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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 idF 1998/I/124;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des T in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. April 2002, Zl. 2-11.T/ 376 - 01/9, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. April 2002 wies die Steiermärkische Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie auf Erstreckung derselben auf seine beiden minderjährigen Kinder gemäß §§ 10 Abs. 1, 11, 17 und 18 iVm § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer - ein 1960 geborener türkischer Staatsangehöriger - erstmals am 17. Jänner 1991 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt sei, weshalb er die zehnjährige Wohnsitzdauer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG erfülle. Das Arbeitsmarktservice Steiermark habe sich gegen eine Einbürgerung des Beschwerdeführers ausgesprochen, weil aus arbeitsmarktpolitischer Sicht kein Grund für eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vorliege und die Qualifikation des Beschwerdeführers als Hilfskraft am heimischen Arbeitsmarkt nicht gesucht werde. Aus der Versicherungszeitenbestätigung sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zwischen März 1991 und Mai 2001 bei 14 verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt gewesen sei und während dieses Zeitraums zweieinhalb Jahre lediglich einer geringfügigen oder gar keiner Beschäftigung nachgegangen sei bzw. Arbeitslosengeld bezogen habe. Zur Stellungnahme aufgefordert habe er repliziert, dass er zum Teil seitens der Arbeitgeber gekündigt worden sei und dass er zum Teil selbst gekündigt habe, um eine bessere Arbeit zu finden. Zur Zeit arbeite er als Schweißer bei einem namentlich genannten Unternehmen in Graz.
Es stehe fest - so die belangte Behörde weiter -, dass der Beschwerdeführer seit elf Jahren in Österreich lebe. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder, wovon eines bereits in Österreich geboren worden sei. Auch seine Ehegattin lebe in Österreich, habe jedoch nicht die Erstreckung der Verleihung beantragt. Es stehe allerdings auch fest, dass der Beschwerdeführer zwischen März 1991 und Mai 2001 insgesamt 14 verschiedene Arbeitgeber gehabt habe, wobei nur drei Dienstverhältnisse (darunter das laufende) länger als ein Jahr gedauert hätten. Auch seit 1999 sei eine positive Entwicklung des Integrationsprozesses nicht zu erkennen. So sei der Beschwerdeführer von Anfang 1999 bis Juli 2000 in einem Dienstverhältnis zu einer Personaldienstleistungsfirma gestanden, nach sechswöchiger Arbeitslosigkeit zweieinhalb Monate wiederum bei einer Personalbereitstellungsfirma beschäftigt und im Anschluss daran von November 2000 bis März 2001 erneut arbeitslos gewesen. Im Folgenden sei er nach einem Monat Beschäftigung bei einem Sägewerk abermals ein Monat arbeitslos gewesen und erst seit Mai 2001 durchgehend bei einer namentlich genannten Firma beschäftigt.
Bei der gebotenen Ermessensübung nach § 11 StbG seien alle Vorfälle mitzuberücksichtigen, aus denen Anhaltspunkte für die Beurteilung der Persönlichkeit des Einbürgerungswerbers gewonnen werden könnten. Dass der Beschwerdeführer seit elf Jahren in Österreich lebe, werde zu seinen Gunsten in die Beurteilung des Gesamtverhaltens miteinbezogen. Zu seinen Lasten habe jedoch berücksichtigt werden müssen, dass auf Grund der Arbeitsplatzwechsel und der häufigen Unterbrechungen zwischen den einzelnen Dienstverhältnissen zu erkennen sei, dass es dem Beschwerdeführer auch in den letzten Jahren seines Aufenthaltes nicht gelungen wäre, sich in den österreichischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Erst seit knapp einem Jahr sei er ohne Unterbrechung bei ein- und derselben Firma beschäftigt; eine ausreichende Integration am heimischen Arbeitsmarkt sei derzeit aber noch nicht zu erkennen. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes ergebe sich, dass der Integrationsprozess noch nicht so weit fortgeschritten sei, dass eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers habe getroffen werden können. Im Hinblick darauf seien auch die Erstreckungsanträge abzuweisen gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde ging erkennbar davon aus, dass der Beschwerdeführer die Einbürgerungserfordernisse des § 10 Abs. 1 StbG erfülle. Sie vertrat jedoch die Auffassung, dass sie das ihr bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen im Hinblick auf § 11 StbG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers üben könne, weil er ungeachtet seines elfjährigen Aufenthaltes in Österreich noch nicht ausreichend im Bundesgebiet integriert sei. Zu diesem Ergebnis gelangte sie im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer häufig seinen Arbeitsplatz gewechselt habe und dass seine Dienstverhältnisse mit wenigen Ausnahmen nur von kurzer Dauer gewesen seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass wechselnden Beschäftigungsverhältnissen für sich allein im Rahmen der nach § 11 StbG vorzunehmenden Ermessensübung keine Bedeutung zukommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Oktober 2001, Zl. 2000/01/0156, und vom 17. September 2002, Zl. 2001/01/0323). Konsequenterweise kann es im gegebenen Zusammenhang auch nicht auf die Dauer der einzelnen Dienstverhältnisse ankommen. Maßgeblich ist - unter dem Gesichtspunkt beruflicher Integration - nur, ob weitgehend regelmäßig einer Erwerbstätigkeit - mag sie selbständig oder unselbständig sein - nachgegangen wird oder nicht. Dabei kommt es vor allem auf die Zeit unmittelbar vor der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 2002, Zl. 2000/01/0510). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass der Beschwerdeführer im konkreten Fall in beruflicher Hinsicht maßgebliche Integrationsdefizite aufweisen würde. Die belangte Behörde hat - zutreffend die Entwicklung in den letzten Jahren in den Vordergrund rückend - festgestellt, dass der Beschwerdeführer von Anfang 1999 bis Juli 2000 in einem aufrechten Dienstverhältnis stand und dass er nunmehr seit Mai 2001 (und daher gemessen am Zeitpunkt der Bescheiderlassung seit knapp einem Jahr) beschäftigt ist. Auch zwischen Juli 2000 und Mai 2001 war er gemäß den behördlichen Feststellungen rund dreieinhalb Monate erwerbstätig. Insgesamt haben die Zeiten ohne Beschäftigung daher kein außergewöhnliches Ausmaß erreicht.
Der Aspekt der Integration eines Einbürgerungswerbers ist nicht auf Fragen der beruflichen Verankerung im Inland beschränkt. Wesentlich ist vielmehr auch die persönlich-soziale Situation. Es bedarf einer Gesamtschau, wobei integrationsfördernde Umstände in einem Bereich hemmende Faktoren auf anderem Gebiet auszugleichen vermögen.
Nach dem Gesagten hätte die belangte Behörde, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, in ihre Ermessensentscheidung miteinfließen lassen müssen, dass neben dem Beschwerdeführer auch seine Familie in Österreich lebt, dass eines der beiden Kinder in Österreich geboren wurde und dass das andere hier die Schule besucht. Den Ausführungen in der Gegenschrift, die sich gegen eine Berücksichtigung dieser Umstände wenden, ist zu erwidern, dass alle genannten Gesichtspunkte auch bezüglich des Beschwerdeführers selbst Anknüpfungspunkte zu Österreich darstellen, weshalb ihnen eine integrationsverstärkende Wirkung zukommt (in diesem Sinn auch das schon in der Beschwerde angeführte hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0015).
Zusammenfassend ergibt sich, dass die erforderliche Beurteilung der Integration des Beschwerdeführers und die darauf aufbauende Ermessensentscheidung der belangten Behörde einerseits auf einer nicht tragfähigen und andererseits auf einer nicht ausreichenden Grundlage beruhen. Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Wien, am 3. Dezember 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002010214.X00Im RIS seit
21.03.2003