TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/12 2002/07/0113

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Veröffentlicht am 12.12.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der K AG in A, vertreten durch Ing. Dr. Karl Ossana, Rechtsanwalt in 2103 Langenzersdorf, Korneuburger Straße 3, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. Juni 2002, Zl. FA10A-LAS 16 Ta 2/5 - 02, betreffend Weidenutzung (mitbeteiligte Partei: R in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der im Eigentum der mitbeteiligten Partei (mP) stehenden Liegenschaft EZ 117, GB 63106 L, ist auf Grund des Regulierungsvergleiches 1258 vom 31. Dezember 1869 das Vor- und Nachweiderecht für zwölf Kühe, sieben Galtrinder und drei Kälber sowie zwei alte und zwei junge Schweine samt Nebenrechten (Hütte, Holzbezug etc.) auf der im Eigentum der beschwerdeführenden Partei stehenden Schwarzenbachalm (Teil des Grundstückes Nr. 603/32 der KG L) verbunden.

Am 24. Juni 1988 beantragte der Rechtsvorgänger der mP als auf der Schwarzenbachalm Weideberechtigter bei der Agrarbezirksbehörde Stainach (ABB), in einem Sicherungsverfahren die Möglichkeit zu prüfen, ob von Seiten der verpflichteten Partei (damals Hohenberg'sche Forstverwaltung Eisenerz als Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Partei) ein Weideersatz (Verlegung der Almweiderechte etc.) möglich sei, da die Bestoßung der Schwarzenbachalm infolge der schlechten Futterbasis nicht ausübbar sei.

Die Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Partei lehnte dies ab.

Mit Eingabe vom 1. Juni 1989 beantragte der Rechtsvorgänger der mP bei der ABB die Neuregulierung der Vor- und Nachweiderechte.

Die ABB führte am 24. Oktober 1989 eine mündliche Verhandlung durch, deren Gegenstand laut Verhandlungsschrift ein Sicherungsverfahren bezüglich der Almrechte aus dem Regulierungsvergleich Nr. 1258/1869 auf der Schwarzenbachalm war. In der Verhandlungsschrift heißt es, von der verpflichteten Partei werde dem Antrag, im belasteten Gebiet durch Umwandlung von Wald in Weide Reinweideflächen zu schaffen, zugestimmt. Hiezu werde außer Streit gestellt, dass sich die künftige Weidezeit grundsätzlich von 15. Mai bis 15. September erstrecken solle (Vorverlegung der Nachweidezeit anschließend an die Vorweidezeit). Nach der Regulierungsurkunde stünde dem Berechtigten auf der Schwarzenbachalm das Vor- und Nachweiderecht für 12 Kühe, 7 Galtrinder, 3 Kälber, 2 alte und 2 junge Schweine zu. Die Weidezeit sei als Vorweide vom 15. Mai bis Ende Juni und als Nachweide vom 8. September bis Mitte Oktober festgesetzt. Somit ergäben sich insgesamt umgerechnet 18,68 urkundliche Kuheinheiten zu 85 Weidetagen bei einem Gewicht von 420 kg. Dies entspreche einem Weiderechtsumfang von 10,75 KE zu 124 Weidetagen bei einem Gewicht von 500 kg (15. Mai bis 15. September).

Bei einer von der ABB am 26. Juli 1994 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde zwischen der Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Partei und der mP ein befristetes Übereinkommen über die Ausübung der Weiderechte abgeschlossen. Dieses Übereinkommen sah die provisorische Verlegung der Weiderechte von der Schwarzenbachalm auf die Katzlalm (Teil der Schloßwilzingalm) vor. Die Dauer des Provisoriums wurde mit 31. Dezember 1999 vereinbart. Als Beginn der Weide wurde "nach Futterangebot", als Ende der 15. September eines jeden Jahres vereinbart.

Dieses Übereinkommen wurde mit Bescheid der ABB vom 30. Jänner 1995 genehmigt und mit Bescheid derselben Behörde vom 13. April 1999 bis 31. Dezember 2000 verlängert.

Die beschwerdeführende Partei teilte nach dem Erwerb der mit dem Weiderecht belasteten Liegenschaften der mP mit, dass sie an einer weiteren Verlängerung des Provisoriums nicht interessiert sei.

Am 19. Juni 2000 stellte die mP bei der ABB einen Antrag auf Neuordnung ihrer Weiderechte auf der Schwarzenbachalm.

Am 23. August 2000 führte die ABB eine mündliche Verhandlung zum Thema "Sicherung der Vor- und Nachweiderechte aus dem Regulierungsvergleich 1258/1880 auf der Schwarzenbachalm" durch.

In der Niederschrift über diese Verhandlung ist als "Stellungnahme des Vertreters der berechtigten Partei" (berechtigte Partei ist die mP) Folgendes festgehalten:

"Wir sind weiterhin bestrebt, die Neuregulierung unserer Weiderechte im Bereich der Katzlalm zu realisieren, so wie dies von der verpflichteten Partei wie auch von behördlicher Seite seit 1995 angestrebt wurde. Dieses Provisorium verursachte, da wir im Vertrauen auf die bisherigen Absprachen und Verhandlungsergebnisse bereits Investitionen von insgesamt S 162.280,-- in die Neuregulierung der Katzlalm getätigt haben, erhebliche finanzielle Belastungen. Überdies sind öffentliche Mittel in dieses Projekt geflossen.

Da die verpflichtete Partei nunmehr das Provisorium aufgekündigt bzw. zu einer Verlängerung nicht bereit war und in der Zwischenzeit auch keine agrarbehördlichen Schritte zur Neuregulierung der Weide gesetzt wurden, steht unser Betrieb vor einer schwerwiegenden weidewirtschaftlichen Situation. Aus diesem Grunde beantragen wir, dass die Agrarbehörde bis 31.12.2000 nach § 58 StELG verfügen möge, dass wir bis zum Abschluss des schon 1989 beantragten Neuregulierungsverfahrens berechtigt bleiben, die Weide weiterhin provisorisch auf der Katzlalm auszuüben. Einer allenfalls dagegen eingebrachten Berufung möge die aufschiebende Wirkung aberkannt werden. Begründet wird dieser Antrag damit, dass mit einem baldigen Abschluss des Neuregulierungsverfahrens bis 31.12.2000 nicht zu rechnen ist und dass wichtige wirtschaftliche Gründe (bereits getätigte Investitionen, drohender Viehabverkauf, Weideentfall, eventuell Förderungsrückzahlungen) vorliegen.

Die Behörde wird gebeten, zwischenzeitlich den Neuregulierungsantrag zügig weiterzuverhandeln. Unsererseits - soweit eine Waldweidetrennung auf dem urkundlichen Gebiet der Schwarzenbachalm nicht möglich ist - ist eine Neuregulierung in der "Wandau" oder auf anderen weidetauglichen Gründen im Besitz der verpflichteten Partei auf Grundlage der einforstungsrechtlichen Bestimmungen denkbar."

Mit Bescheid vom 19. September 2000 leitete die ABB das Einforstungsverfahren ein.

Im Zuge dieses Verfahrens holte die ABB ein Gutachten zweier Sachverständiger zur Frage der Ausübbarkeit der Weiderechte auf der Schwarzenbachalm ein.

In ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten brachte die mP u. a. vor, sie habe schon am 1. Juni 1989 den Antrag auf Umwandlung ihres Vor- und Nachweiderechtes in ein Dauerweiderecht vom 15. Mai bis 15. September gestellt und gleichzeitig eine Wald-Weide-Trennung beantragt. Es werde dieser Antrag vom 1. Juni 1989 in Erinnerung gerufen und gebeten, so rasch wie möglich eine teilweise oder gänzliche Wald-Weide-Trennung der Weiderechte auf hiezu geeigneten Weideflächen im Besitz des Verpflichteten durchzuführen. In Anbetracht des von der mP auf der Katzlalm getätigten Investitionsaufwandes und auf Grund der Tatsache, dass die mP kein Verschulden an der Verzögerung des Neuregulierungsverfahrens treffe und dass mit einem Abschluss des Neuregulierungsverfahrens bis 31. Dezember 2000 nicht zu rechnen sei, werde beantragt, die ABB möge als Übergangsregelung gemäß § 58 StELG die provisorische Weiterbeweidung der Katzlalm durch die mP bis zum Abschluss des Neuregulierungsverfahrens verfügen.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2000 wies die ABB den Antrag der mP vom 23. August 2000, das mit Bescheid der ABB vom 30. Jänner 1995 genehmigte Übereinkommen betreffend die provisorische Ausübung der Almweiderechte aus dem Regulierungsvergleich Nr. 1258/1869 auf der Schloßwilzingalm ab sofort auf unbestimmte Zeit zumindest bis zum Abschluss des beantragten Neuregulierungsverfahrens betreffend die Schwarzenbachalm zu verlängern, gemäß §§ 12, 14 Abs. 1 und 2, 24 Abs. 1 und 58 StELG ab.

In der Begründung wird ausgeführt, durch die Verlegung der Weidezeit der Vorweide (15. Mai bis Ende Juni) und der Nachweide (8. September bis 15. Oktober) in die Hauptvegetationszeit (Hauptweidezeit "Beginn Futterangebot - 15.9.") werde das urkundliche Vor- und Nachweiderecht wesentlich zu Gunsten der mP ausgeweitet, da einerseits die Weideausübungsunsicherheit am urkundlichen Beginn der Vorweide- und am urkundlichen Ende der Nachweidezeit wegfalle (Verbesserung der Ausübbarkeit) und andererseits in der Hauptvegetationszeit pro Zeiteinheit mit einem wesentlich besseren Futterangebot gerechnet werden könne. Bei zwangsweiser Verlängerung des Provisoriums würde somit klar gegen die Bestimmung des § 14 Abs. 3 StELG verstoßen, wonach eine Schmälerung oder Erweiterung der urkundlichen Rechte in einem Regulierungsverfahren nicht eintreten dürfe. Dass für zwangsweise Übergangsverfügungen nach § 58 leg. cit. diese Regelung ebenfalls anzuwenden sei, ergebe sich aus deren provisorischem Charakter. Hiezu komme, dass nach § 24 Abs. 1 StELG nur bisher nicht belastete Grundstücke des Verpflichteten ohne Zustimmung des Verpflichteten zur Erzielung der Trennung von Wald und Weide herangezogen werden könnten. Der der mP zugewiesene Weideort auf der Schloßwilzingalm im Teilgebiet Katzlalm sei aber zweifelsfrei bereits mit den Einforstungsrechten zu Gunsten der Liegenschaften EZ 196 (L) und EZ 371 (P) der KG L belastet, weshalb eine zwangsweise Einbeziehung dieser Flächen in ein Verfahren zur Trennung von Wald und Weide nicht zulässig erscheine und daher auch keine zwangsweise provisorische Regelung hiefür möglich sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die mP Berufung.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 26. Juni 2002 gab die belangte Behörde der Berufung der mP insofern Folge, "als gem. § 58 Abs. 1 des Stmk. Einforstungs-Landesgesetzes verfügt wird, dass bis zum Abschluss des Neuregulierungsverfahrens auf der Schwarzenbachalm für die Ausübung des Weiderechtes auf der Schwarzenbachalm Nachfolgendes gilt:

"Gemäß der Übereinkunft der Parteien in der Verhandlung am 24.10.1989, GZ.: 4 T 1/5-89, wird die Nachweidezeit anschließend an die Vorweidezeit vorverlegt und erstreckt sich somit die Weidezeit grundsätzlich vom 15. Mai bis 15. September. Der Weiderechtsumfang wird vorläufig mit 10,75 KE zu 124 Weidetagen bei einem Gewicht von 500 kg (15. Mai bis 15. September) bestimmt."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mP hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und

beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die belangte Behörde habe sich mit ihrer Entscheidung nicht an die "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG gehalten.

Bereits mit diesem Vorbringen ist die beschwerdeführende Partei im Recht.

Nach § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde (sofern nicht die Berufung als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist oder ein Fall des § 66 Abs. 2 leg. cit. vorliegt) immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und dem gemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Berufungsbehörde darf ihre Entscheidungsbefugnis nach § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG nur im Rahmen der "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG ausüben. "Sache" in diesem Sinn ist (sofern dem Berufungswerber nicht nur ein eingeschränktes Mitspracherecht zukommt) die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat, im Fall einer eingeschränkten Berufung der vom Rechtsmittel erfasste Teil des Bescheides, wenn dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennbar ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (verst. Senat) vom 28. November 1983, 82/11/0270, VwSlg. NF 11.237/A).

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid der ABB vom 22. Dezember 2000 wurde der Antrag der mP vom 23. August 2000, das mit Bescheid der ABB vom 30. Jänner 1995 genehmigte Übereinkommen betreffend die provisorische Ausübung der Almweiderechte aus dem Regulierungsvergleich Nr. 1258/1869 auf der Schloßwilzingalm zu verlängern, abgewiesen. Gegenstand dieses Bescheides ist demnach die (provisorische) Ausübung der Weiderechte auf der Schloßwilzingalm.

Dem gegenüber regelt der angefochtene Bescheid in Form eines (anders lautenden) Provisoriums die Ausübung der Weiderechte auf der Schwarzenbachalm.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde und der mP hat die belangte Behörde damit aber die "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG, die durch den Parteienantrag und die Entscheidung der Erstbehörde bestimmt war (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Mai 1989, 89/03/0019), überschritten, da der angefochtene Bescheid eine Angelegenheit, nämlich eine provisorische Ausübung des Weiderechts auf der Schwarzenbachalm, betrifft, die nicht Gegenstand des Antrages des mP und Entscheidung der Erstbehörde war. Der Antrag der mP und die Entscheidung der Erstbehörde bezogen sich nämlich auf die Verlängerung des Provisoriums auf der Schloßwilzingalm.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 12. Dezember 2002

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002070113.X00

Im RIS seit

03.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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