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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des P, geboren 1978, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. September 2002, Zl. SD 733/02, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. September 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 6. Dezember 2000 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und habe am 11. Dezember 2000 einen Asylantrag gestellt, welcher am 12. Februar 2001 in erster Instanz abgewiesen worden sei. Eine dagegen eingebrachte Berufung sei noch anhängig. Seit 30. Jänner 2001 verfüge der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.
Am 26. Februar 2002 sei der Beschwerdeführer wegen des teils vollendeten und teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster Fall Suchtmittelgesetz (SMG) und § 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt worden.
Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in den Zeiträumen von Anfang bis Ende Jänner 2002, von Anfang bis Mitte Juli 2001 sowie von August 2001 bis 31. Jänner 2002 eine derzeit nicht genau feststellbare Menge in der Größenordnung von zumindest 55 Gramm Heroin und Kokain in zahlreichen Teilmengen an drei namentlich genannte sowie an weitere unbekannt gebliebene Abnehmer verkauft habe. Dabei habe er in der Absicht gehandelt, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Hinzu komme, dass er zumindest eine Kugel Heroin im April 2001 an seine - so das Gerichtsurteil - Lebensgefährtin S. verschenkt habe. Weiters habe der Beschwerdeführer am 31. Jänner 2002 eine mit Kokain gefüllte Kugel zum unmittelbar bevorstehenden Weiterverkauf an einen unbekannten Abnehmer bereitgehalten.
Auf Grund dieser Verurteilung sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Das zu Grunde liegende Fehlverhalten rechtfertige im Hinblick auf die Suchtgiftdelikten innewohnende Wiederholungsgefahr die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Sein Vater sei verstorben; seine Mutter lebe in Nigeria. Bei der niederschriftlichen Befragung am 14. Februar 2002 habe er angegeben, keine familiären Bindungen in Österreich zu haben. In der Berufung habe er hingegen erstmals angegeben, zu einer im Bundesgebiet aufhältigen Cousine eine enge Verbindung zu haben. Erstmals habe er dabei auch vorgebracht, seine Freundin S., eine österreichische Staatsangehörige, nach seiner Haftentlassung ehelichen zu wollen.
Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei das Aufenthaltsverbot ungeachtet der privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer auch wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung verurteilt worden sei, was eine positive Verhaltensprognose nicht zulasse. Das zuletzt am 31. Jänner 2002 gesetzte Fehlverhalten liege noch nicht so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes eine (wesentliche) Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr angenommen werden könne, zumal bei Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr besonders groß sei und der Beschwerdeführer noch bis zum 30. April 2003 seine Gerichtshaft zu verbüßen habe.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf den seit Anfang Dezember 2000 gegebenen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen. Die daraus ableitbare Integration werde in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die Straftaten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt. Die Bindung zur Cousine werde durch den Umstand relativiert, dass der Beschwerdeführer bereits erwachsen sei. Den Kontakt zu seiner (angeblichen) Freundin könne der Beschwerdeführer dadurch aufrecht erhalten, dass er von dieser (nach der Verbüßung der Strafhaft) ins Ausland begleitet oder dort zumindest besucht werde. Den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.
Im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden. Im Übrigen würde eine Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme im Rahmen des Ermessens nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes erfolgen, weil der Beschwerdeführer wegen eines Verbrechens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden sei.
Im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die damit verbundene Wiederholungsgefahr könne derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgebliche Grund, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, weggefallen sein werde. Das Aufenthaltsverbot sei daher unbefristet erlassen worden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten kann die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
1.2. Der Beschwerdeführer hat in mehreren, über mehr als ein Jahr verteilten Zeiträumen eine Suchtgiftmenge von zumindest 55 Gramm Heroin und Kokain in zahlreichen Teilmengen verteilt an andere Personen weitergegeben. Aus der Verurteilung auch wegen § 28 Abs. 2 SMG ergibt sich, dass die vom Beschwerdeführer weitergegebene Suchtgiftmenge geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl. § 28 Abs. 6 SMG). Der Beschwerdeführer ging dabei gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), vor.
Die gewerbsmäßige Weitergabe einer großen Suchtgiftmenge in zahlreichen Teilmengen über einen längeren Zeitraum dokumentiert vorliegend die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnende große Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. 2001/18/0096). Vom Beschwerdeführer geht daher ungeachtet der Umstände, dass er nur einmal verurteilt worden ist und sich nach seinem Vorbringen im gerichtlichen Strafverfahren geständig verantwortet hat, eine große Gefährdung öffentlicher Interessen aus. Mit seiner Rüge, es sei ihm keine Gelegenheit geboten worden, die geständige Verantwortung vorzubringen, macht der Beschwerdeführer daher keinen relevanten Verfahrensmangel geltend.
Entgegen der Beschwerde steht die in Art. 6 Abs. 2 EMRK normierte "Unschuldsvermutung" der Erstellung einer negativen Prognose für das künftige Verhalten eines rechtskräftig Verurteilten nicht entgegen.
Der seit der Begehung der letzten Straftat verstrichene Zeitraum von nur etwa sieben Monaten ist viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine ins Gewicht fallende Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können, zumal sich der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Zustellung an die Beschwerdevertreterin am 3. September 2002) unstrittig noch in Haft befand.
Die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet aus den dargestellten Gründen keinen Bedenken.
2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den seit 30. Jänner 2001 nach dem Asylgesetz 1997 vorläufig berechtigten inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 6. Dezember 2000 sowie den inländischen Aufenthalt einer Cousine und der österreichischen Freundin des Beschwerdeführers berücksichtigt.
In der Beschwerde wird dazu Folgendes ausgeführt:
"Es leben weiters sämtliche Freunde u Bekannte des Bf aufgrund dessen mehr als zweijährigen Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet u ist dem Bf Österreich bereits in dieser kurzen Zeit z seiner neuen Heimat geworden."
Dieses Vorbringen ist nicht nur in keiner Weise konkretisiert, sondern auf Grund des Umstandes, dass der bei seiner Einreise schon fast 22 Jahre alte Beschwerdeführer sich erst seit eindreiviertel Jahren im Inland aufhält, wovon er mehrere Monate in Haft verbracht hat, nicht nachvollziehbar. Es ist daher - selbst wenn es sich dabei nicht um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) handeln sollte - nicht geeignet, eine Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet darzutun.
Der belangten Behörde ist beizupflichten, dass die aus der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch die Straftaten des Beschwerdeführers erheblich gemindert wird.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet, denen insgesamt kein großes Gewicht zukommt, steht die Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Straftaten des Beschwerdeführers gegenüber. Auf Grund der großen Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken.
Die Einschränkung des Kontakts des Beschwerdeführers zu seiner Freundin und seiner Cousine auf Besuche dieser Personen im Ausland (falls sie ihm nicht dorthin folgen) muss im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden.
3. Zu Recht hat die belangte Behörde ausgeführt, dass eine auf der Ausübung des gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen würde, weil der Beschwerdeführer in einer dem § 35 Abs. 3 leg. cit. entsprechenden Weise rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2001/18/0096).
4. Schließlich wendet sich die Beschwerde auch gegen die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbots.
Nach der hg. Rechtsprechung ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. April 2002, Zlen. 2001/18/0255, 0256).
Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des vom Beschwerdeführer hinsichtlich einer großen Menge gewerbsmäßig begangenen Suchtgiftdelikts im Hinblick auf die der Suchtgiftkriminalität innewohnende große Wiederholungsgefahr, die vorliegend - ungeachtet der nur einmaligen Verurteilung und der geständigen Verantwortung im Strafverfahren - sehr augenfällig geworden ist (vgl. oben 1.2.), die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalles des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der von ihm ausgehenden Gefährdung von maßgeblichen öffentlichen Interessen, nicht vorhergesehen werden könne, und deshalb das Aufenthaltsverbot unbefristet erließ.
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 26. November 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002180225.X00Im RIS seit
05.03.2003