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20/05 Wohnrecht Mietrecht;Norm
AVG §69 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der K in C, Frankreich, vertreten durch Dr. Erwin Bajc und Dr. Peter Zach, Rechtsanwälte in 8600 Bruck a.d. Mur, Mittergasse 28, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 15. März 2000, Zl. A 21/II-K8-150/1999, betreffend Entscheidung gemäß § 39 Abs. 3 MRG (mitbeteiligte Parteien: 1. L in G, und 2. S in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 11. Jänner 2000 wurde auf Antrag der Mitbeteiligten der zulässige Mietzins für die Zeit vom 1. März 1996 bis 31. Juli 1998 festgestellt und die Beschwerdeführerin gemäß § 37 Abs. 4 MRG zu einer Rückerstattung eines Betrages in der Höhe von S 52.889,04 samt 4 % Zinsen ab 1. März 1996 verpflichtet.
Zwei mit internationalem Rückschein (samt Vermerk "einschreiben") der Beschwerdeführerin übermittelte Schriftsätze an die im Verwaltungsverfahren und auch im vorliegenden Verfahren angegebene Adresse der Beschwerdeführerin mit dem Antrag des Verfahrens zur Stellungnahme gelangten jeweils mit dem Vermerk "non reclame" an die belangte Behörde zurück. In der Folge gaben die Mitbeteiligten im Verwaltungsverfahren bekannt, dass eine näher bezeichnete Wohnbaugenossenschaft die Hausverwaltung über das Haus innehabe. Es wurde darauf diese Genossenschaft zur Stellungnahme zu dem Antrag aufgefordert. Eine solche erfolgte nicht. Der angeführte Bescheid wurde u.a. dieser Wohnbaugenossenschaft zugestellt.
Nach den Ausführungen in der Beschwerde sei der angeführte Bescheid der Beschwerdeführerin, "die ihre Kontakte zu Österreich nicht vollständig abgebrochen" habe, "sondern oftmals Post und auch eingeschriebene Postsendungen in Frankreich zugestellt" erhalten habe, am 25. Jänner 2000 zugekommen. Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2000 (eingelangt beim Magistrat der Landeshauptstadt Graz am 8. Februar 2000) beantragte die Beschwerdeführerin die Zustellung des Bescheides vom 11. Jänner 2000, in eventu die Wiederaufnahme des mit Entscheidung vom 11. Jänner 2000 abgeschlossenen Verfahrens bzw. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellungnahme. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde damit begründet, dass die Beschwerdeführerin völlig unverschuldet die Frist zur Stellungnahme versäumt habe, da fälschlich davon ausgegangen worden sei, sie sei vertreten. Sie habe auf diese Art und Weise keine Möglichkeit gehabt, das ihr zustehende rechtliche Gehör zu nutzen. Sie verwies auf die in diesem angebotenen Bescheinigungs- und Beweismittel. Die Beschwerdeführerin legte in diesem Schreiben auch dar, aus welchen Beträgen sich der monatliche Betrag für die Miete von S 3.500,-- zusammengesetzt habe und dass eine Wohnung der Kategorie D nicht vorgelegen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen.
Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass weder die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens noch für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorlägen. Gegen den Bescheid vom 11. Jänner 2000 sei zwar kein Rechtsmittel im Sinne des AVG zulässig, jedoch könne die Partei, die sich mit dem Bescheid nicht zufrieden gebe, gemäß § 40 Abs. 1 MRG innerhalb von vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides die Entscheidung des für Zivilrechtssachen zuständigen Bezirksgerichtes, das sei in diesem Fall das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz, begehren. Hinsichtlich der Wahrung des rechtlichen Gehörs gegenüber der Beschwerdeführerin werde ausgeführt, dass mit Schreiben vom 26. April 1999 und 14. September 1999 jeweils die aktuellen Antragsbegehren der Vertretung der Mitbeteiligten zuzustellen versucht worden seien, um der Beschwerdeführerin gemäß § 37 AVG in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit zu geben, an der Ermittlung des für das Verfahren maßgebenden Sachverhaltes mitzuwirken und ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen. Es sei von der belangten Behörde anhand des Schlichtungsaktes sorgfältig überprüft worden, ob den Zustellversuchen allenfalls eine falsche Anschrift der Beschwerdeführerin zu Grunde gelegt worden sei. Es sei die einwandfreie Richtigkeit der Anschrift und deren Übereinstimmung mit der von den Vertretern der Beschwerdeführerin als Anschrift angegebenen Adresse festgestellt worden. Dies sei auch von den Vertretern der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23. Februar 2000 mitgeteilt worden. Es sei somit erwiesen, dass die Briefe von der Behörde nicht an die falsche Adresse gesandt worden seien. Ob die vorerwähnten Briefe bzw. deren Benachrichtigungen vom Zustellversuch verloren gegangen seien, entziehe sich der Kenntnis der belangten Behörde und liege ein solches Risiko nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes eindeutig beim Empfänger dieser Sendungen. Beide Schreiben seien von der französischen Post mit dem mehrfachen Stempelvermerk "non reclame" retourniert worden. Es sei der Beschwerdeführerin somit ordnungsgemäß nachweisbar in geeigneter Weise und in ausreichendem Umfang die Möglichkeit zur Wahrung des rechtlichen Gehörs aus den angeführten Gründen gegeben worden und daher kein Wiederaufnahmegrund gegeben. Dies gelte auch für den Wiedereinsetzungsantrag.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 37 Abs. 1 Z. 8 Mietrechtsgesetz (MRG), BGBl. Nr. 520/1981 i.d.F. BGBl. Nr. 800/1993, entscheidet u.a. über den Antrag auf Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses (§§ 12a, 16, 43, 44, 46, 46a, 46c) das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Miethaus gelegen ist.
Gemäß § 37 Abs. 4 MRG in der Stammfassung ist, wenn sich in einem Verfahren nach Abs. 1 ein Anspruch des antragstellenden Mieters auf Rückforderung oder Ersatz ergibt, sein Gegner auch zur Zahlung des hienach zustehenden Betrages samt Zinsen binnen 14 Tagen bei Exekution zu verhalten.
Gemäß § 39 Abs. 1 MRG in der Stammfassung kann, wenn eine Gemeinde über einen in Mietangelegenheiten fachlich geschulten Beamten oder Angestellten verfügt und die Anzahl der dort nach § 37 Abs. 1 anfallenden Verfahren die Betrauung der Gemeinde zum Zwecke der Entlastung des Gerichtes rechtfertigt, ein Verfahren nach § 37 Abs. 1 bei Gericht hinsichtlich der in der Gemeinde gelegenen Mietgegenstände nur eingeleitet werden, wenn die Sache vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist.
Gemäß § 39 Abs. 3 MRG i.d.F. BGBl. I Nr. 19/1999 hat die Gemeinde nach Vornahme der erforderlichen Ermittlungen, wenn der Versuch einer gütlichen Beilegung des Streites erfolglos geblieben ist, über den Antrag nach § 37 Abs. 1 zu entscheiden. Auf das Verfahren sind § 37 Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3 Z. 1 bis 14, 19 und 20a sowie Abs. 4 sinngemäß anzuwenden, im Übrigen auch die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991.
Gemäß § 39 Abs. 4 MRG i.d.F. BGBl. I Nr. 19/1999 kann die Entscheidung der Gemeinde durch kein Rechtsmittel angefochten werden. Sie bildet, wenn die Frist zur Anrufung des Gerichts nach § 40 Abs. 1 abgelaufen ist, einen Exekutionstitel im Sinne des § 1 der Exekutionsordnung.
Gemäß § 40 Abs. 1 MRG i.d.F. BGBl. I Nr. 19/1999 kann die Partei, die sich mit der Entscheidung der Gemeinde über einen Antrag nach § 37 Abs. 1 nicht zufrieden gibt, die Sache innerhalb von vier Wochen ab Zustellung der Entscheidung bei Gericht anhängig machen. Durch die Anrufung des Gerichtes tritt die Entscheidung der Gemeinde außer Kraft. Sie tritt jedoch wieder in Kraft, wenn der Antrag auf Entscheidung des Gerichtes zurückgezogen wird. Die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Anrufung der Frist obliegt dem Gericht, der Wiedereinsetzungsantrag ist unmittelbar bei Gericht einzubringen.
Zunächst ist festzustellen, dass gemäß der hg. Judikatur (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 17.Dezember 1998, Zl. 98/06/0160) die Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ungeachtet der Regelung der sukzessiven Zuständigkeit der Gerichte in § 40 Abs. 1 MRG in Bezug auf selbstständige verfahrensrechtliche Entscheidungen der Schlichtungsstelle, wie beispielsweise eine Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zulässig ist. Der angefochtene Bescheid, mit dem ein Antrag auf Wiederaufnahme und ein Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen wurden, stellt eine solche selbstständige verfahrensrechtliche Entscheidung gemäß § 37 Abs. 1 MRG dar.
Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
"2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die
im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten".
Eine Voraussetzung für einen zulässigen Wiederaufnahmeantrag ist, dass gegen den Bescheid ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zulässig ist. Dies gilt nicht nur für die sogenannten ordentlichen Rechtsmittel, sondern auch in den Fällen der sogenannten sukzessiven Zuständigkeit, wenn ein Bescheid durch die Anrufung eines Gerichtes außer Kraft gesetzt werden kann (vgl. Walter - Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 1466 Anm. 5), wenn die als Wiederaufnahmegründe in Betracht kommenden Umstände im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden können. Im vorliegenden Fall bestand für die Beschwerdeführerin ab dem Zeitpunkt der Zustellung des angeführten Bescheides die Möglichkeit der Anrufung des Gerichtes gemäß § 40 Abs. 1 MRG mit der Folge der Außerkraftsetzung dieses Bescheides. Bei dieser Anrufung des Gerichtes können die in den verfahrensgegenständlichen Anträgen gegen die Entscheidung vorgetragenen Einwände geltend gemacht werden. Auf Grund der Aktenlage ergibt sich, dass der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 11. Jänner 2000 am 14. Februar 2000 den Rechtsvertretern der Beschwerdeführerin zugestellt wurde. Aber selbst wenn dieser Bescheid der Beschwerdeführerin noch nicht zugestellt worden wäre, wäre dem Antrag auf Wiederaufnahme schon deshalb keine Folge zu geben gewesen, weil noch gar keine rechtskräftige Entscheidung vorgelegen wäre. Der Wiederaufnahmeantrag erwies sich daher als nicht zulässig, der Umstand, dass der Wiederaufnahmeantrag abgewiesen und nicht zurückgewiesen wurde, verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
"1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein
unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft".
Zur verfahrensgegenständlichen Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages wird in der Beschwerde geltend gemacht, dass auf Grund der Nichtverständigung der Beschwerdeführerin während des Ermittlungsverfahrens die Beschwerdeführerin durch dieses unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis in ihrer Sphäre gehindert worden sei, ihre Parteienrechte im erstbehördlichen Ermittlungsverfahren wahrzunehmen. Von der Erstbehörde sei selbst zugestanden worden, dass die mit eingeschriebener Post an die Beschwerdeführerin übermittelten Aufforderungen zur Stellungnahme nicht behoben worden seien. Der Nachweis für das unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis infolge offenbarer Nichtverständigung der Beschwerdeführerin sei somit erbracht und sei sogar von der belangten Behörde anerkannt worden.
Im Gegensatz zu dem gerade wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde wurde der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin damit begründet, sie hätte die Frist zur Stellungnahme unverschuldet versäumt, da die Behörde im Verfahren fälschlich davon ausgegangen sei, sie sei von einer Wohnbaugenossenschaft vertreten. Gemäß der hg. Judikatur (vgl. u. a. das Erkenntnis vom 18. Dezember 1989, Zl. 89/10/0159) bleibt die Partei an den im Antrag vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund gebunden. Eine spätere Auswechslung dieses Grundes ist unzulässig. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist immer nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist. Fehlte es schon nach diesen Behauptungen an einer Fristversäumnis, wurde über den Wiedereinsetzungsantrag im Ergebnis zutreffend negativ entschieden (vgl. die in Walter - Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 1546, zu E. 6 angeführten hg. Erkenntnisse). Maßgeblich ist im vorliegenden Zusammenhang, dass die Beschwerdeführerin im Antrag nicht behauptet hat, die verfahrensgegenständlichen zwei an sie gerichteten Schriftsätze, jeweils mit der Aufforderung zur Stellungnahme binnen zwei Wochen, seien ihr wirksam zugestellt worden. Nur in diesem Falle aber käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist zur Stellungnahme überhaupt in Betracht. Die Beschwerdeführerin hätte zweifellos auch nach Ablauf der in den erwähnten Schreiben (vom April bzw. September 1999) gesetzten Fristen bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 11. Jänner 2000 zu den verfahrensgegenständlichen Anträgen Stellung nehmen können.
Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag wurde daher zu Recht abgewiesen.
Wenn die Beschwerdeführerin weiters geltend macht, dass es bei Einhaltung der "gebotenen" Verfahrensvorschriften zu keiner Entscheidung ohne Beachtung ihres inhaltlichen Standpunktes zu der Angelegenheit hätte kommen können, bezieht sich diese Rüge auf den Bescheid der belangten Behörde über die Feststellung des angemessenen Mietzinses und nicht auf den angefochtenen Bescheid.
Auf dieses Vorbringen war daher nicht näher einzugehen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als
unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die
§§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 21. November 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000060061.X00Im RIS seit
18.02.2003Zuletzt aktualisiert am
12.05.2015