TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/11 99/03/0337

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Veröffentlicht am 11.12.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §36 Abs3 litA idF 1996/411;
ASVG §5 Abs2 litc;
NotstandshilfeV §5 Abs2 idF 1996/240;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Gall, Dr. Bernegger und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde der C in Wien, vertreten durch Dr. Alexander Grohmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Laurenzerberg 2, dieser vertreten durch Mag. Christoff Beck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Laurenzerberg 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 2. April 1999, Zl. LGSW/Abt. 10- AlV/1218/56/1998-2362, betreffend rückwirkende Berichtigung der Bemessung und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien vom 13. November 1998 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin die Notstandshilfe vom 25. April 1994 bis 17. Mai 1998 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und gemäß § 38 i.V.m. § 25 Abs. 1 AlVG die unberechtigt empfangene Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 146.211,-- rückgefordert.

Zur Begründung heißt es, dass sich die rückwirkende Berichtigung des Leistungsbezuges aus der verspäteten Meldung des Einkommens, der Unterhaltszahlungen von S 3.000,-- vom geschiedenen Gatten, ergebe.

Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid bestätigt.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im Wesentlichen, die Beschwerdeführerin habe - ihrer Einvernahme am 11. Jänner 1999 folgend - immer beim Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste angegeben, dass sie einen Unterhalt bekommen würde. Auch hätte sie immer die Scheidungspapiere und die Vergleichsausfertigung, aus welcher hervorgehe, dass sie monatlich S 3.000,-- Unterhalt bekomme, vorgelegt. Die Beschwerdeführerin habe (aber) am 4. April 1994, am 5. April 1995, am 11. April 1996, am 16. April 1997 und am 9. April 1998 jeweils einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt, wobei sie jeweils auf die Frage "ich habe ein eigenes Einkommen" mit "nein" geantwortet habe. Dies obwohl sogar im Antragsformular angeführt werde, welche Art von Einkommen dem Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste anzugeben seien (z.B. Unterhaltsleistung). Die Beschwerdeführerin habe daher wissentlich falsche Angaben gemacht bzw. maßgebende Tatsachen dem Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste verschwiegen. Weiters befänden sich im Leistungsakt keine Kopien der Scheidungsurkunde bzw. der Vergleichsausfertigung. Unterhaltszahlungen seien ein anrechenbares Einkommen desjenigen, für den es geleistet werde. Die belangte Behörde sei daher der Ansicht, dass die Notstandshilfe vom 25. April 1994 bis 17. Mai 1998 zu berichtigen und der auf Grund dieser Berichtigung entstandene Differenzbetrag zurückzufordern gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG in Verbindung mit § 38 AlVG ist die Zuerkennung der Notstandshilfe zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn sie sich nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt.

Nach § 25 Abs. 1 AlVG in Verbindung mit § 38 AlVG ist bei Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger der Notstandshilfe zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine "offensichtliche Diskrepanz zwischen Spruch und Begründungsinhalt" des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde bestätige im Spruch des angefochtenen Bescheides einen "Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe vom 25.04.1994 bis 17.05.1998". Damit lege sie gerade eine von mehreren gesetzlich möglichen Sanktionen fest. Dem gegenüber habe der erstinstanzliche Bescheid nicht zwischen den vorgesehenen Sanktionen auf Widerruf bzw. rückwirkende Berichtigung der Bemessung unterschieden. In der Begründung des angefochtenen Bescheides werde jedoch nicht auf die im Spruch enthaltene Sanktion Bezug genommen: "Die Landesgeschäftsstelle kam auf Grund des o.a. Sachverhaltes zur Ansicht, dass die Notstandshilfe vom 25.04.1994 bis 17.05.1998 zu berichtigen und der auf Grund dieser Berichtigung entstandene Differenzbetrag zurückzufordern war".

Die Beschwerdeführerin ist damit (nur) insofern im Recht, als bei dem von der belangten Behörde übernommenen Spruchinhalt des erstinstanzlichen Bescheides davon die Rede ist, dass "der Bezug der Notstandshilfe ... widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" werde (also nicht nur der Widerruf angesprochen wird). Diese Spruchfassung kann nur bedeuten, dass der Spruch, für sich allein betrachtet, Zweifel an seinem Inhalt offen lässt, wobei in einem solchen Fall die beigegebene Begründung als Auslegungsbehelf herangezogen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 1976, Slg. Nr. 9.112/A). Aus dem derart zu ziehenden Zusammenhalt von Spruch und Begründung ist aber zweifelsfrei zu schließen, dass die Behörde über eine rückwirkende Berichtigung der Bemessung entschieden hat (und geht die Beschwerdeführerin ja selbst davon aus, dass die Schlussfolgerung in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf abstellt).

Die Beschwerdeführerin ist aber im Ergebnis im Recht, wenn sie geltend macht, die belangte Behörde habe den Freibetrag gemäß § 5 der Notstandshilfe-Verordnung nicht beachtet.

Die belangte Behörde hat undifferenziert für den ganzen Zeitraum vom 25. April 1994 bis 17. Mai 1998 die Bemessung der Notstandshilfe rückwirkend berichtigt. In diesen Zeitraum fällt - auch - der zeitliche Anwendungsbereich von § 36 Abs. 3 lit. A AlVG in der Fassung des SRÄG 1996, BGBl. Nr. 411. Danach ist in den vom zuständigen Bundesminister zu erlassenden Richtlinien für die Gewährung von Notstandshilfe u.a. vorzusehen, dass ein Einkommen, das den im § 5 Abs. 2 lit. c ASVG angeführten Betrag nicht übersteigt, von der Anrechnung auf die Notstandshilfe (im jeweiligen Folgemonat) auszunehmen ist. Nach § 5 Abs. 2 der zeitraumbezogen anzuwendenden Verordnung betreffend Richtlinien für die Gewährung der Notstandshilfe (Notstandshilfe-Verordnung), BGBl. Nr. 352/1973, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 240/1996, ist "ein Einkommen, das den im § 5 Abs. 2 lit. c ASVG angeführten Betrag nicht übersteigt, auf die Notstandshilfe nicht anzurechnen".

Der Ausschluss geringfügiger Einkommen von der Anrechnung auf die Notstandshilfe gilt nach dieser Rechtslage, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17. November 1999, Zl. 97/08/0153, ausgesprochen hat, nicht nur für Einkommen, die aus einer Beschäftigung erzielt werden.

Da die belangte Behörde den zeitraumbezogenen Anwendungsbereich des Ausschlusses geringfügiger Einkommen von der Anrechnung auf die Notstandshilfe nach der vordargestellten Rechtslage nicht beachtete (und das hier in Frage stehende Einkommen von S 3.000,-- unter der Geringfügigkeitsgrenze lag), vielmehr für den gesamten Zeitraum vom 25. April 1994 bis 17. Mai 1998 die Bemessung rückwirkend berichtigte, verkannte sie die Rechtslage.

Im Recht ist die Beschwerdeführerin jedoch auch, wenn sie unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften vorbringt, sie habe nicht einen unberechtigten Bezug von Notstandshilfe durch wissentlich unwahre Angaben herbeiführen können, weil sie alles offen gelegt habe und auf Grund des Verhaltens des Arbeitsmarktservice Wien davon ausgehen hätte müssen, ihren Antrag korrekt gestellt zu haben.

Die belangte Behörde geht - gestützt auf die Verneinung der in den jeweiligen Antragsformularen gestellten Frage nach einem eigenen Einkommen der Beschwerdeführerin - davon aus, dass sie die Tatsache der Unterhaltszahlungen von monatlich S 3.000,-- vom geschiedenen Gatten der regionalen Geschäftstelle des AMS bei Anlass der Antragstellung verschwiegen habe.

Wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegeben, hat sich die Beschwerdeführerin darauf berufen, sie hätte immer die Scheidungspapiere und die Vergleichsausfertigung, aus welcher hervorgehe, dass sie monatlich S 3.000,-- Unterhalt bekomme, vorgelegt. Dazu kommt, dass nach der Aktenlage mit dem Antrag vom 16. April 1997 ein von der Beschwerdeführerin und ihrem geschiedenen Gatten unterfertigtes Schreiben vorgelegt wurde, wonach letzterer der Beschwerdeführerin S 3.000,-- zu zahlen habe. Dem könnte es zwar als entgegenstehend gesehen werden, wenn die Beschwerdeführerin in der Niederschrift vom 25. April 1996 angibt, ihr geschiedener Gatte komme für sie nicht auf und sie nicht für ihn. Ein solcher Schluss auf einen Widerspruch zum vorgenannten Schreiben ist aber nicht zwingend, weil diese Angaben im Zusammenhang damit stehen, es bestünde keine Lebensgemeinschaft zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem geschiedenen Gatten.

Vor diesem Hintergrund kommt der Verfahrensrüge Wesentlichkeit zu, die belangte Behörde habe den Vermerk am ersten Antrag auf Notstandshilfe vom 4. April 1994, nämlich das Kürzel "ALI-Best", welches nach Meinung der Beschwerdeführerin - als "Alimente" - gerade auf die gegenständliche Unterhaltszahlung hinweise, sowie im Antrag auf Notstandshilfe vom 16. April 1997 den Vermerk "nachzubringen ist: Scheidungsdekret" und damit den Hinweis auf eine ausreichende Bekanntgabe der maßgebenden Tatsachen außer Acht gelassen.

Da die belangte Behörde es unterlassen hat, alle für die Lösung der Rechtsfrage relevanten Umstände zu erörtern und daraus den Denkgesetzen entsprechende Schlüsse zu ziehen und sie bei Unterbleiben dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, belastete sie insofern den angefochtene Bescheid auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Aus den oben dargestellten Gründen war jedoch der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 11. Dezember 2002

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999030337.X00

Im RIS seit

21.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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