten Zweiwochenfrist an die Einbringungsbehörde übermittelt worden. Dieser Schriftsatz bezeichne zwar den Bescheid, gegen den Berufung erhoben werde, enthalte jedoch keinen begründeten Berufungsantrag, wie dies § 63 Abs. 3 AVG fordere. Es sei lediglich darauf hingewiesen worden, dass die ausführliche Begründung in den nächsten Tagen nachgereicht werde.
Der wesentliche Inhalt der Berufung, das seien die Berufungserklärung, die Berufungsbegründung und ein begründeter Berufungsantrag, sei daher dem obligatorischen Inhalt und der Form einer Berufung nach "nicht fristgerecht eingehalten" worden. Auch im zweiten Schriftsatz vom 23. Mai 2001 lasse sich eine Behebung dieser formellen Mängel noch nicht erkennen. Erst mit Schriftsatz vom 31. Mai 2001 sei ein begründeter Berufungsantrag ergangen. Da eine Berufung jedoch nur innerhalb der Berufungsfrist - nicht aber später - vervollständigt werden könne, sei die gegenständliche Berufung als mangelhaft anzusehen. Es handle sich jedoch dabei um keine Mangelhaftigkeit, die im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG durch einen Verbesserungsauftrag behoben werden könnte, weil die Berufung innerhalb der gesetzlichen Frist vollständig eingebracht werden müsse. Ein Nachtragen bestimmter Teile, zum Beispiel der Begründung, sei also nicht zulässig.
Da die in § 63 Abs. 5 AVG vorgesehene zweiwöchige Berufungsfrist nicht zum Zwecke der nachträglichen Begründung einer Berufung erstreckt werden könne, sei die vorliegende Berufung als nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechend anzusehen. Werde der begründete Berufungsantrag aber erst nach Ablauf der Berufungsfrist nachgebracht, so sei die Berufung als verspätet zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Die mitbeteiligte Partei hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Bis zur Novellierung des AVG durch BGBl. I Nr. 158/1998 stellte das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages einen nicht behebbaren, zur Zurückweisung einer Berufung führenden Mangel dar. Auf die damalige Rechtslage und auf die zu dieser Rechtslage ergangenen Rechtsprechung stützt sich der angefochtene Bescheid.
Durch die mit 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen Novellierung des AVG enthielt § 13 Abs. 3 eine neue Fassung mit folgendem Wortlaut:
"§ 13. (3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."
Nach dieser Neufassung ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen somit die Behörde nicht zur sofortigen Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen. Im Gegensatz zu der bis zur Neufassung geltenden Rechtslage stellt § 13 Abs. 3 AVG nicht mehr auf Formgebrechen ab, sondern ganz allgemein auf "Mängel". Damit sind auch solche Mängel, die bisher zur Zurückweisung zu führen hatten, wie etwa das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages, einer Verbesserung zuzuführen. Fehlt ein begründeter Berufungsantrag, ist die Berufung nach § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung zurückzustellen (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. August 2000, Zl. 99/05/0041, und vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/10/0154, mwN). Im Falle der fristgerechten Entsprechung eines solchen Mängelbehebungsauftrages gilt die Berufung als ursprünglich richtig (dh. rechtzeitig und vollständig ausgeführt) eingebracht.
Der Beschwerdeführer erhob innerhalb der Berufungsfrist eine auch so bezeichnete, unbegründete Berufung gegen den Bescheid der AB. Die Behörde erster Instanz wäre daher verpflichtet gewesen, gemäß § 13 Abs. 3 AVG (in der dargestellten novellierten Fassung) mit einem Mängelbehebungsauftrag vorzugehen. Im Falle der fristgerechten Entsprechung eines solchen Mängelbehebungsauftrages wäre eine als rechtzeitig eingebracht zu bewertende Berufung vorgelegen.
Die Aufforderung der AB vom 30. Mai 2001 an den Beschwerdeführer, er möge zu seiner Berufung eine Begründung nachreichen, stellt allerdings keinen solchen Mängelbehebungsauftrag dar. Mit einem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 zweiter Satz AVG ist nämlich gleichzeitig eine (angemessene) Verbesserungsfrist zu setzen, eine stillschweigende Fristsetzung ist dem Verfahrensrecht fremd (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom 22. März 2001, Zl. 2000/07/0261).
Vor dem erfolglosen Verstreichen der Frist eines diesen Voraussetzungen entsprechenden Mängelbehebungsauftrages durfte die Behörde aber nicht vom Vorliegen einer unzulässigen Berufung ausgehen und diese zurückweisen.
Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer mit Stellungnahme vom 31. Mai 2001 die fehlende Begründung für seinen Berufungsantrag nachholte, somit aus eigenem (wenn auch durch das Schreiben der AB vom 30. Mai 2001 veranlasst) die Mängel der Berufung behob. Spätestens ab diesem Zeitpunkt lag der belangten Behörde (insgesamt) eine mängelfreie Berufung vor, sodass sich ein Mängelbehebungsauftrag erübrigte. Über diese mit Schriftsatz vom 31. Mai 2001 verbesserte, rechtzeitig eingebrachte Berufung hätte aber eine Sachentscheidung zu ergehen gehabt.
Dadurch, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die Berufung zurückgewiesen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 21. November 2002
Schlagworte
Allgemein Pflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages Frist Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Verbesserungsauftrag Bejahung BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002070088.X00Im RIS seit
05.03.2003