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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des Vereins O in Wien, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Mag. Wolfgang Steiner und Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Wasagasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. März 2000, Zl. II-166/99, betreffend Vorschreibung von Überwachungsgebühren gemäß § 5a Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer im August 1998 in P das von N geleitete "6-Tage-Spiel" veranstaltete. Nachdem es im Vorfeld der Veranstaltung zu Protesten und Drohungen gekommen war, wandten sich N mit Eingabe vom 15. Juli 1998 an den Bundesminister für Inneres mit dem Ersuchen, die Aufführung zu schützen.
Mit dem an "den Verein 'O' z.H. des Obmannes Rudolf S."
adressierten Bescheid vom 30. Juli 1998 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf für die Durchführung des 6- Tages-Spieles in der Zeit vom 3. August, 0.00 Uhr, bis 8. August 1998, 24.00 Uhr, in P, die Überwachung durch zwei Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf der Grundlage der §§ 27a und 48a des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) und des § 57 AVG an.
Mit an den "Verein O z.Hdn. des Obmannes Rudolf S."
adressiertem Kostenbescheid vom 17. November 1998 sprach die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf aus, sie habe mit Bescheid vom 30. Juli 1998 die Überwachung des 6-Tage-Spieles angeordnet. Dabei seien Kosten, Überwachungsgebühren gemäß § 1 Abs. 1 der Sicherheitsgebühren-Verordnung von zusammen (Schilling) 134.400,-- , entstanden, die "von Ihnen" zu tragen seien.
Gegen diesen Bescheid erhob der - rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführer Vorstellung und brachte vor, die Voraussetzungen nach § 5a Abs. 1 SPG lägen nicht vor.
Mit Erledigung vom 15. Dezember 1998, gerichtet an "Herrn Obmann Rudolf S. z. Hdn. RA Dr. Daniel Charim Wasagasse 4 1090 Wien" erfolgte die "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" mit folgendem wesentlichen Inhalt:
"Die Behörde stellt fest, dass gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf, in dem die Überwachung angeordnet wurde, kein Rechtsmittel ergriffen wurde. Die in Ihrer Vorstellung angeführten Beweise sind für die Festsetzung der Kosten nicht maßgeblich, weshalb auf die Beischaffung der Beweismittel von der Behörde verzichtet wird."
Mit dem an "Herrn Obmann Rudolf S. z.Hdn. RA Dr. Daniel Charim Wasagasse 4 1090 Wien" adressierten Bescheid vom 27. Jänner 1999 sprach die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf folgendermaßen ab:
"Die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf hat mit Bescheid vom 30.7.1998, Kennzeichen ... durch zwei Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Überwachung des 6-Tage-Spieles des O in der Zeit vom 3.8.1998, 0.00 Uhr bis 8.8.1998, 24.00 Uhr, in P, gemäß §§ 27a und 48a des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) angeordnet.
Dabei sind Kosten entstanden, die von Ihnen zu tragen sind.
Überwachungsgebühren gemäß § 1 (1) der Sicherheitsgebühren-Verordnung, BGBl. Nr. 389/1996 i.d. dtz. g. Fassung
...
zusammen:
134.000,--
Rechtsgrundlage:
...
Zahlungsfrist: ..."
Begründend führte die Erstbehörde im Wesentlichen aus:
"Gegen den Kostenbescheid ... vom 17.11.1998 ..., in dem die
Kosten für die mit Bescheid vom 30.7.1998 ... angeordnete
Überwachung des 6-Tages-Spieles des O in der Zeit vom 3.8.1998 ...
bis 8.8.1998 ... durch zwei Organe des öffentlichen
Sicherheitsdienstes rechtskräftig vorgeschrieben wurden, haben Sie rechtzeitig Vorstellung erhoben.
In Ihrer Vorstellung führen Sie aus, ...
Die Behörde stellt hiezu fest:
Gemäß § 5b Abs. 3 Sicherheitspolizeigesetz trifft die Verpflichtung zur Entrichtung von Überwachungsgebühren denjenigen, der das Vorhaben, dessen Überwachung bewilligt oder angeordnet wurde, durchführt. Die Anordnung der Überwachung, die mittels Bescheid erfolgte, ist in Rechtskraft erwachsen.
Gemäß § 5a Abs. 3 Sicherheitspolizeigesetz erfolgte die Festsetzung der Gebührensätze nach Maßgabe der der durchschnittlichen Aufwendungen; hiebei war das öffentliche Interesse an Vorhaben im Hinblick auf die Gesundheitsvorsorge zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierten Gesetzesstellen und errechnet sich aus der Dauer der durchgeführten Überwachung im angeführten Ausmaß."
Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl der Beschwerdeführer als auch Rudolf S. Berufung, in der - soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz - vorgebracht wurde, der Bescheid richte sich alleine gegen den Zweiteinschreiter, ohne dass erkennbar wäre, aus welchem Grund er für die Zahlung allenfalls geschuldeter Überwachungsgebühren zu haften hätte. Die Berufung namens des Ersteinschreiters (des Beschwerdeführers) werde demgemäß nur vorsichtshalber angesichts des Umstandes erhoben, dass sich der Kostenbescheid vom 17. November 1998 gegen den Beschwerdeführer gerichtet habe und die Vorstellung gegen diesen Bescheid von ihm erhoben worden sei.
Mit dem angefochtenen, an "den Vereine 'O' vertreten durch den Obmann Rudolf S. zHd. RA Dr. Daniel Charim" adressierten Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den Erstbescheid. Begründend führte sie zusammengefasst aus, die Berufung stütze sich im Wesentlichen auf die Aussage, dass die Voraussetzungen für die Einhebung (von Kosten für die Überwachung) nicht vorliegen würden, weil die Verpflichtung nicht den Veranstalter des 6-Tage-Spieles, sondern jene treffen würde, durch deren Verschulden die Überwachung verursacht worden wäre. Hiezu sei anzuführen, dass die Behörde sehr wohl die Überwachungsstunden, die nicht vom Veranstalter veranlasst worden seien, von jenen, die durch das Vorhaben des 6-Tage-Spieles veranlasst worden seien, getrennt habe. Insgesamt seien etwa 7000 Dienststunden angefallen, wovon "dem Berufungswerber" lediglich ein Betrag von S 134.400,-- für zwei Beamte für insgesamt 288 Dienststunden vorgeschrieben worden sei.
Die Erstbehörde sei zu Recht davon ausgegangen, dass es sich um ein Vorhaben gehandelt hätte, für das die Zuseher oder Besucher Entgelt zu entrichten gehabt hätten. Dies werde auch vor allem durch eine im Internet veröffentlichte Preisliste manifestiert. Die Einhebung eines Eintrittspreises in der dort angeführten Höhe müsse wohl als ein nicht nur unerhebliches Entgelt angesehen werden, womit die Voraussetzung für die Einhebung der Überwachungsgebühren nach § 5a Abs. 1 SPG gegeben sei. Mit der Auflage einer Preisliste werde dokumentiert, dass die Veranstaltung für jedermann, der den Eintrittspreis entrichte, offen stehe. Die Ermäßigung für Vereinsmitglieder könne in Anbetracht der Tätigkeitsdauer des Vereines nicht maßgeblich sein. Die vorgelegte Abrechnung des 6-Tage-Spieles, wonach Einnahmen von S 728.000,-- Ausgaben von fast S 2,9 Mio. gegenüberstünden, könne "den Berufungswerber" nicht von der Bezahlung der Überwachungsgebühren befreien.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 26. Juni 2000, B 842/00, abgetretene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer sieht eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vorweg darin, die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf habe mit Bescheid vom 27. Jänner 1999 Rudolf S. Gebühren für die Überwachung des 6-Tage-Spieles vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid hätten Rudolf S. und - aus prozessualer Vorsicht - auch der Beschwerdeführer als Veranstalter Berufung erhoben. Mit dem angefochtenen Bescheid habe die belangte Behörde nur über die Berufung des Beschwerdeführers entschieden und ihr keine Folge gegeben; die Berufung von Rudolf S. sei weiterhin unerledigt. Adressat des Erstbescheides sei - wie sich zweifelsfrei aus dessen Anschrift ergebe - nicht der Beschwerdeführer, sondern Rudolf S. gewesen. Auch aus seiner Bezeichnung als "Obmann" im Erstbescheid könne nicht geschlossen werden, dass sich dieser in Wahrheit gegen den Beschwerdeführer gerichtet habe. Solle nämlich Adressat eines Bescheides eine juristische Person sein, so sei ausschließlich diese und nicht ein Organ oder eine Dienststelle als Adressat zu bezeichnen. Da somit kein gegen den Beschwerdeführer gerichteter erstinstanzlicher Bescheid vorgelegen habe, habe die belangte Behörde zu Unrecht in der Sache selbst entschieden. Die Berufung des Beschwerdeführers wäre vielmehr - da ein gegen ihn gerichteter erstinstanzlicher Bescheid nicht vorgelegen habe - zurückzuweisen und über die Berufung von Rudolf S. in der Sache selbst zu entscheiden gewesen. Dadurch habe die belangte Behörde eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zugestanden sei.
Damit zeigt die Beschwerde zutreffend die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Da der Bescheid eine der Rechtskraft fähige, förmliche, hoheitliche Willensäußerung einer Behörde für den Einzelfall darstellt, hat er im Spruch die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Diese Bezeichnung hat bei der Bekanntgabe von Bescheiden, die schriftlich zu erteilen sind, grundsätzlich in der Weise zu geschehen, dass der Name der Person, an die sich der Bescheid richtet, im Bescheid angegeben wird. Denn in der bestehenden Rechtsordnung ist es der Name, durch den eine Person von den anderen unterschieden wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1991, Zl. 91/16/0014). Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. Mai 1992, Zl. 91/15/0085 = VwSlg 6675/F (mwN), ausführte, steht die unrichtige Anführung eines (prozessual) nicht rechtsfähigen Organs eines Rechtsträgers anstelle des Organträgers selbst als Adressat jedenfalls dann dem "richtigen Bescheidverständnis" nicht im Wege, wenn im konkreten Fall unter Berücksichtigung der objektiven Rechtslage und der Begründung des Bescheides bei der Betrachtung anders als bei Außerachtlassung dieser Elemente schon für die Betroffenen nicht mehr zweifelhaft sein kann, dass die Verwaltungsbehörde eine bescheidmäßige Erledigung gegenüber dem Rechtsträger selbst treffen wollte und getroffen hat. In einem solchen Fall kann nicht von einem (unzulässigen) "Umdeuten", sondern nur von einem (zulässigen und gebotenen) "Deuten" des bloß fehlerhaft bezeichneten Bescheidadressaten gesprochen werden, als dessen Ergebnis der vom Organ repräsentierte Rechtsträger als Bescheidadressat anzusehen ist. Die Voraussetzungen sind zusammenfassend, dass dem im Bescheid als Adressat Bezeichneten nur die Stellung eines (prozessual) nicht rechtsfähigen Organs eines Rechtsträgers zukommt, diesem gegenüber als Partei des Verfahrens nach der objektiven Rechtslage - sei es von Amts wegen oder auf Grund eines Anbringens - die bescheidmäßige Erledigung zu treffen ist, und dass aus dem Bescheid insgesamt - also auch unter Bedachtnahme auf seine Begründung - nicht auf einen davon abweichenden Bescheidwillen der Verwaltungsbehörde geschlossen werden kann, kurz gesagt, dass eindeutig und offenkundig bloß ein Fehler in der Bezeichnung des Bescheidadressaten, also ein Vergreifen im Ausdruck und damit eine berichtigungsfähige (wenn auch allenfalls noch nicht bescheidmäßig berichtigte) Unrichtigkeit gegeben ist (vgl. auch Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, RZ 411/1 mwN).
Mögen auch im vorliegenden Fall sowohl der Bescheid vom 30. Juli 1998 über die Anordnung der Überwachung als auch der Kostenbescheid vom 17. November 1998 an den Beschwerdeführer, zu Handen seines Obmannes, gerichtet gewesen sein, so konnte anhand des Erstbescheides vom 27. Jänner 1999, insbesondere in Anbetracht seiner allgemein gehaltenen Begründung und der vorher schon an den Obmann des Beschwerdeführers gerichteten Erledigung vom 15. Dezember 1998 (über die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme), nicht mehr in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise darauf geschlossen werden, dass die Erstbehörde ausschließlich gegenüber dem Beschwerdeführer - und nicht auch gegenüber Rudolf S. - eine bescheidförmige Erledigung treffen wollte, sodass unter Heranziehung der im zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes dargelegten Grundsätze eine Deutung des Bescheidadressaten "Obmann Rudolf S."
als fehlerhafte Bezeichnung des Beschwerdeführers schon deshalb nicht in Betracht kam.
Durch die meritorische Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers, der nicht Adressat des mit der Berufung bekämpften Bescheides war, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben war (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 582 und 585 wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 3. Dezember 2002
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Bescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche Erfordernisse Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Rechtmäßigkeit behördlicher ErledigungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000010340.X00Im RIS seit
21.03.2003