TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/3 2000/01/0522

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Veröffentlicht am 03.12.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 idF 1998/I/158;
AVG §79a Abs1 idF 1995/471;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2001/01/0314 E 14. Jänner 2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des R in Wien, vertreten durch Mag. Mirjam B. Sorgo, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Ledererhof 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. Oktober 2000, Zl. UVS- 02//12/2627/2000/20, betreffend Kostenersatz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 27. März 2000 brachte der Beschwerdeführer namens der im Jahre 1976 geborenen S. bei der belangten Behörde eine Beschwerde gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 AVG und §§ 88, 89 SPG gegen die Bundespolizeidirektion Wien ein. Nachdem die Bundespolizeidirektion Wien in ihrer Gegenschrift u.a. Zweifel an der Vollmacht des Beschwerdeführers geäußert hatte, räumte die belangte Behörde mit der an S., zu Handen des Beschwerdeführers, gerichteten Erledigung vom 7. Juni 2000 die Möglichkeit zur Stellungnahme zur Gegenschrift binnen Frist ein und ersuchte gleichzeitig um Nachweis der Vertretungsbefugnis. Hierauf brachte der Beschwerdeführer - namens S. - am 4. Juli 2000 eine Stellungnahme ein, in der er vorbrachte, dass zur Vorlage der von S. am 13. März 2000 unterfertigten Vollmachtsurkunde im Original weder ein Anlass ersichtlich sei noch im Hinblick auf § 10 Abs. 2 AVG ein solcher bestehe. Eine Zweifelssituation liege nicht vor.

Am 20. Juli 2000 langte bei der belangten Behörde eine mit 13. Juli 2000 datierte Eingabe von S. ein, der als Beilagen Kopien einer Stellungnahme (in Portugiesisch) sowie einer Übersetzung in Deutsch angeschlossen waren; laut der (Übersetzung der) Stellungnahme habe sie etwa eine Woche nach dem beschwerdegegenständlichen Vorfall ein Mann aufgesucht, den sie für einen Regierungsbeamten gehalten habe. Er hätte nicht erwähnt, Rechtsanwalt zu sein, und habe die Einschreiterin auf Englisch befragt. Sie habe etwas unterschreiben müssen, obwohl sie nicht verstanden habe, welche Bedeutung dies hätte. Sie habe den Anwalt gefragt, ob es Probleme geben werde; er habe geantwortet, dass er nur da wäre, um zu helfen. Die Einschreiterin habe erklärt, nur wenig Englisch zu sprechen.

Am 4. August 2000 brachte der Beschwerdeführer - namens S. - im Wege der Telekopie einen Schriftsatz über die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zwischen ihm und S. ein.

Auf die an S. gerichtete Anfrage der belangten Behörde hin, ob die Beschwerde aufrecht erhalten und eine Sachentscheidung begehrt werde, langte (vorerst am 15. September 2000 im Wege der Telekopie) am 18. September 2000 ein Schreiben von S. (in deutscher Sprache) ein, laut dem sie in ihrer Eingabe vom 13. Juli 2000 weder ein diesbezügliches Begehren noch eine Entscheidung angestrebt habe. Sie könne nur wiederholen, dass der Rechtsanwalt die Beschwerde gegen ihren Willen eingebracht habe. Als sie auf diesen Umstand aufmerksam gemacht worden sei, habe sie so rasch als möglich reagiert, indem sie dem beschwerdeführenden Rechtsanwalt, der Bundespolizeidirektion Wien und der belangten Behörde eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung übermittelt habe. Da sie als Flüchtling kaum über Geld verfüge und für eine kleine Tochter zu sorgen habe, würde sie ein Kostenersatz sehr hart treffen. Sie ersuche, von der Verpflichtung zum Kostenersatz abzusehen.

In ihrem Schriftsatz vom 15. September 2000 erklärte die Bundespolizeidirektion Wien, dass ein Verzicht auf den beantragten Zuspruch des Schriftsatzaufwandes nicht erfolgen könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über das Kostenersatzbegehren der Bundespolizeidirektion Wien folgendermaßen ab:

"Gemäß § 79a AVG hat der Einschreiter (Dr. W. R.) dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde Kosten in Höhe von S 2.800,-

- (zweitausendachthundert) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges aus, die Beschwerde sei "in weiterer Folge ... auch formell zurückgezogen" worden, zumal seitens S. kein Grund für eine Beschwerde vorgelegen habe. Die Person, der sie "offensichtlich" die Vollmachtsurkunde unterfertigt habe, hätte sich als Organ einer Behörde zu erkennen gegeben, das lediglich eine Bestätigung für die erfolgte Amtshandlung gebraucht hätte, und so wäre es zur Unterschriftsleistung gekommen. Gemäß § 79a Abs. 3 AVG stehe dem Rechtsträger der belangten Behörde Kostenersatz auch dann zu, wenn die Beschwerde im Zuge des Vorverfahrens nicht aufrecht erhalten werde. Die gegenständliche Beschwerdesache sei bereits im Stadium des fortgeschrittenen Vorverfahrens, sodass die Frage des Anspruches auf Kostenersatz nach der zitierten Bestimmung zu beurteilen und (zu ergänzen: der Kostenersatz) dem "vermeintlichen" Rechtsvertreter von S. aufzuerlegen gewesen sei, weil dieser im Sinn des § 76 Abs. 2 AVG die Kosten durch sein Einschreiten verursacht habe. Nach § 79a AVG hätten sich die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern bei der Entscheidung über den Kostenersatz an den Bestimmungen der Verordnung BGBl. Nr. 855/1995 zu orientierten und die in dieser Verordnung festgesetzten Pauschbeträge zuzusprechen. Demnach sei dem Rechtsträger der belangten Behörde der Ersatz der Kosten für den Schriftsatzaufwand in der Höhe von S 2.800,-- (Erstattung der Gegenschrift) zuzusprechen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, dass er zu Unrecht zur Leistung von Kostenersatz verpflichtet werde. Die belangte Behörde sei zu Unrecht von einer Zurückziehung der vom Beschwerdeführer namens von S. eingebrachten Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde ausgegangen und habe zu Unrecht Zweifel an der Bevollmächtigung des Beschwerdeführers durch S. gehegt. Sie habe ihrer durch § 10 Abs. 2 AVG auferlegten Verpflichtung zur amtswegigen Wahrnehmung und Aufklärung von Zweifeln über Inhalt und Umfang der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Bevollmächtigung und Beauftragung nicht genügt.

Der Beschwerdeführer verweist damit im Ergebnis zutreffend darauf, dass sich aus den Ausführungen der belangten Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für seine Verpflichtung zum Kostenersatz nicht ableiten lässt.

Die im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Bestimmungen des V. Teiles des AVG über Kosten des Verfahrens lauten auszugsweise (§ 76 Abs. 1 idF der Novellen BGBl. Nr. 471/1995, BGBl. I Nr. 158/1998 und BGBl. I Nr. 164/1999; § 79a idF der Novelle BGBl. Nr. 471/1995):

"Kosten der Beteiligten

§ 74. (1) Jeder Beteiligte hat die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten.

(2) Inwiefern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht, bestimmen die Verwaltungsvorschriften.

...

Kosten der Behörden

§ 75. (1) Sofern sich aus den §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt, sind die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen.

(2) Die Heranziehung der Beteiligten zu anderen als den in den §§ 76 bis 78 vorgesehenen Leistungen, unter welchem Titel immer, ist unzulässig.

...

§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen, ...

(2) Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

...

Kosten bei Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer

verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

§ 79a. (1) Die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

...

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat zurückgezogen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

..."

Die ErläutRV 130 BlgNR 19. GP 14 führen zur Neufassung des § 79a AVG unter anderem aus:

"§ 79a AVG sieht - ähnlich wie § 88 VerfGG 1953 - vor, dass die Partei, die obsiegt, den Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten ansprechen kann.

Trotz der erwähnten Anlehnung bei der Schaffung des § 79a an das Verfassungsgerichtshofgesetz ist der Verwaltungsgerichtshof - abweichend von manchen Entscheidungen der unabhängigen Verwaltungssenate - in seiner Judikatur (zB Erkenntnis vom 23. September 1991, 91/19/0162) davon ausgegangen, dass bei der Auslegung als 'ähnlichste Bestimmung' im Sinn der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes beim Vorliegen von echten Lücken die Kostenregelungen bezüglich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens heranzuziehen seien.

Um die solcherart entstandenen Auslegungsunsicherheiten zu reduzieren und eine für die Praxis einfachere Handhabung der Kostenbestimmungen zu erreichen, wird daher - ua. einem Vorschlag der unabhängigen Verwaltungssenate folgend - vorgesehen, dass für den Kostenersatz Pauschbeträge zu entrichten sind, die - wie im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof - durch Verordnung festzusetzen sind.

Die Regelung wurde im Wesentlichen den Kostentragungsbestimmungen im Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 angeglichen; im Hinblick darauf, dass bei der Maßnahmebeschwerde im Unterschied zur Bescheidbeschwerde eine Klaglosstellung nicht denkbar erscheint, wurde bei der Umschreibung, wann der Beschwerdeführer oder die belangte Behörde obsiegende Partei sind, diese Möglichkeit nicht berücksichtigt (das entsprechende Verwaltungsgeschehen, gegen das sich die Beschwerde richtet, kann nicht derart rückgängig gemacht werden, dass keine Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates erforderlich ist).

..."

Im Hinblick auf die zitierten Materialien ist bei der Beantwortung der Frage, ob ein allenfalls voll machtsloser Einschreiter Partei im Sinn des § 79a Abs. 1 AVG ist, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den - vergleichbaren - Kostentragungsbestimmungen für das verwaltungsgerichtliche Verfahren Bedacht zu nehmen.

Mangelt es dem Einschreiter für eine Partei an der erforderlichen Vollmacht, ist nach dieser Rechtsprechung die Beschwerde nicht der Partei, sondern dem Einschreiter zuzurechnen und dieser als Beschwerdeführer (Partei) anzusehen, sodass er auch kostenersatzrechtlich als Partei haftet (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 26. Jänner 1982, Zl. 11/0577/80 = Slg. Nr. 10.641/A, vom 11. Dezember 1990, Zl. 87/14/0020, vom 30. Juni 1994, Zl. 93/01/0546, sowie vom 22. Februar 1995, Zl. 93/01/1002, und etwa das hg. Erkenntnis vom 19. November 1996, Zlen. 95/08/0062 und 0063).

In Anwendung dieser für den Kostenersatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entwickelten Grundsätze käme daher eine Kostenersatzpflicht des Einschreiters und nunmehrigen Beschwerdeführers gemäß § 79a Abs. 1 AVG dann in Betracht, wenn die bei der belangten Behörde eingebrachte Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde mangels Bevollmächtigung durch S. ihm zurechenbar war. Demgegenüber würde eine wirksame Zurückziehung der Beschwerde durch S. voraussetzen, dass die Beschwerde S. zuzurechnen war; die angenommene Kostenersatzpflicht ihres Vertreters käme dann nicht in Frage.

Die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Bescheides - nach Darstellung des Verfahrensganges - von den Tatsachenannahmen aus, dass S. "offensichtlich eine Vollmachtsurkunde unterfertigt hat" und die Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde - durch S. - "auch formell zurückgezogen" wurde. Soweit die belangte Behörde daher vom Vorliegen einer schriftlichen Vollmacht ausgeht, indiziert dies vorerst eine Bevollmächtigung des Einschreiters und nunmehrigen Beschwerdeführers durch S. und widerspricht damit der Zurechenbarkeit der Beschwerde an ihn und seiner Kostenersatzpflicht. Gleichfalls widerspricht eine Zurückziehung der Beschwerde durch S. einer kostenersatzrechtlich relevanten Zurechnung der Beschwerde an den Einschreiter, weil eine solche Disposition über die Beschwerde durch S. nur dann möglich wäre, wenn schon die Beschwerde S. zurechenbar war.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 3. Dezember 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000010522.X00

Im RIS seit

21.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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