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L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
BAO §167 Abs2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/15/0214 E 26. November 2002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde 1. der C GmbH und 2. der A GmbH Nfg. KEG, beide in W, beide vertreten durch Dr. Eugen Wiederkehr und Dr. Werner Loos, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Straße 49, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 9. September 1999, Zl MD-VfR-C 9/98 und A 20/98, betreffend Vergnügungssteuer nach dem Wiener Vergnügungssteuergesetz samt Säumniszuschlag für die Zeit Dezember 1997 bis Jänner 1998, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Anlässlich einer Überprüfung im Betrieb der Erstbeschwerdeführerin wurde am 9. Jänner 1998 von den Revisionsbeamten hinsichtlich des Bildschirmgerätes der Type "Silverball" festgestellt:
"Neben verschiedenen Bild-, Strategie-, Erotik- und Kartenspielen, hat der Spieler die Möglichkeit, das Spiel 'Striptease' zu wählen.
Beschreibung: 'Striptease'
Es handelt sich um ein Kartenspiel. Die Spielregeln sind wie bei Strippoker. Der Spieler erhält 5 Karten. Nach dem Tausch der schlechten Karten wird aufgelegt. Gewinnt der Spieler, entledigt sich die Frau eines Kleidungsstückes. Verliert er, zieht sie ein Kleidungsstück an. Der Spieler hat keinen Einfluss auf die Kartenausgabe."
Die Beschwerdeführerinnen legten eine Bestätigung des Herstellerwerkes vor, demzufolge es sich beim Programm "Striptease" um ein Geschicklichkeitsspiel handle, da bei einem geübten Spieler ein deutlich höherer Spielerfolg nachgewiesen werden könne. "Striptease" sei daher nicht vorwiegend oder ausschließlich vom Zufall abhängig. Ein wesentliches Merkmal sei, dass zur Bedienung des Spieles Fingerfertigkeit, Merkvermögen, Kombinationsgabe und Übung erforderlich seien.
Weiters legten die Beschwerdeführerinnen ein von dem genannten Herstellerwerk in Auftrag gegebenes Gutachten, welches von einem gerichtlich beeideten Sachverständigen erstellt worden war, vor. Als Zweck dieses Gutachtens wurde in diesem ausdrücklich die Beurteilung nach dem Wiener Vergnügungssteuergesetz angeführt. Um das Ausmaß, in dem das Spielergebnis einerseits vom Zufall und andererseits von der Kombinationsgabe und der Geschicklichkeit des Spielers maßgebend bestimmt werde, festzustellen, seien im Rahmen der Gutachtenserstellung mit namentlich angeführten Versuchspersonen drei Versuchsreihen durchgeführt worden, deren erste darin bestanden habe, bewusst keinen Einfluss auf das Spielgeschehen zu nehmen ("durch unkontrolliertes Berühren des Touchscreen"). Die zweite Versuchsreihe sei mit ungeübten Spielern, die dritte mit geübten Spielern durchgeführt worden. In der Folge wurden im Gutachten die Versuchsreihen sowie die jeweiligen Ergebnisse, aufgeschlüsselt nach namentlich genanntem Spieler (erreichte Punkteanzahl, Zeitdauer), dargestellt. Im mit "Befund" überschriebenen Abschnitt wurde ausgeführt, dass man erkenne, "dass geübte Spieler durchschnittlich länger spielen und höhere Punktegewinne aufweisen als ungeübte. Geübte Spieler sind in der Lage, ihr Geschick besser ins Spiel einfließen zu lassen als ungeübte. Das drückt sich darin aus, dass die Ungeübten in den Versuchsreihen ihre Serien durch Zeitablauf früher beenden mussten als die Geübten und zwar im Schnitt um ca. 5 Minuten pro Spiel".
Mit Bescheid vom 22. Mai 1998 schrieb der Magistrat der Stadt Wien den Beschwerdeführerinnen gemäß §§ 6 Abs. 4 und 13 Abs. 1 Wiener Vergnügungssteuergesetz 1987 (VGSG), LGBl. für Wien Nr. 43/87 in der geltenden Fassung, sowie gemäß §§ 164 Abs. 1 und 166 der Wiener Abgabenordnung (WAO), LGBl. für Wien Nr. 21/1962 in der geltenden Fassung, für das Halten eines Spielapparates der Type "Silverball" mit dem Spiel "Striptease" im Betrieb der Erstbeschwerdeführerin für die Zeit Dezember 1997 bis Jänner 1998 Vergnügungssteuer im Betrag von S 32.000,-- vor (zuzüglich Säumniszuschlag in Höhe von S 600,--).
Die Beschwerdeführerinnen erhoben Berufung und vertraten unter Hinweis auf die bereits vorgelegten Beweismittel (Herstellerbestätigung, Privatgutachten) die Ansicht, dass es sich bei dem gegenständlichen Gerät "Silverball" um einen Unterhaltungsspielapparat gemäß § 6 Abs. 3 VGSG handle, da das Spielergebnis keineswegs ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig sei. Die Anmeldung in dieser Kategorie sei daher zu Recht erfolgt.
Im angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde darauf hin, dass der Spielverlauf anhand des aktenkundigen Privatgutachtens schlüssig und detailliert dargestellt worden sei. Ebenso sei der überwiegende Zufallscharakter schlüssig und nachvollziehbar dargestellt worden. Er ergebe sich in erster Linie aus der Unmöglichkeit, Spielverlauf und Spielergebnis wesentlich zu beeinflussen bzw. mitzubestimmen. Vielmehr beschränke sich die Einflussmöglichkeit des Spielers darauf, in einem virtuellen Pokerspiel die ihm zufällig zugeteilten Karten gegen andere ebenso nach dem Zufallsprinzip vergebene Karten auszutauschen. Dass dabei vom Spieler bestimmte Kartenkombinationen angestrebt und hin und wieder auch erzielt würden, ändere nichts an der Tatsache, dass der Spielverlauf sowie das Spielerergebnis im Wesentlichen vorgegeben und vom Spieler nicht weiter beeinflussbar seien. Der Zufallscharakter sei dadurch nicht beeinträchtigt, dass geübte Spieler innerhalb der vorgegebenen Zeit eine raschere Kartenzuteilung auslösen könnten, da sich diese Einflussmöglichkeit allein darauf beschränke, eben eine raschere Abfolge von Zufälligkeiten herbeizuführen, ohne tatsächlich das Spielergebnis bzw. den Spielverlauf inhaltlich zu steuern.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 6 Abs. 1 bis 4 VGSG, LGBl. Nr. 43/1987, i.d.F. LGBl. Nr. 41/1992, lautet auszugsweise:
"(1) Für das Halten von Flippern, Spielapparaten mit Bildschirmen, Fußballspiel- und Hockeyautomaten und Dartspielapparaten beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 1.500 S, sofern nicht die Voraussetzungen nach den Abs. 2 bis 4 zutreffen.
...
(3) Für das Halten von in Abs. 1 genannten Apparaten, bei denen ein Spielergebnis angezeigt wird, ausgenommen Fußballspiel- und Hockeyautomaten, beträgt die Steuer je Apparat und angefangenem Kalendermonat 3.000 S, sofern nicht die Voraussetzungen des Abs. 4 zutreffen.
(4) Für das Halten von Apparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so z. B. Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann oder bei denen das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig ist, oder von Apparaten, durch deren Betätigung optisch bzw. akustisch eine aggressive Handlung, wie beispielsweise die Verletzung oder Tötung von Menschen oder die Bekämpfung von Zielen, womit üblicherweise die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist, dargestellt wird, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 18.000 S."
Strittig ist, ob das Bildschirmgerät der Type "Silverball", welches u. a. das Spiel "Striptease" ermöglicht, einen Apparat darstellt, bei dem das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig ist.
Die Behörde hat in der Begründung ihres Bescheides die behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung darzustellen. Dabei sind - auf das Vorbringen eines Abgabepflichtigen im Verwaltungsverfahren beider Instanzen sachverhaltsbezogen im Einzelnen eingehend - jene Erwägungen der Behörde darzustellen, welche sie bewogen haben, einen anderen als den von den Abgabenpflichtigen behaupteten Sachverhalt als erwiesen anzunehmen. Weiters ist anzuführen, aus welchen Gründen sich die Behörde im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung dazu veranlasst sah, im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse gerade den von ihr angenommenen Sachverhalt als erwiesen anzunehmen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).
Einer solchen Überprüfung hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht stand. Weder aus den Feststellungen der belangten Behörde noch aus dem vorgelegten Privatgutachten ergibt sich der konkrete Spielablauf (beispielsweise bleibt offen, welche Folge das Erreichen von Punkten zeitigt) oder das Verhältnis von Zufalls- und Geschicklichkeitselementen, sodass eine Beurteilung, ob das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt, nicht vorgenommen werden kann. Auch das vorgelegte Privatgutachten - aus welchem die belangte Behörde die unvollständige Darstellung des Spielverlaufes übernommen hat - geht auf diese zentrale Frage nicht ein.
Die Wortgruppe "... oder bei denen das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig ist" in § 6 Abs. 4 VGSG lehnt sich unverkennbar an § 1 Abs. 1 Glücksspielgesetz 1989 an, nur dass an Stelle der Worte "Gewinn und Verlust" das Wort "Spielergebnis" steht. Daraus wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff "Spielergebnis" dasselbe wie "Gewinn und Verlust" im Sinne des Glücksspielgesetzes verstanden wissen wollte (hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. Oktober 1994, 92/17/0179). Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen getroffen, ob ein Gewinn bzw. Verlust im Sinne des Glücksspielgesetzes vorliegt, sodass sie ihren Bescheid auch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen des Vorranges der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. November 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999150212.X00Im RIS seit
24.03.2003