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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S, (geb. 1971), vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Richard Soyer und Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Februar 1999, Zl. SD 327/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 12. Februar 1999 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.
Gegen den Beschwerdeführer sei bereits am 18. Februar 1993 von der Fremdenpolizeibehörde ein Aufenthaltsverbot erlassen worden. Grund dafür sei gewesen, dass der Beschwerdeführer am 5. September 1991 in Wien unter Vorlage eines hier ausgestellten pakistanischen Reisepasses einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes gestellt und behauptet hätte, mit einem Einreisesichtvermerk der österreichischen Botschaft in Istanbul eingereist zu sein und seinen Reisepass verloren zu haben. Laut Auskunft des österreichischen Generalkonsulates in Istanbul sei aber dem Beschwerdeführer kein Sichtvermerk erteilt worden. Mit diesem Sachverhalt konfrontiert, habe der Beschwerdeführer dann angegeben, den Sichtvermerk von einem Mittelsmann in Istanbul gegen Bezahlung von "300 US-Dollar" erhalten zu haben. Schließlich habe er erklärt, am 4. Dezember 1990 in Traiskirchen einen Asylantrag gestellt zu haben. Wie sich dann herausgestellt habe, habe der Beschwerdeführer in dem Asylverfahren angegeben, am 1. Dezember 1990 illegal zu Fuß über die grüne Grenze nach Österreich gelangt zu sein. Sein Asylantrag sei am 6. März 1991 rechtskräftig abgewiesen worden. Nach zweimaliger Bestrafung wegen illegalen Aufenthalts sei das genannte, wegen der unrichtigen Angaben und der Bestrafungen auf § 18 Abs. 2 Z. 2 und 6 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, gestützte und bis 18. Februar 1998 befristete Aufenthaltsverbot erlassen worden. Ungeachtet dessen sei der Beschwerdeführer weiterhin im Bundesgebiet verblieben und am 5. Mai 1993 in Linz wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes festgenommen und in weiterer Folge in seine Heimat abgeschoben worden.
Am 20. November 1997 - noch während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes - habe der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt neuerlich einen Asylantrag gestellt und sich mit einem von der Bezirkshauptmannschaft Oberwart am 7. Oktober 1992 ausgestellten österreichischen Führerschein ausgewiesen. Dazu habe er anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 6. Dezember 1997 angegeben, er wäre von 1990 bis April 1993 in Österreich gewesen und nach einem negativ entschiedenen Asylverfahren freiwillig (!) nach Pakistan zurückgekehrt und hätte sich für diese Rückreise von der pakistanischen Botschaft in Wien ein für drei Monate gültiges Heimreisezertifikat besorgt. Einen eigenen pakistanischen Reisepass hätte er nie besessen und auch nie beantragt. Im September 1997 hätte er sich entschlossen, wieder nach Österreich zu fahren. Dafür hätte er sich einen gefälschten britischen Reisepass besorgt und wäre dann am 14. November 1997 vom Flughafen Karachi mit der "Türkisch Air" nach Istanbul und von dort nach Wien geflogen, wo er in Wien-Schwechat eingetroffen wäre. Den gefälschten Reisepass hätte er vernichtet und weggeworfen.
Am 20. April 1998 hätten dann aber Beamte des Bezirkspolizeikommissariates Meidling im Zuge einer Kontrolle den Reisepass des Beschwerdeführers vorgefunden und festgestellt, dass der Beschwerdeführer ohnedies einen gültigen Reisepass habe, in dem sich auch ein pakistanischer Ausreisestempel vom 19. September 1997 befunden habe, und dass darin ein Schweizer Touristensichtvermerk für die Zeit vom 7. bis zum 15. November 1997 "(mit dem Ziel zurück)" und ein für dieselbe Zeit von der österreichischen Botschaft in Budapest ausgestelltes Visum eingetragen gewesen sei. Damit konfrontiert habe der Beschwerdeführer am 22. April 1998 zugegeben, dass er im September 1997 nach Ungarn gekommen wäre, eine bis 19. September 1998 gültige Aufenthaltsbewilligung für Ungarn besitzen würde, und dass der Zweck seiner Einreise, die am 7. November 1997 per Zug erfolgt wäre, gewesen wäre, "in Österreich zu leben". In dem Visumsantrag vom 30. Oktober 1997 habe er dagegen angegeben, dass er in Budapest studieren würde, sein Hauptreiseziel "Zürich" wäre und der Zweck des Aufenthalts in Österreich "Transit" wäre, dass er also nur habe durchreisen wollen.
Auf Grund des zuvor geschilderten Sachverhaltes habe der Beschwerdeführer vor der Asylbehörde am 4. Dezember 1997 jedenfalls unrichtige Angaben gemacht, um sich eine (zunächst vorläufige und sodann dauernde) Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz zu verschaffen, indem er dort behauptet habe, illegal über den Flughafen Wien-Schwechat in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Darüber hinaus habe er aber auch in seinem Visumsantrag bei der österreichischen Botschaft in Budapest unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts in Österreich gemacht, um sich solcherart ein Visum und damit die Einreise nach Österreich zu verschaffen, indem er angegeben habe, nur durch Österreich durchreisen zu wollen. Es sei sohin ohne Zweifel der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt. Das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung in hohem Maß, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - (auch) im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.
Der Beschwerdeführer sei seit etwa eineinhalb Jahren auf Grund eines infolge der unrichtigen Angaben erlangten Touristensichtvermerks im Bundesgebiet aufhältig. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen. Er sei ledig und für niemanden sorgepflichtig. Es sei daher nicht von einem Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Abgesehen davon wäre ein Eingriff jedenfalls zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten wäre. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Durch das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers werde dieses öffentliche Interesse massiv beeinträchtigt. Es würde dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen grob zuwiderlaufen, wenn ein Fremder auf diese Weise seinen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wäre daher zum Schutz der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen als dringend geboten zu erachten. Auch im Rahmen einer gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung wäre maßgebend, dass sich der Beschwerdeführer auf Grund seines kurzen Aufenthaltes nicht mit Erfolg auf einen relevanten Grad seiner Integration berufen könnte. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich der Beschwerdeführer mit falschen Angaben eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verschafft habe.
Da auch keine sonstigen, besonders berücksichtigungswürdigenden Umstände vorlägen, könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er - wie im angefochtenen Bescheid näher festgehalten - vor der Asylbehörde am 4. Dezember 1997 unrichtige Angaben über seine Einreise nach Österreich gemacht habe, um sich eine (zunächst vorläufige und sodann dauernde) Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz zu verschaffen, und weiters auch in seinem Visumsantrag bei der österreichischen Botschaft in Budapest unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes in Österreich gemacht habe, um sich solcherart ein Visum und damit die Einreise nach Österreich zu verschaffen. Von daher bestehen gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt sei, keine Bedenken. Dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe (was sich aus seiner Einvernahme am 22. April 1998 ergebe) die unrichtigen Angaben über seine Einreise nur deswegen gemacht, weil er Angst gehabt hätte, wieder nach Pakistan abgeschoben zu werden, ist entgegenzuhalten, dass es nach § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG nicht darauf ankommt, auf Grund welcher Absicht oder aus welchem Motiv heraus unrichtige Angaben im Sinn dieser Bestimmung erfolgen. Mit dem Hinweis, dass gemäß Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention Flüchtlinge wegen illegaler Einreise oder illegaler Anwesenheit nicht bestraft werden dürften, übersieht die Beschwerde, dass es sich bei einem Aufenthaltsverbot nicht um eine Strafe, sondern um eine administrativ-rechtliche Maßnahme handelt (vgl. das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992 ergangene, aber diesbezüglich auch vorliegend einschlägige hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1994, Zl. 94/18/0655).
1.2. Durch die unbestrittene zweimalige Täuschung von österreichischen Behörden bzw. deren Organen zum Zweck der Erlangung einer (zunächst vorläufigen und sodann dauernden) Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz bzw. eines Visums zur Einreise nach Österreich hat der Beschwerdeführer das im Beschwerdefall maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 98/18/0219, mwH), gravierend beeinträchtigt, weshalb - entgegen der Beschwerde - auch die Auffassung der belangten Behörde, die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei im Beschwerdefall gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig angesehen werden kann. Dass sich der Beschwerdeführer (behauptetermaßen) während der Dauer seines Aufenthaltes und des Asylverfahrens im Bundesgebiet wohlverhalten und "selbst zur Klärung des Sachverhaltes beigetragen" habe, tut seinem sowohl auf die Ermöglichung der Einreise als auch die Verschaffung eines rechtmäßigen Aufenthalts gerichteten Fehlverhalten keinen Abbruch. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers, dass ein Antrag auf Gewährung von Asyl auch nach Erteilung eines Visums durch eine österreichische Botschaft zulässig sei, vermag an diesem Fehlverhalten nichts zu ändern. Ferner ändert der (behauptete) Umstand, dass dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu einem Zeitpunkt ausgestellt worden sei, als bereits bekannt gewesen sei, dass er ursprünglich unrichtige Angaben zu seiner Einreise gemacht hätte, nichts an dieser Beurteilung, ist doch das Bestehen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung für die Frage, ob vorliegend die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegeben sind, nicht relevant.
2. Auf dem Boden des Gesagten erweisen sich die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe bezüglich der hinter seinen falschen Angaben stehenden Absicht, ferner betreffend den unmittelbaren Zusammenhang zwischen seinen falschen Angaben und der Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung und schließlich bezüglich der Prüfung der Anwendbarkeit des Art. 31 der besagten Konvention in seinem Fall den maßgebenden Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt bzw. sich mit seinem diesbezüglichen Vorbringen nicht hinreichend auseinandergesetzt, als nicht zielführend.
3. Die Beurteilung der belangten Behörde im Grund des § 37 FrG lässt die Beschwerde unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen ist in Anbetracht des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Dauer von etwa 16 Monaten nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers gegeben. Gegen das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass dem vorliegenden Aufenthaltsverbot - unter der Annahme eines solchen Eingriffs - § 37 FrG nicht entgegenstehe, besteht aber aus den im angefochtenen Bescheid diesbezüglich angestellten Erwägungen kein Einwand.
4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof (entgegen der Beschwerde) auch nicht finden, dass die belangte Behörde von dem gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhalt mit dem übrigen Akteninhalt besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. November 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999180134.X00Im RIS seit
05.03.2003