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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art138 Abs1 litbLeitsatz
Vorliegen eines negativen Kompetenzkonfliktes bei Ablehnung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof und Zurückweisung mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit durch den Verwaltungsgerichtshof; Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in ein bestimmtes Land als unzulässig wegen bereits erfolgter Abschiebung; subjektives Recht auf Entscheidung über ein Refoulement-Verbot und Vorliegen eines Feststellungsinteresses auch nach Abschiebung; Widerspruch der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zum österreichischen RechtsschutzsystemSpruch
I. Dem Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe wird stattgegeben.
II. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Entscheidung über die Beschwerde des A T gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Juni 1997, Zl. SD 721/97, zuständig.
Der entgegenstehende Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1998, Zl. 97/18/0649, wird aufgehoben.
Der Bund (Verwaltungsgerichtshof) hat dem Antragsteller zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 27.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Juni 1997, Zl. SD 721/97, wurde die gegen den Beschwerdeführer gemäß §17 Abs1 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, von der Bundespolizeidirektion verfügte Ausweisung bestätigt und der Berufung keine Folge gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof; dieser lehnte die Behandlung der zu B1852/97 protokollierten Beschwerde mit Beschluß vom 27. November 1997 ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der Verwaltungsgerichtshof erklärte die Beschwerde mit Beschluß vom 30. April 1998, Zl. 97/18/0649, als gegenstandslos geworden und stellte das Verfahren mit der Begründung ein, daß der Beschwerdeführer nach Erlassung der Ausweisung nach Serbien zurückgekehrt sei und sich jedenfalls im Zeitpunkt der Ergänzung seiner Beschwerde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr in Österreich aufgehalten habe. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde sei daher ab dem Zeitpunkt der Ausreise des Fremden nur mehr abstrakt-theoretische Bedeutung zugekommen. Infolge des somit gegebenen nachträglichen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses sei die Beschwerde - ohne daß ein Fall der Klaglosstellung vorliege - als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen gewesen.
3. Mit seiner nunmehrigen Eingabe stellt der Einschreiter beim Verfassungsgerichtshof einen auf Art138 Abs1 litb B-VG (§46 Abs1 VerfGG 1953) gestützten Antrag auf Entscheidung eines (verneinenden) Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verwaltungsgerichtshof einerseits und dem Verfassungsgerichtshof andererseits.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat eine Äußerung erstattet, in welcher er mit näherer Begründung die Zurückweisung des Antrages begehrt.
II. Die Voraussetzungen für die
Gewährung der Verfahrenshilfe liegen vor; sie war deshalb zu gewähren.
III. Der Verfassungsgerichtshof
hat über den Antrag auf Entscheidung des behaupteten negativen Kompetenzkonfliktes erwogen:
1.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Äußerung den Standpunkt vertreten, daß er seine Zuständigkeit im vorliegenden Fall nicht abgelehnt habe. Er habe die Beschwerde nicht wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen, sondern wegen nachträglichen Wegfalles des Rechtschutzbedürfnisses als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein negativer Kompetenzkonflikt liege jedoch nur dann vor, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde gemäß §34 Abs1 VwGG wegen offenbarer Unzuständigkeit zurückweise, nicht aber, wenn seitens des Verwaltungsgerichtshofes gar keine Zurückweisung erfolge. Ob das Rechtschutzbedürfnis nach Beschwerdeerhebung weggefallen sei, habe der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art131 Abs1 Z1 B-VG in jedem Fall - im Rahmen seiner Zuständigkeit - zu prüfen. Eine solche Prüfung setze aber bereits die Bejahung der Zuständigkeit voraus.
1.2. Die hier zu lösenden Rechtsfragen sind - unabhängig davon, daß die Beschwerde als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt wurde - dieselben, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27.2.1997, KI-3/96 (VfSlg. 14769/1997), zugrundelagen. Es genügt somit hier, auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses - eine Ausfertigung desselben ist angeschlossen - zu verweisen, aus welchem sich auch für den vorliegenden Fall ergibt, daß ein negativer Kompetenzkonflikt tatsächlich vorliegt und weiters, daß der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes, die Beschwerde als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, nicht dem Gesetz entsprach, weil dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert wurde.
2. Es war daher einerseits auszusprechen, daß die Entscheidung über die Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Juni 1997, Zl. SD 721/97, in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes fällt; andererseits war dessen entgegenstehender Beschluß aufzuheben.
3. Der Kostenausspruch gründet sich auf §52 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von
S 4.500,-- enthalten.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Kompetenzkonflikt, Fremdenrecht, Rechtsschutz, Verwaltungsgerichtshof, Zuständigkeit Verwaltungsgerichtshof, Refoulement-VerbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:KI12.1998Dokumentnummer
JFT_10008984_98K0I012_00