TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/26 2001/11/0324

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Veröffentlicht am 26.11.2002
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FSG 1997 §7 Abs2 impl;
KFG 1967 §66 Abs1 litb;
KFG 1967 §66 Abs2 litb;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
StGB §207 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dkfm. DDr. G in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. August 2001, Zl. MA 65 - 11/56/2001, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 2001, Zl. 2000/11/0084 und Zl. 2001/11/0094, hingewiesen. Mit dem erstgenannten Erkenntnis wurde der im Instanzenzug ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 7. Februar 2000, soweit mit ihm dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen B, C, E, F und G entzogen und ausgesprochen worden war, dem Beschwerdeführer dürfe für die Dauer von vier Jahren ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vom 22. Dezember 1999 keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses wurde ausgeführt, die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer, der unter anderem wegen des in der Zeit vom Sommer 1996 bis Anfang Juli 1997 an insgesamt vier unmündigen Personen begangenen Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB rechtskräftig schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt worden war (und sich bis Februar 2000 in Straf- bzw. Verwaltungsstrafhaft befunden hat), sei als verkehrsunzuverlässig gemäß § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 anzusehen, sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, doch sei die der Festsetzung der Entziehungsdauer zugrunde liegende Prognose, der Beschwerdeführer werde frühestens ab 24. Dezember 2003, also rund sechseinhalb Jahre seit der letzten Tathandlung, die Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 wiedererlangen, verfehlt. Unter Berücksichtigung der seit der letzten Tat verstrichenen Zeit (auch unter Bedachtnahme darauf, dass der Beschwerdeführer rund zweieinhalb Jahre davon in Haft verbracht hat), seine Unbescholtenheit vor der Verurteilung und die Tatsache, dass er im Zusammenhang mit den Straftaten kein Kraftfahrzeug verwendet hat, müsse - Wohlverhalten vorausgesetzt - mit einem wesentlich früheren Eintritt der Verkehrszuverlässigkeit gerechnet werden.

Mit Erkenntnis vom 28. Juni 2001, Zl. 2001/11/0094, wurde die Beschwerde gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Jänner 2001, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Lenkberechtigung abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, der seit der Haftentlassung bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichene Zeitraum von weniger als einem Jahr sei noch zu kurz, um bereits die Wiederlangung der Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 annehmen zu können.

Nach der Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 7. Februar 2000 durch das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001, Zl. 2000/11/0084, wurde mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid vom 22. Dezember 1999 dahin stattgegeben, dass die Entziehungsdauer von vier Jahren auf zwei Jahre (ab der am 24. Dezember 1999 erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides, ohne Einrechnung von Haftzeiten), herabgesetzt wurde.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, Unzuchtsdelikte an Unmündigen zählten zu den am meisten verpönten und verwerflichsten Tathandlungen. Daraus sei auf eine sich über alle sittlichen Wertvorstellungen hinwegsetzende Sinnesart des Täters zu schließen, die der von einem Kfz-Lenker geforderten Einstellung gegenüber den Mitmenschen zuwiderlaufe. Im Rahmen des Wertungskriteriums der Verwerflichkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer mehrere unmündige Knaben über einen längeren Zeitraum hindurch immer wieder sexuell missbraucht und sowohl hinsichtlich der Opfer als auch der Tatzeiten wiederholte Tathandlungen gesetzt habe. Das Wohlverhalten des Beschwerdeführers in der Haft lasse noch nicht die Annahme zu, er habe seine aus der wiederholten Tatbegehung zu erschließende Neigung zur Begehung von schweren strafbaren Handlungen bereits überwunden. Der Beschwerdeführer sei daher noch immer als verkehrsunzuverlässig anzusehen. Unter Berücksichtigung der seit der Tat verstrichenen Zeit, der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers bis zur genannten Verurteilung und des Fehlens eines unmittelbaren Zusammenhanges der Straftaten mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges sei die Entziehungsdauer wesentlich, und zwar auf 24 Monate, herabzusetzen. Eine weitere Reduzierung der Entziehungszeit auf das beantragte Ausmaß von 18 Monaten bzw. der Ausspruch einer Entziehung nach § 74 KFG 1967 komme aber auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers nicht in Betracht. Bei einer noch kürzeren Entziehungszeit werde der Zweck der getroffenen Maßnahme, nämlich den als verkehrsunzuverlässig erkannten Beschwerdeführer bis zu einer Änderung seiner Sinnesart vom öffentlichen Verkehr fernzuhalten, in Frage gestellt. Im Übrigen habe auch der Beschwerdeführer seine Bereitschaft zu einer Sinnesumkehr bisher nur in geringem Maß zu erkennen gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass es im Beschwerdefall nicht um die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967, sondern um jene nach § 66 Abs. 1 lit. b leg. cit. geht. Nach dieser Bestimmung gilt eine Person als verkehrsunzuverlässig, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 2) und ihrer Wertung (Abs. 3) angenommen werden muss, dass sie auf Grund ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. Es genügt demnach für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nicht, dass die Begehung weiterer schwerer strafbarer Handlungen nicht ausgeschlossen werden kann oder bloß für möglich zu halten ist. Nach der Formulierung dieser Gesetzesstelle muss vielmehr erwartet werden können, dass der Betreffende wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, schwere strafbare Handlungen begehen wird (arg. "... angenommen werden muss, dass ... schuldig machen wird"; vgl. in diesem Zusammenhang das zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmung des § 7 Abs. 2 FSG in der Fassung vor der 5. Führerscheingesetz-Novelle BGBl. I Nr. 81/2002 ergangene hg. Erkenntnis vom 23. April 2002, Zl. 2001/11/0195). Für die gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 zu bestimmende Zeit, für die keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, ist die unter Berücksichtigung der Wertungskriterien des § 66 Abs. 3 KFG 1967 zu erstellende Prognose maßgebend, innerhalb welchen Zeitraumes die Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit erwartet werden kann. Im gegebenen Zusammenhang ist demnach maßgebend, für welchen Zeitraum mit der Begehung von weiteren schweren strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer gerechnet werden muss. In Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Wirksamkeit der gegenständlichen Entziehungsmaßnahme die Strafhaft bereits fast zur Gänze verbüßt hatte und die Strafe (neben anderen Strafzwecken) auch spezialpräventiven Bedürfnissen dient (vgl. auch dazu das zuvor zitierte Erkenntnis vom 23. April 2002, mwN), ist auch bei Berücksichtigung der von der belangten Behörde mit Recht hervorgehobenen Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen nicht erkennbar, warum erst nach Ablauf von zwei Jahren ab Entlassung des Beschwerdeführers aus der Haft mit einer Änderung der genannten Sinnesart gerechnet werden kann und nicht bereits nach Ablauf einer Zeit, die 18 Monate nicht übersteigt, mit der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit gerechnet werden konnte. In diesem Zusammenhang ist zudem zu beachten, dass bei Festsetzung einer 18 Monate nicht übersteigenden Entziehungszeit auch eine bloß vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 in Betracht kommt.

Das im angefochtenen Bescheid zum Nachteil des Beschwerdeführers ins Treffen geführte Argument, er habe seine Bereitschaft zu einer Sinnesumkehr bisher nur in geringem Maß zu erkennen gegeben, wird nicht näher begründet. Soweit in der Gegenschrift dazu ausgeführt wird, der Beschwerdeführer versuche mit den auf der Höhe der Strafdrohung des § 207 Abs. 1 StGB beruhenden Argumenten sein strafbares Verhalten zu bagatellisieren, ist der belangten Behörde zwar einzuräumen, dass es für die Verwerflichkeit von strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit nicht nur auf die gesetzliche Strafdrohung für die in § 66 Abs. 2 lit. b KFG 1967 genannten Straftaten ankommt, sondern dass für die diesbezügliche Beurteilung auch die konkreten Umstände der Tat zu berücksichtigen sind. Eine Bagatellisierung der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen ist allerdings im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde in dem genannten Beschwerdevorbringen nicht zu erkennen, sodass dahingestellt bleiben kann, inwieweit überhaupt aus einem in einem Schriftsatz einer anwaltlich vertretenen Partei enthaltenen Vorbringen auf Charaktereigenschaften der Partei geschlossen werden kann.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. November 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001110324.X00

Im RIS seit

05.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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