TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/26 2002/18/0099

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Veröffentlicht am 26.11.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §19 Abs1;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §7 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S, geboren 1952, vertreten durch Dr. Susanne Schuh, Rechtsanwältin in 2380 Perchtoldsdorf, Wienergasse 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. März 2002, Zl. 311.896/2- III/11/01, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 20. März 2002 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 12. Mai 2000 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe bereits am 23. August 1993 einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Familiengemeinschaft mit der Mutter" gestellt, welcher am 10. März 1994 abgewiesen worden sei. Einen neuerlichen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung habe er am 25. Juli 1994 zum Zweck der Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit gestellt. Diesen Antrag habe er damit begründet, "dass es in Restjugoslawien sehr schlecht ist". Da sein Vater und die Mutter in Österreich arbeiteten, würde auch der Beschwerdeführer anstreben, eine Arbeit zu finden und eine Beschäftigungserlaubnis zu erhalten. Auch dieser Antrag sei abgewiesen worden.

Da bislang alle Versuche zur Erlangung eines Aufenthaltstitels gescheitert seien, habe der Beschwerdeführer am 12. Mai 2000 einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit gestellt.

Auf Grund des Einwanderungsstromes in das österreichische Bundesgebiet sei eine genaue und umfassende Überprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen vonnöten. Sei der Lebensunterhalt des Antragstellers nicht als gesichert zu qualifizieren, könne gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG kein Aufenthaltsrecht gewährt werden.

Der Beschwerdeführer habe zur Dartuung ausreichender Unterhaltsmittel die Kopie eines Sparbuches mit einem Guthaben von EUR 5.844,10 mit Stichtag 31. Jänner 2002 vorgelegt. Als Nachweis der Finanzmittel zur Unternehmungsführung in der Anfangsphase habe er eine weitere Kopie eines Sparbuches mit einem Einlagestand von EUR 6.000,-- zum gleichen Stichtag vorgelegt. Trotz entsprechender Aufforderung mit einer dreiwöchigen Fristsetzung habe der Beschwerdeführer bisher keinerlei arbeitsrechtliche Nachweise, wie etwa einen Feststellungsbescheid des Arbeitsmarktservice, ob für die vom Beschwerdeführer angestrebte Herstellung von Tofu in Österreich eine Beschäftigungsbewilligung benötigt werde, oder eine sonstige Berechtigung zur Ausübung dieses Gewerbes vorgelegt. Es sei daher für die Behörde nicht nachvollziehbar, inwieweit "die gesetzlichen Erfordernisse erbracht sind bzw. überhaupt vorliegen". Nach der Judikatur sei die Behörde nicht zu weiteren Erhebungen verpflichtet, wenn es die Partei unterlasse, an der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes mitzuwirken.

In Anbetracht des aktenkundigen Umstandes, dass der Sohn und die Eltern des Beschwerdeführers in Österreich aufhältig seien, sei gemäß § 37 FrG eine Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen erforderlich.

Es sei davon auszugehen, dass die dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht ausreichten, um ohne finanzielle Unterstützung durch den Sozialhilfeträger auszukommen. Die Zuschießung finanzieller Mittel zum Unterhalt des Beschwerdeführers durch den Sozialhilfeträger liege nicht im Sinn des Gesetzes.

Bei Abwägung der privaten Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer durch den Aufenthalt seiner Eltern und seines Sohnes in Österreich unabsprechbare familiäre Bindungen zum Bundesgebiet habe. Dennoch könne unter den gegebenen Umständen keinesfalls ein Aufenthaltstitel erteilt werden, weil die öffentlichen Interessen zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele höher zu werten seien als die nachteiligen Folgen einer Verweigerung des Aufenthaltstitels auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, zumal die Unterhaltsmittel des Beschwerdeführers nicht als gesichert zu betrachten seien und er sich bisher in seinem Heimatstaat aufgehalten habe und daher keinerlei soziale Integration in Österreich vorhanden sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des FrG haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 8. (1) Einreise- und Aufenthaltstitel können Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). ...

...

(3) Die Behörde hat bei der Ausübung des in Abs. 1 eingeräumten Ermessens jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthaltes des Fremden ausgehend

1. auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und die Dauer seines bisherigen Aufenthaltes,

2. auf öffentliche Interessen, insbesondere die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange, die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Volksgesundheit und

3. auf die besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes

Bedacht zu nehmen.

...

§ 10. ...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2) insbesondere versagt werden, wenn

1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;

...

§ 13. (1) Aufenthaltstitel werden für einen bestimmten Aufenthaltszweck erteilt; der Betroffene hat eine nach den maßgeblichen Gesetzen hiefür erforderliche Berechtigung vor der Erteilung nachzuweisen.

...

§ 19. (1) Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, kann auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des 2. Abschnittes über die Erteilung von Aufenthaltstiteln bis auf weiteres gesichert scheinen. Sie darf - außer in den Fällen des Abs. 2 - nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden (Quotenpflicht).

...

(6) Die Gültigkeitsdauer der Erstniederlassungsbewilligung beträgt höchstens ein Jahr."

2. Der Beschwerdeführer hat am 12. Mai 2000 einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt, wobei er als Zweck "selbstständige Erwerbstätigkeit" angegeben hat. Nach Ausweis der Verwaltungsakten hat er im Antragsformular als "Art der Tätigkeit" die "Herstellung von Tofu" genannt. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 11. Jänner 2002 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, binnen drei Wochen u.a. einen Nachweis über die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes vorzulegen. Daraufhin hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 7. Februar 2002 vorgebracht, dass er die Gleichstellung mit Inländern für die Ausübung des Gewerbes bereits beantragt habe. Der zuständige Gewerbereferent habe zugesichert, die Gewerbeanmeldung des Beschwerdeführers vom 29. Juni 2000 positiv zu erledigen, sobald die Gleichstellung mit Inländern vorliege.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde gegen die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe nicht nachgewiesen, über eine Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Erzeugung von Tofu zu verfügen, ins Treffen.

Dem ist zu entgegnen, dass sich aus dem genannten Vorbringen nicht ergibt, dass der Beschwerdeführer (bereits) über eine gewerberechtliche Genehmigung zur Ausübung der den Zweck der angestrebten Niederlassung darstellenden selbstständigen Erwerbstätigkeit verfügt.

Aus diesem Grund wäre im Übrigen der Tatbestand des - von der belangten Behörde nicht herangezogenen - Versagungsgrundes gemäß § 13 Abs. 1 FrG erfüllt.

3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des Versagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG mangels ausreichender eigener Unterhaltsmittel erfüllt sei, und verweist hiezu auf die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Sparbücher.

3.2. Der auf dem zum Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel vorgelegten Sparbuch unstrittig erliegende Betrag von EUR 5.844,10 reicht zwar zweifellos für die Sicherung des Unterhalts des Beschwerdeführers für den - eine dauernde Niederlassung indizierenden - Zeitraum von mehr als drei Monaten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. August 2001, Zl. 99/18/0278), doch erfordert § 19 Abs. 1 FrG für die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung, dass die Voraussetzungen des 2. Abschnittes - somit auch das Vorhandensein ausreichender eigener Unterhaltsmittel - "bis auf weiteres" gesichert scheinen.

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend ein Fremdengesetz (685 BlgNR, 20. GP, Seite 67) ist diese Voraussetzung gegeben, wenn der Behörde kein konkreter Umstand erkennbar ist, aus dem sich in absehbarer Zukunft - über die Gültigkeitsdauer der Erstniederlassungsbewilligung hinaus - die Notwendigkeit einer Aufenthaltsbeendigung ergeben könnte.

Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass der Betrag von EUR 5.844,10 zur Sicherung des Unterhalts des Beschwerdeführers nur für einen begrenzten und jedenfalls absehbaren Zeitraum reicht. Die Deckung des Unterhalts des Beschwerdeführers ausschließlich mit dem auf dem Sparbuch erliegenden Geld stellte somit einen konkreten Umstand dar, aus dem sich in absehbarer Zukunft die Notwendigkeit einer Aufenthaltsbeendigung (wegen des Fehlens ausreichender eigener Unterhaltsmittel) ergeben könnte.

Da der Beschwerdeführer mangels nachgewiesener Berechtigung zur Ausübung der angestrebten selbstständigen Erwerbstätigkeit auch nicht dargetan hat, über ein regelmäßiges Einkommen zu verfügen, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des Versagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4.1. § 10 Abs. 2 FrG ordnet an, dass bei Vorliegen eines der in den Z. 1 bis 3 genannten Tatbestandsvoraussetzungen die Erteilung des Aufenthaltstitels versagt werden kann. Damit ist klargestellt, dass das Vorliegen der in § 10 Abs. 2 FrG genannten Umstände nicht zwingend zu einer Versagung führt. Vielmehr ist der Ausdruck "kann" in dieser Bestimmung dahin zu verstehen, dass die Behörde bei Anwendung eines der dort angeführten Versagungsgründe zu prüfen hat, ob ein durch diese Anwendung allenfalls erfolgter Eingriff in ein durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht des Antragstellers aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2000, Zl. 99/19/0095, und das eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG betreffende hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0088).

4.2. Der EGMR hat im Fall Gül gegen die Schweiz im Urteil vom 19. Februar 1996, 53/1995/559/645, zunächst ausgeführt, dass Art. 8 EMRK keine allgemeine Verpflichtung des Staates normiere, die Zusammenführung einer Familie auf seinem Gebiet zu erlauben (Z. 38). Er hat zum Ausdruck gebracht, dass es für die bereits seit Jahren in der Schweiz niedergelassenen Eltern des die Niederlassung in diesem Staat anstrebenden Fremden zwar nicht leicht wäre, in die Türkei zurückzukehren, es aber "streng gesprochen" kein Hindernis gebe, das sie davon abhielte, ein Familienleben in der Türkei aufzunehmen, zumal der Sohn dauernd dort gelebt habe (Z. 42). Unter Bedachtnahme auf diese Erwägungen und Anerkennung des Umstandes, dass die Lage der Familie "aus einem menschlichen Gesichtspunkt sehr schwierig" sei, kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass kein Eingriff in das Familienleben des beschwerdeführenden Vaters des Einwanderungswilligen im Sinn des Art. 8 EMRK stattgefunden habe (Z. 43).

Im Licht dieser Entscheidung ist der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht, dass im vorliegenden Fall kein Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Familienleben des Beschwerdeführers gegeben ist. Der 49-jährige Beschwerdeführer war bisher unstrittig noch nie in Österreich niedergelassen. Im Bundesgebiet leben zwar seine Eltern und sein nach dem Inhalt des gegenständlichen Antrages am 11. Juli 1975 geborener Sohn. Umstände, auf Grund deren die Führung eines Familienlebens im Heimatland nicht möglich oder unzumutbar wäre, werden jedoch in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich.

4.3. Da somit der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG wirksam ist, hat die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu Recht abgewiesen.

5. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. November 2002

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002180099.X00

Im RIS seit

25.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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