Index
32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallLeitsatz
Anlassfallwirkung der Aufhebung der Worte "bedingte oder" in §18 Abs2 Z3 KapitalverkehrsteuerG mit E v 01.10.99, G6/99 ua.Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit ATS 29.500,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beschwerdeführende Partei (als Käuferin) schloss mit der NWPK Holding GmbH einen Vertrag ab, wonach ihr Gesellschaftsanteile an der W P Holding GmbH und an der W P B-GmbH abgetreten werden sollten. Als Abtretungspreis war einerseits ein Betrag von ATS 1.000.000,- vereinbart worden, andererseits verpflichtete sich die Käuferin, die nach Zahlung des Abtretungspreises noch offene restliche Verbindlichkeit der Verkäuferin von ursprünglich ATS 10.000.000,- zu übernehmen und die Verkäuferin diesbezüglich schad- und klaglos zu halten. Der Vertrag war durch die Zustimmung der Bank Austria AG als Treuhänderin der Gläubiger aufschiebend bedingt; die fristgerechte Bezahlung des Kaufpreises und die fristgerechte Beschaffung der Schad- und Klagloserklärungen wurden als auflösende Bedingungen vereinbart.
Für diesen Kaufvertrag wurde der Beschwerdeführerin Börsenumsatzsteuer von einer Bemessungsgrundlage von ATS 10.000.000,- vorgeschrieben. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass gemäß §18 Abs2 Z3 Kapitalverkehrsteuergesetz auch bedingte Anschaffungsgeschäfte die Börsenumsatzsteuerpflicht auslösen, und zwar unabhängig davon, ob die Bedingung eintritt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G6/99 ua., hat der Verfassungsgerichtshof die Worte "bedingte oder" in §18 Abs2 Z3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes, DRGBl. 1/1934, S 1058, als verfassungswidrig aufgehoben.
II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren
(VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G6/99 ua. fand am 1. Oktober 1999 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 4. November 1998 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Die Beschwerdeführerin wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Betrag ist eine Gebühr gemäß §17a VerfGG 1953 in Höhe von ATS 2.500,-- sowie Umsatzsteuer in Höhe von ATS 4.500,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlassfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B2066.1998Dokumentnummer
JFT_10008984_98B02066_00