TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/21 2000/20/0032

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Veröffentlicht am 21.11.2002
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ABGB §1002;
AsylG 1997 §33;
AsylG 1997 §44 Abs1;
AsylG 1997 §7;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des BO in Wien, geboren 1981, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Mai 1998, Zl. 200.203/0-II/04/98, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein damals dreizehnjähriger Staatsangehöriger der Türkei, gelangte am 22. März 1995 ohne Begleitung seines gesetzlichen Vertreters in das Bundesgebiet. Am 29. März 1995 ging beim Bundesasylamt ein mit 28. März 1995 datierter Schriftsatz des Rechtsanwaltes Dr. Herbert P. ein, worin dieser sich darauf berief, vom Vater des Beschwerdeführers zu dessen Vertretung bevollmächtigt zu sein, und namens des Beschwerdeführers Asyl beantragte. In dem Antrag wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer sei kurdischer Nationalität und sein Heimatdorf werde vom türkischen Militär belagert. Die beiden Brüder des Beschwerdeführers seien bereits in Österreich, während seine Eltern auf Grund ihres Alters nicht mehr in der Lage seien, das Dorf zu verlassen.

Das Bundesasylamt ging davon aus, dass der Jugendwohlfahrtsträger gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers sei, und vernahm den Beschwerdeführer am 26. April 1995 im Beisein eines Vertreters des Jugendwohlfahrtsträgers. Bei dieser Einvernahme, der als Vertrauensperson des Beschwerdeführers auch einer seiner in Österreich aufhältigen erwachsenen Brüder beiwohnte, wurde u. a. festgehalten, dass der Beschwerdeführer bei seinen Brüdern in Wien wohnhaft sei. Der Beschwerdeführer gab an, dass ihn sein Vater Ende Jänner 1995 nach Istanbul gebracht und dort einem Schlepper übergeben habe. Dieser habe ihn zu seinen Brüdern in Wien gebracht. Bei der Einvernahme zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, er habe in seinem Heimatdorf nur bis 1992 eine Schule besuchen können. Danach sei die Schule geschlossen worden. Im Dorf seien ständig Soldaten präsent. Sie kämen bei Tag in Uniform und nachts in Zivil. Einmal hätten sie den Beschwerdeführer mit Freunden beim Fußballspiel angetroffen und in kaltes Wasser gesteckt. Das sei im letzten Winter gewesen. Der Beschwerdeführer und seine Freunde seien von den Soldaten zu einem Fluss geführt worden und hätten dort im kalten Wasser stehen müssen. In der Nacht seien die Soldaten mehrmals zum Wohnhaus des Beschwerdeführers gekommen, um nach Waffen zu suchen. Der Vater des Beschwerdeführers sei wiederholt festgenommen worden, habe sich mehrere Monate lang in Haft befunden und sei von einem Gericht zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Verfahren sei nach dem Wissen des Beschwerdeführers noch nicht abgeschlossen und sein Vater daher noch in Freiheit. Er habe die Flucht des Beschwerdeführers organisiert, um diesen in Sicherheit zu bringen und damit er in Österreich eine Schule besuche. Im Heimatdorf des Beschwerdeführers seien fünf Bewohner von Soldaten getötet worden. Bei näherer Befragung hiezu brach der Beschwerdeführer in Tränen aus, woraufhin die Einvernahme abgebrochen werden musste.

Mit Bescheid vom 28. April 1995, erlassen zu Handen des Jugendwohlfahrtsträgers, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers zurück. Es führte aus, dass der Beschwerdeführer den Antrag durch seinen von Rechtsanwalt Dr. Herbert P. vertretenen Vater gestellt habe, der sich aber im Heimatland des Beschwerdeführers befinde. Gesetzlicher Vertreter des Beschwerdeführers sei daher gemäß § 13 Abs. 2 des Asylgesetzes 1991 der Jugendwohlfahrtsträger. Da der Beschwerdeführer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und daher auch nicht selbst in der Lage sei, einen Asylantrag zu stellen, sei der Antrag zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Jugendwohlfahrtsträger namens des Beschwerdeführers eine Berufung, in der er geltend machte, er habe den Antrag anlässlich der Einvernahme des Beschwerdeführers am 26. April 1995 ausdrücklich genehmigt.

Dieser Berufung gab der Bundesminister für Inneres als damals zuständige Berufungsbehörde mit Bescheid vom 16. Oktober 1995 statt. Er ging davon aus, dass die Asylantragstellung durch den Vater des Beschwerdeführers, vertreten durch Dr. Herbert P., wirksam gewesen sei und der Vater erst "mit der Asylantragstellung ... seine gesetzliche Vertretungsmacht für das Asylverfahren verloren" habe.

Inzwischen hatte Dr. Herbert P. namens des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 27. September 1995 den verfahrensgegenständlichen (in den vorgelegten Akten aber fehlenden) Devolutionsantrag gestellt. Diesen Antrag wies der Bundesminister für Inneres mit einem zweiten Bescheid vom 16. Oktober 1995 "mangels Vertretungsbefugnis" des Vaters des Beschwerdeführers zurück. Er führte aus, dass Dr. Herbert P. den gepflogenen Ermittlungen zufolge vom Jugendwohlfahrtsträger nicht mit der Vertretung des minderjährigen Beschwerdeführers betraut worden sei. Die gesetzliche Vertretungsmacht des Vaters des Beschwerdeführers für diesen habe mit der Asylantragstellung derjenigen des Jugendwohlfahrtsträgers "weichen" müssen.

Auf Grund der Aufhebung des Zurückweisungsbescheides vom 28. April 1995 durch den Bundesminister für Inneres unterzog das Bundesasylamt den Beschwerdeführer - im Beisein eines seiner Brüder und eines Vertreters des Jugendwohlfahrtsträgers - am 11. Dezember 1995 einer ergänzenden Befragung. Der Beschwerdeführer gab an, sein Vater sei inzwischen untergetaucht, wozu sein Bruder ergänzend mitteilte, der Vater des Beschwerdeführers sei "jetzt verurteilt worden". Der Beschwerdeführer schilderte neuerlich den Vorfall, bei dem ihn die Soldaten gezwungen hätten, in einem Fluss im Wasser zu stehen. Das Wasser habe ihm bis über die Knie gereicht und er habe zwei oder drei Stunden lang so stehen müssen. Dabei sei er von einem Soldaten mit einem Gewehrkolben auf den Rücken geschlagen worden, was aber keine Verletzung zur Folge gehabt habe. Der Vorfall habe sich etwa drei Monate vor der Ausreise ereignet. Es habe noch einen weiteren Vorfall gegeben, bei dem er und Freunde von Soldaten gezwungen worden seien, sich auf einer Weide auf den Boden zu legen, und von den Soldaten mit Stöcken geschlagen worden seien. Man habe ihnen vorgeworfen, sie hätten auf PKK-Kämpfer gewartet. Der Beschwerdeführer sei auch bei einer Hausdurchsuchung, die sich auf den unberechtigten Verdacht der Unterstützung der PKK gegründet habe, von einem Soldaten geschlagen worden.

Mit Bescheid vom 9. Jänner 1996, erlassen zu Handen des Jugendwohlfahrtsträgers, wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. Es stellte fest, der Beschwerdeführer sei zusammen mit seinen Freunden "zwei Mal von Soldaten geschlagen worden", ohne die vom Beschwerdeführer beschriebenen Einzelheiten dieser Vorgänge einer für ihn nachteiligen Beweiswürdigung zu unterziehen, und begründete die Abweisung des Asylantrages u.a. damit, dass "die zweimaligen tätlichen Angriffe durch Soldaten ... nicht als für die Asylgewährung genügend intensive Eingriffe bezeichnet werden" könnten. Gegen diesen Bescheid erhob der Jugendwohlfahrtsträger kein Rechtsmittel.

Mit Erkenntnis vom 6. November 1997, Zl. 96/20/0664, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Oktober 1995, mit dem der von Dr. Herbert P. eingebrachte Devolutionsantrag zurückgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, die vom Bundesminister für Inneres vertretene Ansicht, der Vater des Beschwerdeführers sei nur zur Antragstellung für diesen berechtigt, von der weiteren gesetzlichen Vertretung im Asylverfahren aber ausgeschlossen gewesen, habe keine Grundlage im Gesetz und komme auch in den Gesetzesmaterialien, auf die sich der Bundesminister für Inneres berufen hatte, nicht zum Ausdruck. Durch die Verneinung der Vertretungsbefugnis des Vaters des Beschwerdeführers habe der Bundesminister für Inneres dem Beschwerdeführer in Verkennung der Rechtslage die meritorische Behandlung des Devolutionsantrages verweigert.

Anlass dazu, an der Bevollmächtigung des auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren für den Beschwerdeführer einschreitenden Rechtsanwaltes Dr. Herbert P. durch den Vater des Beschwerdeführers zu zweifeln, sah der Verwaltungsgerichtshof - wie schon zuvor das Bundesasylamt und der Bundesminister für Inneres - nicht.

Die mit 1. Jänner 1998 gemäß §§ 33 und 44 Abs. 1 AsylG zur Erledigung des Devolutionsantrages zuständig gewordene belangte Behörde forderte Dr. Herbert P. mit Note vom 26. Jänner 1998 auf, binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens seine behauptete Bevollmächtigung durch den Vater des Beschwerdeführers erstens zum gegenwärtigen Zeitpunkt, zweitens für den Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages und drittens für den Zeitpunkt der Asylantragstellung auf ihm geeignet erscheinende Weise nachzuweisen. Es werde "im Besonderen" darauf hingewiesen, dass der Vater des Beschwerdeführers nach dessen Aussage vom 11. Dezember 1995 "in der Zwischenzeit ... untergetaucht" sei. In diesem Zusammenhang möge daher "auch" angegeben werden, wann und auf welche Weise Dr. Herbert P. "das letzte Mal" unmittelbaren Kontakt mit seinem "behaupteten Vollmachtgeber" gehabt habe.

Dr. Herbert P. richtete am 9. Februar 1998 ein Schreiben an die Rechtsanwaltskammer Wien, worin er dieser die Note der belangten Behörde vom 26. Jänner 1998 zur Kenntnis brachte und sich über die "Verantwortungslosigkeit des Gesetzgebers", der keine ausreichende Ausbildung der Mitglieder der belangten Behörde vorgesehen habe, besorgt zeigte. Eine Kopie dieses Schreibens übermittelte er - schon nach Ablauf der ihm im Schreiben vom 26. Jänner 1998 gesetzten Frist - der belangten Behörde "mit der Bitte um Kenntnisnahme".

Mit Faxschreiben vom 20. April 1998 kam Dr. Herbert P. der Aufforderung vom 26. Jänner 1998 schließlich dahingehend nach, dass er die Faxkopie einer undatierten Vollmacht des Vaters des Beschwerdeführers übermittelte und behauptete, diese sei ihm "vor Asylantragstellung vom 28.3.1995 übermittelt worden".

Mit Schreiben vom 24. April 1998, zugestellt am 27. April 1998, forderte die belangte Behörde Dr. Herbert P. auf, seine Stellungnahme binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens "in tauglicher Weise zu ergänzen". Zur Begründung verwies die belangte Behörde nun "insbesondere" auf die "Niederschriften des Bundesasylamtes vom 26.4.1995", wonach es zweifelhaft erscheine, dass der Vater des Beschwerdeführers Dr. Herbert P. schon vor dem 28. März 1995 bevollmächtigt habe.

Mit dem angefochtenen, an den Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters Dr. Herbert P. gerichteten und diesem am 26. Mai 1998 zugestellten Bescheid vom 25. Mai 1998 wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag "im Grunde der §§ 10 Abs. 2, 68 Abs. 1 AVG iVm § 1002 ABGB als unzulässig zurück". Sie ging davon aus, dass der Vater des Beschwerdeführers mit der am 20. April 1998 in Faxkopie übermittelten Vollmacht das Einschreiten von Dr. Herbert P. zwar nachträglich genehmigt habe, zumal der vorgedruckte Text der unterfertigten Vollmachtsurkunde eine auf die Genehmigung bereits abgegebener Erklärungen und Handlungen abzielende Formulierung enthalte, ein Vollmachtsverhältnis bis über die Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 9. Jänner 1996 hinaus aber nicht bestanden habe. Durch die nachträgliche Genehmigung werde die Rechtskraft des zu Handen des Jugendwohlfahrtsträgers erlassenen Bescheides des Bundesasylamtes nicht berührt, was der mit dem Devolutionsantrag angestrebten Entscheidung der belangten Behörde über den Asylantrag entgegen stehe.

Eine von Dr. Herbert P. am 25. Mai 1998 und somit am letzten Tag der mit dem Schreiben der belangten Behörde vom 24. April 1998, ausgehend von dessen Zustellung am 27. April 1998, eingeräumten Frist zur Post gegebene Stellungnahme, die am 26. Mai 1998 bei der belangten Behörde einlangte, fand keine Berücksichtigung mehr. In dieser Stellungnahme, die überwiegend verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der damaligen Gesetzeslage gewidmet war, wurde einleitend behauptet, die Vollmachtsurkunde sei Dr. Herbert P. (zu einem nicht genannten Zeitpunkt) im Wege eines der Brüder des Beschwerdeführers zugekommen.

Gegen den Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde vom 25. Mai 1998 richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene und für das Verfahren vor diesem ergänzte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass es auch bei einem Rechtsanwalt erforderlich sein kann, sich vom Wahrheitsgehalt seiner Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht (§ 10 Abs. 1 letzter Satz AVG) zu überzeugen (vgl. zu einem derartigen Fall etwa das hg. Erkenntnis vom 19. November 1996, Zlen. 95/08/0062, 0063).

Im vorliegenden Fall war der Vater des Beschwerdeführers - nach dem Sachverhalt, der dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 1997 zu Grunde lag - in Verkennung der Rechtslage durch die Behörden des Verwaltungsverfahrens von der gesetzlichen Vertretung des Beschwerdeführers ausgeschlossen worden, ohne dass am Bestand der von ihm erteilten Vollmacht für Dr. Herbert P. je gezweifelt worden war. Das Ergebnis dieses Vorgehens war ein unbekämpft gebliebener Bescheid, dem u.a. die Rechtsansicht zu Grunde lag, es liege kein für eine Asylgewährung "genügend intensiver Eingriff" vor, wenn das türkische Militär kurdische Kinder im Winter in einem Fluss stehen lasse und mit Gewehrkolben schlage. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem erwähnten Erkenntnis vom 6. November 1997 wäre dieser Bescheid nicht wirksam erlassen und das Asylverfahren mit dem von Dr. Herbert P. vertretenen Vater des Beschwerdeführers als dessen gesetzlichem Vertreter fortzusetzen gewesen.

Statt aus dem verwaltungsgerichtlichen Erkenntnis diese Konsequenz zu ziehen, hat die belangte Behörde ihre Entscheidung auf die Rechtsansicht gegründet, das vom Verwaltungsgerichtshof - ausgehend von einer vom Vater des Beschwerdeführers erteilten Vollmacht - als rechtswidrig qualifizierte Verhalten des Bundesasylamtes und des Bundesministers für Inneres sei im Ergebnis doch richtig gewesen, weil der Vater des Beschwerdeführers das Einschreiten von Dr. Herbert P. erst im Nachhinein genehmigt habe. Die Zweifel an einer rechtzeitigen Bevollmächtigung des Einschreiters, von denen die belangte Behörde dabei ausging, konnten sich unter den vorliegenden Umständen - unter denen u.a. auch keine Kostenersatzpflicht für den Fall eines erfolglosen Einschreitens zu befürchten war - jedenfalls nicht darauf gründen, dass das Einschreiten - sei es mit dem Asylantrag oder dem Devolutionsantrag - nicht zum Vorteil des Minderjährigen sei und die Interessenlage eine Bevollmächtigung daher unwahrscheinlich mache. Warum das spätere "Untertauchen" des Vaters des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Prüfung der Vollmachtsfrage unter dem stattdessen relevierten Gesichtspunkt einer fehlenden Gelegenheit zur Bevollmächtigung von Bedeutung sein und Dr. Herbert P. darüber Auskunft geben sollte, wann er mit seinem Vollmachtsgeber "das letzte Mal" in Kontakt gestanden sei, ist juristisch nicht nachvollziehbar. Eine Begründung dafür war in der Note vom 26. Jänner 1998, mit der die belangte Behörde ihre Untersuchung der sie interessierenden Vollmachtsfrage in die Wege leitete, nicht enthalten. Die später in den Vordergrund gestellten Bedenken hinsichtlich ausreichender Gelegenheit, vor Einbringung des Asylantrages für eine Bevollmächtigung des einschreitenden Rechtsanwaltes durch den Vater des Beschwerdeführers zu sorgen, mit denen die belangte Behörde der ausdrücklichen - wenngleich nicht näher konkretisierten - Behauptung, die Vollmachtsurkunde sei vor Einbringung des Asylantrages übermittelt worden, entgegen trat, sind mit Rücksicht auf den von Anfang an aktenkundigen Umstand, dass der Beschwerdeführer in Wien zwei erwachsene Brüder hatte, die jederzeit den Kontakt zwischen ihrem Vater und einem hier tätigen Rechtsanwalt hergestellt haben konnten, gleichfalls nicht ausreichend fundiert. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher - wie schon der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien bei der Einstellung des Verfahrens über die von der belangten Behörde am 25. Mai 1998 wegen Berufung auf eine in Wahrheit nicht erteilte Volmacht gegen Dr. Herbert P. erstattete Disziplinaranzeige - davon aus, dass bei der dargestellten Sachlage kein Grund bestand, am Wahrheitsgehalt der im Schreiben vom 20. April 1998 abgegebenen Erklärung, Dr. Herbert P. habe schon vor Einbringung des Asylantrages über die Vollmachtsurkunde verfügt, zu zweifeln. Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift noch meint, dem Rechtsvertreter sei es bei dessen Verhalten nicht in erster Linie um die optimale Vertretung "seines Mandanten", sondern um die "Ausreizung jener Grenzen" gegangen, innerhalb deren eine bloße Berufung auf die erteilte Vollmacht zu genügen habe, so mag es zutreffen, dass insbesondere das Verstreichenlassen der mit der Note vom 26. Jänner 1998 gesetzten Frist diesen Eindruck hervorrufen konnte. In Bezug auf die Beurteilung der Frage, ob die Vollmacht tatsächlich bestand, spricht die Einbeziehung dieser Deutungsmöglichkeit aber nicht für, sondern gegen die Überlegungen der belangten Behörde.

Da der Verwaltungsgerichtshof schon aus diesen Gründen der Ansicht der belangten Behörde, das Verfahren über den Asylantrag vom 28. März 1995 sei wegen eines Vollmachtsmangels im Verhältnis zwischen Dr. Herbert P. und dem Vater des Beschwerdeführers durch die Bescheiderlassung zu Handen des Jugendwohlfahrtsträgers rechtskräftig beendet worden, nicht zu folgen vermag, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Auf die Frage der von der belangten Behörde bestrittenen Rechtzeitigkeit der am letzten Tag der Frist zur Post gegebenen Stellungnahme vom 25. Mai 1998 braucht bei diesem Ergebnis nicht mehr eingegangen zu werden.

Von der beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand zu nehmen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 21. November 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000200032.X00

Im RIS seit

18.02.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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