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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art5 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des S in Weißenhorn, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch MMag. Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunnerstraße 11/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. März 2001, Zl. uvs-2001/K10/014-2, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 25. Jänner 2001 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 19. Oktober 2000 als Lenker eines den Kennzeichen nach näher bestimmten Sattelzuges gegen 08.40 Uhr eine grenzüberschreitende Güterbeförderung von Deutschland kommend auf dem Streckenabschnitt B 179 bis Musau durchgeführt, und dabei entgegen der Bestimmung des Art. 5 Abs. 4 der EWG-Verordnung Nr. 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehreren Mitgliedstaaten keine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug mitgeführt bzw. den kontrollberechtigten Beamten vorgezeigt. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach Art. 5 Abs. 4 EWG-Verordnung Nr. 881/92 i.V.m. § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (vier Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Mit dem nunmehr angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 13. März 2001 wurde der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- auf S 10.000,-- (EUR 726,73) und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage herabgesetzt wurde. Weiters wurde ausgesprochen, dass im Hinblick auf § 44a Z. 1 VStG bei der als erwiesen angenommenen Tat der Teilsatz "bzw. den kontrollberechtigten Beamten vorgezeigt." zu entfallen hat, und dass nach dem Wort "Musau" folgender Klammerausdruck eingefügt wird: "(Kontrollplatz Musau)".
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es habe sich auf Grund der Anzeige der Zollwachabteilung Reutte/MÜG vom 19. Oktober 2000 und der Zeugenaussage des Dienst habenden Beamten ergeben, dass der Beschwerdeführer die Gemeinschaftslizenz nicht mitgeführt habe, weshalb auch der Spruch entsprechend zu korrigieren gewesen sei. Die Einvernahme des Zeugen H.D. zum Beweis dafür, dass dieser - ohne dem Beschwerdeführer davon Mitteilung zu machen - die Lizenz, die Tage vor dem Vorfall im Fahrzeug gelegen sei, aus diesem entfernt habe, habe deshalb entfallen können, weil es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen sei, sich vor Antritt der Fahrt zu überzeugen, dass sich die beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug befinde. Es sei nicht notwendig, im Spruch des Straferkenntnisses anzuführen, welche Fracht wohin befördert worden sei. Aus dem der Anzeige beigeschlossenen Ladeschein habe sich ergeben, dass es sich bei der Fracht um "Calciumsulfat - Fliessestrich Loseware" gehandelt habe. Dass im gegenständlichen Fall eine Gemeinschaftslizenz erforderlich gewesen sei, habe sich schon daraus ergeben, dass die fehlende Gemeinschaftslizenz mittels Fax nachgereicht worden sei. Da der Beschwerdeführer die an ihn gerichtete Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter trotz ordnungsgemäßer Zustellung nicht beantwortet habe, sei es daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde von den Angaben in der Anzeige ausgegangen sei. Es sei auch nicht erforderlich gewesen, eine Auskunft "der BAG" einzuholen, da diese zur Tatsache des Nichtmitführens der beglaubigten Abschrift der Gemeinschaftslizenz keine Angaben hätte machen können. Es sei jedoch § 20 VStG angewendet worden, weil die belangte Behörde davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer lediglich zu verantworten gehabt habe, dass er die beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug nicht mitgeführt habe. Es sei aber festgestanden, dass eine solche vorhanden gewesen sei, diese sei ja dann mittels Fax übermittelt worden.
§ 21 VStG habe jedoch im gegenständlichen Fall nicht angewendet werden können, weil von keinem geringfügigen Verschulden auszugehen gewesen sei.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (idF BGBl. Nr. 17/1998) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist. Als solche Vorschrift kommt im Beschwerdefall die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten, ABl Nr. L 095 vom 9. April 1992, S 1- 7, in Betracht. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Regelungen dieser Verordnung lauten wie folgt:
"Artikel 1
(1) Diese Verordnung gilt für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr auf den im Gebiet der Gemeinschaft zurückgelegten Wegstrecken.
-
..."
"Artikel 2
Im Sinne dieser Verordnung gelten als
-
'Fahrzeug': ein in einem Mitgliedstaat amtlich zugelassenes Kraftfahrzeug oder eine Fahrzeugkombination, bei der zumindest das Kraftfahrzeug in einem Mitgliedstaat amtlich zugelassen ist, sofern sie ausschließlich für die Güterbeförderung bestimmt sind;
-
'grenzüberschreitender Verkehr': Fahrten eines Fahrzeuges mit oder ohne Durchfahrt durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten oder ein oder mehrere Drittländer, bei denen sich der Ausgangspunkt und der Bestimmungsort in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten befinden,..."
"Artikel 5
(1) Die Gemeinschaftslizenz gemäß Artikel 3 wird von den zuständigen Behörden des Niederlassungsmitgliedstaates ausgestellt.
(2) Die Mitgliedstaaten händigen dem Inhaber das Original der Gemeinschaftslizenz, das von dem Transportunternehmen aufbewahrt wird, sowie so viele beglaubigte Abschriften aus, wie dem Inhaber der Gemeinschaftslizenz Fahrzeuge als volles Eigentum oder aufgrund eines anderen Rechts, insbesondere aus Ratenkauf-, Miet- oder Leasingvertrag, zur Verfügung stehen.
(3) Die Gemeinschaftslizenz muss dem Muster in Anhang I entsprechen. In diesem Anhang ist auch die Verwendung der Gemeinschaftslizenz geregelt.
(4) Die Gemeinschaftslizenz wird auf den Namen des Transportunternehmers ausgestellt. Sie darf von diesem nicht an Dritte übertragen werden. Eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz muss im Fahrzeug mitgeführt werden und ist den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzulegen."
2.2. Der Beschwerdeführer räumt ein, dass er die in Rede stehende Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr nicht mit sich geführt hat. Dennoch wendet er im Anschluss an diese Ausführung ein, dass nicht mit Sicherheit feststehe, dass die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung überhaupt tatbildmäßig gegeben sei. Dies deshalb, weil keine Feststellungen zu den von ihm transportierten Gütern getroffen worden seien, womit die Überprüfung der Tatbildmäßigkeit ausgeschlossen sei, zumal nicht alle Fahrten im grenzüberschreitenden Verkehr einer Gemeinschaftslizenz unterliegen würden, sondern Anhang II der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates diverse Beförderungen von allen die Gemeinschaftslizenz betreffenden Regelungen und sonstigen Genehmigungspflichten befreien würde. Dem ist entgegenzuhalten, dass der angefochtene Bescheid alle maßgeblichen Feststellungen bezüglich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung enthält. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer im Anhang II der zitierten Verordnung geregelten von allen die Gemeinschaftslizenz betreffenden Regelungen und sonstigen Genehmigungspflichten befreiten Beförderung sind weder aus dem Verwaltungsakt hervorgegangen, noch hat der Beschwerdeführer diesbezügliche Angaben gemacht. Die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den bekämpften Bescheid mit Blick auf den genannten Einwand nicht hinreichend begründet, erweist sich damit ebenso als verfehlt.
2.3. Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, dass ihn kein Verschulden treffe, weil er im gegenständlichen Fall davon ausgehen habe können, dass sich die Gemeinschaftslizenz weiterhin im Fahrzeug befinden würde. Er sei üblicherweise der alleinige Verfügungsberechtigte über das gegenständliche Fahrzeug gewesen und habe sogar noch vor Fahrtantritt mit seinem Arbeitgeber den Transportauftrag sowie die notwendigen Transportpapiere besprochen, ohne dass dieser ihn darauf hingewiesen habe, dass er die Gemeinschaftslizenz aus dem Fahrzeug entfernt habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass als derjenige, der die Gemeinschaftslizenz gemäß Art. 5 Abs. 4 letzter Satz leg. cit. mitzuführen und einem Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen hat, nur die Person in Frage kommen kann, die das Fahrzeug bei der Kontrolle tatsächlich lenkt. Im Beschwerdefall war dies unstrittig der Beschwerdeführer selbst. Entgegen seiner Meinung hätte er bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit das Nichtvorhandensein der Gemeinschaftslizenz im Fahrzeug erkennen müssen, muss doch von einem einen der in Rede stehenden Verordnung unterfallenden Transport im gewerblichen Güterkraftverkehr durchführenden Lenker verlangt werden, sich mit den einschlägigen Rechtsvorschriften vertraut zu machen und für deren Einhaltung Vorsorge zu treffen (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 20. März 2002, Zl. 2000/03/0139). Vor diesem Hintergrund ist die Rüge, die belangte Behörde sei dem Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen H.D., die für die Beantwortung der Frage wichtig gewesen wäre, ob und inwieweit die subjektive Tatseite erfüllt gewesen sei, nicht zielführend. Das Vorbringen, die belangte Behörde habe den Bescheid bezüglich der genannten Einwände nicht ausreichen begründet, geht ebenfalls fehl.
2.4. Wenn der Beschwerdeführer einen wesentlichen Mangel des angefochtenen Bescheides darin erblickt, dass die belangte Behörde nicht über den gesamten Berufungsantrag sondern lediglich ausgesprochen habe, dass die Geldstrafe in Höhe von ATS 20.000,-- auf ATS 10.000,-- herabgesetzt werde, so ist ihm zu entgegnen, dass dem Spruch des angefochtenen Bescheides zu entnehmen ist, dass gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. §§ 24, 51, 51c und 51e VStG der Berufung insoweit Folge gegeben wird, als die Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- auf S 10.000,-- (EUR 726,73), bei Uneinbringlichkeit 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt wird (Hervorhebung nicht im Original). Aus dieser Wendung geht unzweifelhaft hervor, dass der Berufung abgesehen von der Herabsetzung der Geldstrafe bzw. der Ersatzfreiheitsstrafe nicht Folge gegeben wird, sodass entgegen der Beschwerdebehauptung die gesamte Berufung erledigt wurde.
2.5. Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01 u.a., kundgemacht am 8. Februar 2002 im BGBl. I Nr. 37, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Der Verfassungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG weiters aus, dass diese Bestimmung "insofern nicht mehr anzuwenden" ist, "als sie sich auf die Z 8 bezieht". Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diese Bestimmung daher nicht mehr anzuwenden, sodass eine maßgebliche gesetzliche Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren weggefallen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/03/0002, mwN).
2.6. Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.7. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 11. Dezember 2002
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001030171.X00Im RIS seit
01.04.2003