TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/11 2002/12/0309

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Veröffentlicht am 11.12.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §68 Abs1;
BDG 1979 §10 Abs2;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §10 Abs4;
StGB §27 Abs1;
StGB §83 Abs1;
TilgG 1972 §6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des Ing. G in P, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Oktober 2002, Zl. 6235/269-II/4/02, betreffend Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Vorgeschichte auf das hg. Erkenntnis vom 13. März 2002, Zl. 2001/12/0093, verwiesen. Aus dem dort ausführlich geschilderten Gang des Verwaltungsverfahrens sei hier hervorgehoben, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Note vom 23. Februar 2001 vorgehalten hat, es sei zwischen ihm und (seiner Berufskollegin und Freundin) B Ende Februar 2000 erstmals zu Handgreiflichkeiten gekommen, im Zuge derer er seine Freundin durch Schläge und Fußtritte verletzt und somit den Tatbestand der Körperverletzung gesetzt habe. Auch habe er B bereits nach den ersten Misshandlungen mit den Worten "Wenn du mich anzeigst, sage es gleich, weil dann schlage ich dich krankenhausreif, damit es sich auszahlt!" gefährlich bedroht. Der Beschwerdeführer sei am 16. Jänner 2001 hiefür vom Landesgericht für Strafsachen Graz nach den §§ 83 Abs. 1 und 105 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen und zu einer teilbedingten Geldstrafe verurteilt worden.

Mit dem zur Beschwerdezahl 2001/12/0093 bekämpften im Instanzenzug im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. März 2001 kündigte diese das provisorische Dienstverhältnis des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 4 Z. 2 und 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (im Folgenden: BDG 1979), auf. In der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde fest, das in Rede stehende Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16. Jänner 2001 sei zwar infolge Berufungserhebung des Beschwerdeführers nicht rechtskräftig, dennoch gehe sie aus näher dargestellten Erwägungen von der Richtigkeit des in diesem Urteil enthaltenen Schuldvorwurfes aus.

Mit dem zitierten Erkenntnis vom 13. März 2002 wurde dieser Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil das damals noch nicht in Rechtskraft erwachsene Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien keine Bindungswirkung entfaltete und die Erwägungen der belangten Behörde zur Beweiswürdigung nicht ausreichend begründet waren.

Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Oktober 2002 wies diese die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Aufkündigungsbescheid des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark vom 12. September 2000 gemäß § 10 Abs. 2 und 4 sowie § 43 Abs. 2 BDG 1979 "idgF" mit der Maßgabe ab, dass das Dienstverhältnis mit Ablauf jenes Kalendermonates ende, in dem die Zustellung dieses Berufungsbescheides erfolge.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei seit 1. März 1999 provisorischer Beamter und der Schulungsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark zur Grundausbildung für Wachebeamte zugewiesen gewesen. Dort habe er B, die zum damaligen Zeitpunkt seine Kurskollegin und ebenfalls Aspirantin in der Schulungsabteilung gewesen sei, kennen gelernt. Es habe sich hieraus eine Beziehung entwickelt, in deren Rahmen es immer wieder zu Zwistigkeiten gekommen sei. Erstmals Ende Februar 2000 sei es zwischen dem Beschwerdeführer und B zu Handgreiflichkeiten gekommen, im Zuge derer der Beschwerdeführer B durch Schläge gegen Gesicht, Arme und Oberkörper sowie Versetzen eines Kopfstoßes verletzt habe. Am 17. März 2000 habe der Beschwerdeführer B durch Versetzten von Faustschlägen gegen Gesicht und Oberkörper verletzt. In der Nacht zum 12. Juni 2000 habe er B Schläge mit einer Metalltaschenlampe auf den Kopf versetzt und ihren Kopf auf den Boden aufgeschlagen, wodurch B Verletzungen erlitten habe. In der Nacht zum 7. Juli 2000 habe der Beschwerdeführer B in den Unterkunftsräumlichkeiten des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark Fußtritte gegen den Unterkörper und die Oberschenkel versetzt, wodurch B zu Sturz gekommen sei und Verletzungen erlitten habe.

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16. Jänner 2001 gemäß § 83 Abs. 1 und § 105 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt worden, von der ein Teil im Ausmaß von 80 Tagessätzen bedingt nachgesehen worden sei. Gegen dieses Urteil habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 20. Juni 2001 sei diesem Urteil lediglich in der Straffrage Folge gegeben worden, indem die Anzahl der Tagessätze auf 180 herabgesetzt worden sei, von denen ein Teil von 60 Tagessätzen bedingt nachgesehen worden sei. Das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz sei seit 28. August 2001 rechtskräftig.

Sodann legte die belangte Behörde dar, aus welchen Erwägungen sie - ebenso wie die Strafgerichte - die festgestellten Tathandlungen als erwiesen ansah. In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Tathandlungen erfüllten den Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979, wobei erschwerend hinzu komme, dass die in der Nacht zum 7. Juli 2000 begangenen Tathandlungen in Unterkunftsräumlichkeiten des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark gesetzt worden seien, womit auch gegen behördeninterne Vorschriften verstoßen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Unterbleiben einer Aufkündigung seines provisorischen Dienstverhältnisses in Ermangelung eines Kündigungsgrundes gemäß § 10 Abs. 4 BDG 1979 verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 10 Abs. 1, 2 und 4 Z. 4 sowie § 43 Abs. 2 BDG 1979 in der Stammfassung der wiedergegebenen Bestimmungen nach dem BGBl. Nr. 333/1979 lauten:

"Provisorisches Dienstverhältnis

§ 10. (1) Das Dienstverhältnis ist zunächst provisorisch.

(2) Das provisorische Dienstverhältnis kann mit Bescheid gekündigt werden. ...

...

(4) Kündigungsgründe sind insbesondere:

...

4. pflichtwidriges Verhalten,

...

§ 43. ...

(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolgt die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im Allgemein, wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Es ist demnach die Zweckbestimmung des der Definitivstellung des öffentlichrechtlichen Bediensteten vorgeschalteten provisorischen Dienstverhältnisses, den Beamtennachwuchs nochmals in der Weise prüfen zu können, dass alle sich nicht voll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2001, Zl. 98/12/0049).

Ausgehend von diesem Gesetzeszweck der Aufkündigung des provisorischen Dienstverhältnisses erweist sich der unter einem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erhobene Einwand des Beschwerdeführers, die über ihn verhängte Geldstrafe sei weder ihrer Art, noch ihrer Schwere nach mit jener Strafe vergleichbar, die gemäß § 27 Abs. 1 StGB die Rechtsfolge des Amtsverlustes nach sich ziehe, als ungeeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Für die Frage, ob ein provisorisches Dienstverhältnis gemäß § 10 Abs. 2 und 4 BDG 1979 aufzukündigen ist, ist der oben aufgezeigte Gesichtspunkt der nicht vollständigen Bewährung provisorischer Amtsträger maßgebend. Damit verfolgt § 10 Abs. 2 und 4 BDG 1979 einen ganz anderen Gesetzeszweck als die in § 27 Abs. 1 StGB für alle Beamten vorgesehene Rechtsfolge (vgl. im Übrigen die für das Verhältnis zwischen der in § 27 Abs. 1 StGB vorgesehenen Rechtsfolge und disziplinarrechtlichen Sanktionen vergleichbaren Aussagen im hg. Erkenntnis vom 4. November 1992, Zl. 91/09/0166).

Der Beschwerdeführer vertritt weiters die Auffassung, die über ihn verhängte Strafe liege unterhalb der Grenze des § 6 Abs. 2 Z. 1 des Tilgungsgesetzes, BGBl. Nr. 68/1972, weshalb sie einer beschränkten Auskunftspflicht nach § 6 Abs. 1 leg. cit. unterliege, sodass die belangte Behörde nicht berechtigt gewesen sei, die der Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten zu verwerten. Dem ist das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/12/0104, entgegen zu halten, wonach der Umstand, dass eine Verurteilung einer beschränkten Auskunftspflicht im Sinne des § 6 des Tilgungsgesetzes unterliege, mangels entsprechender Anordnung des Gesetzes nicht zur Folge hat, dass der öffentlich-rechtliche Dienstgeber auf die ihm bekannt gewordene Verurteilung nicht Bedacht nehmen dürfte.

Schließlich vermag der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde auch nicht entgegen zu treten, wenn sie ausgehend von den von ihr festgestellten Tathandlungen von der Verwirklichung des Kündigungsgrundes des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 ausging (vgl. zur Aufkündigung provisorischer öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse aus Anlass von Verstößen gegen § 83 Abs. 1 StGB die hg. Erkenntnisse vom 18. März 1992, Zl. 87/12/0085, und vom 29. Juni 1994, Zl. 94/12/0125).

Wenn der Beschwerdeführer schließlich unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften jene Ausführungen der belangten Behörde als unschlüssig bzw. als aktenwidrig rügt, mit welchen dargetan werden soll, dass die den Urteilen der Strafgerichte zu Grunde liegende Beweiswürdigung zutreffend sei, ist ihm entgegen zu halten, dass es diesem gerügten Verfahrensmangel an Relevanz fehlt. Rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen entfalten im Kündigungsverfahren nämlich Bindungswirkung. Ausgehend davon hatte die Dienstbehörde daher nicht mehr zu prüfen, ob der Beschwerdeführer die ihm vom Gericht angelasteten Tathandlungen begangen hat, sondern lediglich, ob die der Verurteilung zu Grunde liegenden Taten ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 darstellten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 98/12/0069).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 11. Dezember 2002

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002120309.X00

Im RIS seit

29.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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