TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/11 2001/03/0421

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Veröffentlicht am 11.12.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des J in Schwebheim, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Hermann Schöpf, Rechtsanwalt in 6500 Landeck, Malserstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 25. Oktober 2001, Zl. uvs-2000/7/060-10, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 31. März 2000 gegen 13.10 Uhr mit einem nach dem Kennzeichen bestimmten Lkw, der auf die Firma L GmbH in Freilassing zugelassen sei, auf der Reschenbundesstraße B 180 bei der Abzweigung im Bereich der Kajetansbrücke im Gemeindegebiet von Pfunds in Fahrtrichtung Norden, wobei er von Nauders kommend über die beabsichtigte Grenzaustrittsstelle Wolfurt unterwegs gewesen sei, eine Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich von Italien in die Schweiz im gewerbsmäßigen Güterbeförderungsverkehr durchgeführt, und dabei im Fahrzeuginneren weder einen Umweltdatenträger installiert gehabt, wodurch keine Ökopunkte abgebucht worden seien, und auch sonst keine ordnungsgemäß ausgefüllte Ökokarte mit aufgeklebten und entwerteten Ökopunkten mitgeführt bzw. auf Verlangen der Aufsichtsbehörde vorgelegt, obwohl es sich um eine ökopunktpflichtige Transitfahrt gehandelt habe und der Umweltdatenträger entsprechend zu installieren gewesen wäre bzw. eine ordnungsgemäß ausgefüllte Ökokarte mitgeführt hätte werden müssen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 iVm Art. 1 Abs. 1 lit. a und b sowie Art. 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 idF der Verordnungen (EG) Nr. 1524/96 und Nr. 609/2000 begangen, weshalb über ihn gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 iVm § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (iVm § 20 VStG) eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Tage) verhängt wurde.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich lediglich gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass in seinem Fall kein Schuldausschließungsgrund zum Tragen komme. Die Situation habe sich für ihn wie folgt dargestellt: Nach Anweisung des M. von der L GmbH habe er eine Fahrt durch Österreich durchzuführen gehabt. Seine Mitteilung, dass er keine Ökopunkte gehabt habe und sich deshalb weigern würde, durch Österreich zu fahren, und seine Bitte, die Ladung einem Kollegen zu geben, der Ökopunkte gehabt hätte, sei wie folgt beantwortet worden: "Wir haben keinen anderen, ich muss zum Laden fahren." In seiner finanziellen Not habe sich der Beschwerdeführer den Jobverlust nicht erlauben können. Deshalb habe er seinen Arbeitgeber H. bei der Firma J in München informiert und diese auch als Zeugen angeboten. H. habe erklärt, dass er dem Beschwerdeführer Ökopunkte nicht zukommen lasse, aber nochmals mit M. sprechen würde, damit er dem Beschwerdeführer eine andere Ladung gebe. Daraufhin sei ein Anruf vom Disponenten M. "mit zwingender Order" erfolgt: "Du lässt die Originalpapiere verschwinden und stellst einen 'A-Frachtbrief' aus von Italien zur Spedition D in Wolfurt." Sein Einwand, dass er dies nicht machen wolle und eine solche Vorgangsweise "nichts außer Ärger" bringen würde, sei von M. wie folgt beantwortet worden: "Überlass das uns, mach Dir keine Gedanken, wir regeln das schon. Wo bist du, du sollst schon längst beim Laden sein. Der Kunde hat angerufen, wo du bleibst ..... ." Die besagte Information des Beschwerdeführers an den Arbeitgeber und die Auskunft bzw. das Begehren seines Arbeitgebers, dass er so vorgehen solle, wie dies M. verlange, hätten dem Beschwerdeführer "überhaupt nichts" eingebracht. Es sei ihm daher "nichts anderes möglich" gewesen "als entweder auf der Stelle den Job zu verlieren oder diese Fahrt durchzuführen". Es sei nicht ganz verständlich, "unter diesem Druck dann einen Fahrer zu bestrafen anstatt gegen den Auftraggeber vorzugehen". In seinem Fall liege daher ein Schuldausschließungsgrund vor. Dies hätte die belangte Behörde insbesondere dann erkennen müssen, wenn sie die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise - die Einvernahme von ihm namhaft gemachter Zeugen sowie die Beischaffung des Akts der Staatsanwaltschaft München betreffend die Vorgangsweise des Disponenten M. - aufgenommen hätte. Man dürfe nicht übersehen, "in welchen Notständen und Einengungen sich gerade der moderne, immer mehr gestresste Mensch" befinde.

2.2. Gemäß § 6 VStG ist eine Tat (ua) nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt ist. Unter Notstand im Sinn dieser Bestimmung kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht. Es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1990, Zl. 89/03/0293). Wirtschaftliche Nachteile können nur dann Notstand begründen, wenn sie die Lebensmöglichkeiten selbst unmittelbar bedrohen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 92/18/0118). Das Vorliegen einer solchen Bedrohung lässt sich der Beschwerde aber nicht entnehmen. Nach den unbestrittenen Feststellungen besteht im Beschwerdefall kein Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer die von ihm gesetzte strafbare Handlung als solche zu erkennen vermochte. Damit stellt nach der hg. Rechtsprechung der besagte Auftrag seines Dienstgebers für sich alleine (worauf auch die belangte Behörde hingewiesen hat) keinen Schuldausschließungsgrund im Sinn des § 6 VStG dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0128). Mit seiner Befürchtung, dass er bei einem auftragswidrigen Verhalten seine Beschäftigung verloren hätte, tut der Beschwerdeführer ferner nicht dar, dass er dann der Gefahr einer seine Existenz unmittelbar bedrohenden wirtschaftlichen Schädigung ausgesetzt gewesen wäre, zumal der allgemein gehaltene nicht weiter substantiierte Hinweis auf seine "finanzielle Not" zur Begründung einer konkreten Notstandssituation nicht geeignet ist. Vor diesem Hintergrund erweist sich auch die Rüge, die belangte Behörde habe die vom Beschwerdeführer beantragten Beweise nicht aufgenommen, als nicht zielführend.

2.3. In seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, idF BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 8. Februar 2002 unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:

"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z 8 bezieht."

Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg. Nr. 9994/A), erweist sich der Ausspruch über die im Beschwerdefall gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 iVm § 20 VStG verhängte Strafe als inhaltlich rechtswidrig.

2.4. Von daher war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.5. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 11. Dezember 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001030421.X00

Im RIS seit

01.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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