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DE-41 Innere Angelegenheiten Deutschland;Norm
AsylG 1997 §15 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Juli 2002, Zl. 218.241/0-VII/43/00, betreffend § 5 Abs. 1 AsylG (mitbeteiligte Partei: FM in St. K, geboren 1972, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Dem Mitbeteiligten, einem iranischen Staatsangehörigen, wurde am 1. Juni 1999 von der französischen Botschaft in Teheran ein bis 1. Juli 1999 gültiges Visum ausgestellt. Er reiste Ende Juni 1999 - nach seinen Angaben in der Stellungnahme vom 26. Juni 2000:
nachdem er aufgrund des erwähnten Visums in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, von dort kommend - in das österreichische Bundesgebiet ein und beantragte (nach der Aktenlage:) am 29. Juni 1999 die Gewährung von Asyl. Mit Schreiben vom 26. November 1999 stellte das Bundesasylamt an Frankreich ein Übernahmeersuchen nach Art. 11 Abs. 1 iVm Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags, BGBl. III Nr. 165/1997 (Dubliner Übereinkommen - DÜ). Mit Note vom 3. Dezember 1999 stimmte Frankreich diesem Ersuchen unter Anerkennung seiner Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages des Mitbeteiligten aufgrund des Art. 5 Abs. 2 DÜ zu. Nachdem der Mitbeteiligte diesen Asylantrag mit Schreiben vom 26. Jänner 2000 zurückgezogen hatte, wurde er mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 22. Februar 2000 einerseits gemäß § 33 Abs. 1 FrG wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes ausgewiesen und es wurde ihm andererseits gemäß § 56 Abs. 2 FrG für die Dauer eines - damals anhängigen - Auswanderungsverfahrens in die USA, längstens jedoch bis 30. Juni 2000, ein Abschiebungsaufschub gewährt.
In der Folge brachte der Mitbeteiligte am 2. Mai 2000 einen weiteren - allerdings in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthaltenen - Asylantrag ein, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Juli 2000 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen wurde. Unter einem wurde ausgesprochen, dass für die Prüfung dieses Asylantrages gemäß Art. 5 Abs. 2 DÜ Frankreich zuständig sei und dass der Mitbeteiligte aus dem Bundesgebiet nach Frankreich ausgewiesen werde.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Juli 2002 gemäß § 32 Abs. 2 AsylG Folge, behob den erstinstanzlichen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung des Bescheides an das Bundesasylamt zurück. Rechtlich führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 5 AsylG aus, die völkervertraglich geregelte Zuständigkeit eines anderen Staates sei als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens sei somit (nur) die Zurückweisung des Asylantrages wegen vertraglicher Zuständigkeit eines anderen Staates. Der einzig derzeit existente Vertrag, auf den sich § 5 AsylG beziehen könne, sei das Dubliner Übereinkommen. Sowohl Österreich als auch Frankreich seien Vertragsparteien dieses Übereinkommens. Besitze der Asylwerber eine gültige Aufenthaltserlaubnis, so sei der Mitgliedstaat, der die Aufenthaltserlaubnis erteilt habe, für die Prüfung eines Asylantrages gemäß Art. 5 Abs. 1 DÜ zuständig. Nach Wiedergabe der Legaldefinition der "Aufenthaltserlaubnis" in Art. 1 Abs. 1 lit. e DÜ schloss sich die belangte Behörde unter Zitierung eigener Rechtsprechung und der Meinung von Löper (in Zeitschrift für Ausländerrecht I/2000, 16 (20)) der dort vertretenen Meinung an, dass das Rechtsinstitut der Duldung nach den §§ 55, 56 deutsches Ausländergesetz (dAuslG) unter den Begriff "Aufenthaltserlaubnis" im Sinne des Dubliner Übereinkommens falle. Da die Duldung dem Abschiebungsaufschub gemäß § 56 Abs. 2 FrG "offensichtlich" entspreche, gehe die belangte Behörde daher davon aus, dass es sich auch bei dem dem Mitbeteiligten in Österreich gewährten Abschiebungsaufschub, mit dem ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet bis zum Abschluss des Auswanderungsverfahrens ermöglicht werden sollte, um eine "Aufenthaltserlaubnis" im Sinne des Dubliner Übereinkommens handle. Es bestehe sohin "kein Zweifel", dass Österreich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der beschwerdeführende Bundesminister wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Gleichstellung der Duldung nach den §§ 55, 56 dAuslG mit dem österreichischen Abschiebungsaufschub nach § 56 Abs. 2 FrG und gegen die daraus gezogene Schlussfolgerung, auch dieser sei eine "Aufenthaltserlaubnis" im Sinne des Dubliner Übereinkommens. Nach Darstellung der an die beiden Rechtsinstitute geknüpften Rechtsfolgen gesteht der Beschwerdeführer zu, sie "gleichen einander sehr stark, sind in ihrer praktischen Anwendung jedoch unterschiedlich geartet". Dazu verweist er einerseits darauf, dass die Duldung - anders als der Abschiebungsaufschub - "die Grundlage arbeits- und sozialrechtlicher Vergünstigungen oder Ansprüche" bilden könne, wie etwa für die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit oder für Ansprüche auf Sozialleistungen. Andererseits werde die Duldung "in einem viel breiteren Rahmen angewandt" als der Abschiebungsaufschub, so sei etwa "der Aufenthalt von bosnischen Staatsangehörigen während des Bosnienkonfliktes in Jugoslawien mit einer Duldung geregelt" worden, während diesem Personenkreis in Österreich per Verordnung ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Zusammenfassend vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, ein Abschiebungsaufschub gemäß § 56 Abs. 2 FrG könne nicht als "Aufenthaltserlaubnis" im Sinne des Dubliner Übereinkommens betrachtet werden und es könnten mit dessen Erteilung "keine wie immer gearteten Verpflichtungen für Österreich entstehen".
Dieser zuletzt wiedergegebenen Rechtsauffassung ist im Ergebnis zu folgen:
Ein nicht wegen Drittstaatsicherheit gemäß § 4 AsylG zurückgewiesener Asylantrag ist gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden. Zutreffend hat die belangte Behörde darauf verwiesen, dass zur Ermittlung des zur Prüfung des Asylantrages zuständigen Staates auf das Dubliner Übereinkommen zurückzugreifen ist, dessen - hier zunächst relevanter - Art. 5 in seinen für den vorliegenden Fall wesentlichen Teilen wie folgt lautet:
"Artikel 5
(1) Besitzt der Asylbewerber eine gültige Aufenthaltserlaubnis, so ist der Mitgliedstaat, der die Aufenthaltserlaubnis erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrages zuständig.
(2) Besitzt der Asylbewerber ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrages zuständig, soweit nicht einer der nachstehenden Fälle vorliegt: ...
(3) ...
(4) Besitzt der Asylbewerber nur eine oder mehrere seit weniger als zwei Jahren abgelaufene Aufenthaltsgenehmigungen oder ein oder mehrere seit weniger als sechs Monaten abgelaufene Visa, auf Grund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Ausländer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat. Besitzt der Asylbewerber eine oder mehrere seit mehr als zwei Jahren abgelaufene Aufenthaltsgenehmigungen oder ein oder mehrere seit mehr als sechs Monaten abgelaufene Visa, auf Grund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat der Ausländer das gemeinsame Hoheitsgebiet nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag gestellt wird."
Der gegenständliche (zweite) Asylantrag des Mitbeteiligten wurde am 2. Mai 2000, sohin zu einem Zeitpunkt gestellt, als das dem Mitbeteiligten bis 1. Juli 1999 erteilte französische Visum mehr als sechs Monate abgelaufen war. Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 4 zweiter Satz DÜ wäre somit - Anhaltspunkte, dass der Mitbeteiligte das "gemeinsame Hoheitsgebiet" verlassen hätte, bestehen nach der Aktenlage nicht - Österreich zur Prüfung dieses Asylantrages zuständig. Nach Art. 11 Abs. 3 DÜ wird jedoch bei der Bestimmung des nach den Kriterien des Dubliner Übereinkommens zuständigen Staates von der Situation ausgegangen, die zu jenem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag "zum ersten Mal" in einem Mitgliedstaat stellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung bereits judiziert, sie bewirke eine "Versteinerung" der nach dem Dubliner Übereinkommen im Zeitpunkt der ersten Asylantragstellung gegebenen Zuständigkeit, die nur in jenen Fällen durchbrochen werde, in denen dieses Übereinkommen ausdrücklich "eine Verschiebung der Zuständigkeit aufgrund später eingetretener Umstände" vorsehe (vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl. 99/01/0336, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0424;
siehe auch das Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0494;
vgl. in diesem Zusammenhang auch Funke-Kaiser, Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG, Ergänzungslieferung Jänner 2002, Rz 102ff, insbesondere Rz 105 u. 108, zu § 29). Das gilt auch dann, wenn - wie hier - der (erste) Asylantrag zurückgezogen und danach neuerlich ein (zweiter) Asylantrag eingebracht wird, weil sonst durch eine solche Vorgangsweise die Zuständigkeitsregeln umgangen werden könnten. Bezogen auf den Zeitpunkt der Stellung des ersten Asylantrages (29. Juni 1999) ist es aber unstrittig, dass im Hinblick auf das damals noch nicht abgelaufene französische Visum gemäß Art. 5 Abs. 2 DÜ die Zuständigkeit Frankreichs gegeben war.
In diesem Zusammenhang verweist die Beschwerde aber zutreffend auf Art. 10 DÜ, in dessen Abs. 1 die Pflichten des zur Prüfung eines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaates, unter anderem in lit. b die Pflicht zur "Prüfung des Asylantrags bis zum Ende", normiert werden. Im Abs. 2 leg. cit. ist jedoch der Übergang dieser Pflichten auf jenen (nach den im Dubliner Übereinkommen definierten Kriterien jedenfalls zunächst nicht zuständigen) Staat vorgesehen, der dem Asylbewerber eine Aufenthaltserlaubnis für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten ausstellt. Der Beschwerde ist daher auch darin zu folgen, dass sich nur in Bezug auf diese Bestimmung - sofern § 5 AsylG auch an sie anknüpft, was den weiteren Ausführungen ohne abschließende Klärung dieser Frage unterstellt wird - die von der belangten Behörde bejahte Frage stellt, ob ein Abschiebungsaufschub gemäß § 56 Abs. 2 FrG als "Aufenthaltserlaubnis" im Sinne des Dubliner Übereinkommens anzusehen ist.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. e DÜ gilt als "Aufenthaltserlaubnis" im Sinne dieses Übereinkommens - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - "jede von den Behörden eines Mitgliedstaates erteilte Erlaubnis, mit der der Aufenthalt eines Ausländers im Hoheitsgebiet dieses Staates gestattet wird" (in der englischen Fassung:"...any authorization issued by the authorities of a Member State authorizing an alien to stay in its territory
...").
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2001/01/0221, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, mit der Frage befasst, ob die Duldung nach den §§ 55, 56 dAuslG in jedem Fall als "Aufenthaltserlaubnis" im Sinne des Art. 1 Abs. 1 lit. e DÜ (und damit auch im Sinne des Art. 5 Abs. 1 DÜ bzw. als "Aufenthaltsgenehmigung" im Sinne des Art. 5 Abs. 4 DÜ) verstanden werden kann. Diese Frage wurde vor allem deshalb verneint, weil die Duldung nicht geeignet ist, einen rechtmäßigen Aufenthalt zu begründen.
Folgte man daher der belangten Behörde darin, dass für die Duldung und den Abschiebungsaufschub insoweit dasselbe gelten soll, dann käme man allerdings zum - von der Amtsbeschwerde angestrebten - gegenteiligen Ergebnis als es im angefochtenen Bescheid erzielt wurde. Es bleibt daher an Hand der maßgebenden Rechtsvorschriften zu untersuchen, ob es tatsächlich sachgerecht ist, die beiden Rechtsinstitute unter Bedachtnahme auf ihren Zweck und die an sie geknüpften Rechtswirkungen in Bezug auf die erwähnten Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens weitgehend gleich zu behandeln, oder ob nicht der Abschiebungsaufschub (was sich für die Duldung zumindest nicht allgemein sagen lässt) doch als "Aufenthaltserlaubnis" im Sinne des Dubliner Übereinkommens anzusehen ist:
§§ 55 und 56 dAuslG lauten in den relevanten (nämlich auf die mit dem Abschiebungsaufschub vergleichbaren Fälle der Duldung bezogenen) Teilen:
"§ 55
Duldungsgründe
(1) Die Abschiebung eines Ausländers kann nur nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 zeitweise ausgesetzt werden (Duldung).
(2) Einem Ausländer wird eine Duldung erteilt, solange seine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist oder nach § 53 Abs. 6 oder § 54 ausgesetzt werden soll.
(3) Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, solange
...
(4) ...
§ 56
Duldung
(1) Die Ausreisepflicht eines geduldeten Ausländers bleibt unberührt.
(2) Die Duldung ist befristet; die Frist soll ein Jahr nicht übersteigen. Nach Ablauf der Frist kann die Duldung nach Maßgabe des § 55 erneuert werden.
(3) Die Duldung ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden. Insbesondere können das Verbot oder Beschränkungen der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit angeordnet werden.
(4) Die Duldung erlischt mit der Ausreise des Ausländers.
(5) Die Duldung wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen.
(6) ..."
§ 56 Abs. 1 und 2 FrG lautet:
"Abschiebung
§ 56. (1) Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, können von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn ...
(2) Die Abschiebung eines Fremden ist auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 57) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Für die Festsetzung von Auflagen und für den Widerruf gelten die §§ 42 und 43 Abs. 1."
Die Abs. 1 und 2 des im wiedergegebenen § 56 Abs. 2 FrG erwähnten § 57 FrG lauten in der hier maßgeblichen Fassung:
" Verbot der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung
§ 57. (1) Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
(2) Die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974)."
Diese Gegenüberstellung der Gesetzestexte zeigt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung nach § 55 Abs. 2 dAuslG und die Gewährung eines Abschiebungsaufschubes nach § 56 Abs. 2 FrG insofern übereinstimmen, als beide dann zuzuerkennen sind, wenn die Abschiebung aus rechtlichen Gründen unmöglich bzw. unzulässig oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Sowohl die Duldung als auch der Abschiebungsaufschub werden befristet gewährt, können an Auflagen gebunden und dann widerrufen werden, wenn die Gründe für die Erteilung weggefallen sind. Der geduldete Aufenthalt nach deutschem Recht ist nicht strafbar; ebenso ist die Strafbarkeit wegen "unbefugtem Aufenthalt" nach § 107 Abs. 1 Z 1 und 4 FrG bei erteiltem Abschiebungsaufschub gemäß § 107 Abs. 2 FrG nicht gegeben (vgl. etwa das zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 82 FrG 1992 ergangene Erkenntnis vom 26. Juni 2002, Zl. 99/21/0048, mwN). Maßgebend ist aber vor allem, dass auch der Abschiebungsaufschub wie die Duldung nicht geeignet ist, einen "rechtmäßigen Aufenthalt" im Sinne des Fremdengesetzes zu begründen (vgl. zu den dargestellten Rechtswirkungen der Duldung die Nachweise in dem bereits zitierten Erkenntnis Zl. 2001/01/0221), und zwar aus folgenden Gründen:
§ 31 Abs. 1 FrG lautet:
"Rechtmäßiger Aufenthalt
§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
2. wenn sie auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind oder
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind oder
4. solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt."
Zunächst spricht der Umstand, dass der Abschiebungsaufschub in dem wiedergegebenen § 31 Abs. 1 FrG nicht erwähnt ist, dafür, dass die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes keinen "rechtmäßigen Aufenthalt" im Sinne dieser Bestimmung zu begründen vermag. Diese Auffassung wird durch die Regelungen über die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung im § 15 AsylG und einer Aufenthaltserlaubnis "aus humanitären Gründen" im § 10 Abs. 4 FrG noch bestätigt.
Gemäß § 15 Abs. 1 AsylG ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen rechtskräftig abgewiesen wurde und die sich ohne rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet befinden, mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 oder 2 FrG festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig ist. Im Rahmen eines Asylverfahrens wird daher für Fremde, deren Asylantrag unberechtigt ist und die Refoulement-Schutz genießen, aufenthaltsrechtlich in besonderer Weise Vorsorge getroffen. Für Fremde, denen Refoulement-Schutz von den Fremdenbehörden in Form einer Feststellung nach § 75 FrG oder der Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gewährt wurde, gibt es zwar keine derartige Anordnung. Dieser Personenkreis findet allerdings in § 10 Abs. 4 FrG besondere Erwähnung. Zufolge dem ersten Satz dieser Vorschrift kann die Behörde Fremden - unter anderem auch dann, wenn sie sich nach illegaler Einreise nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten - in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen gemäß der ausdrücklichen Anordnung im zweiten Satz des § 10 Abs. 4 FrG "insbesondere" vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG ausgesetzt sind. Einerseits lässt § 10 Abs. 4 FrG selbst klar erkennen, dass Personen, die aus den Gründen des § 57 FrG nicht zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden dürfen, regelmäßig von Amts wegen die dort vorgesehene Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sein wird. Andererseits führt aber auch die dargestellte Regelung des § 15 Abs. 1 AsylG zu diesem Ergebnis, weil man andernfalls zu einem sachlich nicht gerechtfertigten Wertungswiderspruch gelangte. Es wäre nämlich nicht ersichtlich, warum ein Fremder, dem ein Abschiebungsschutz wegen des Refoulement-Verbotes zukommt, nur über Stellung eines - unbegründeten - Asylantrages in den Genuss eines Aufenthaltsrechtes gelangen sollte (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom 22. März 2002, Zl. 2000/21/0011; zu § 15 AsylG allgemein die Erkenntnisse vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0256 und Zl. 2001/01/0255).
Bedarf es aber in diesen Fällen jeweils der gesonderten Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung bzw. einer Aufenthaltserlaubnis, um einen "rechtmäßigen Aufenthalt" im Sinne des Fremdengesetzes zu begründen, dann liegt auf der Hand, dass der - wegen der Unzulässigkeit der Abschiebung (§ 57 FrG) gewährte - Abschiebungsaufschub für sich genommen dazu nicht im Stande ist. Dass für den wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung erteilten Abschiebungsaufschub insoweit etwas Anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich und erschiene auch nicht sachgerecht.
Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus der in den Gesetzesmaterialien - zu dem mit § 56 Abs. 2 FrG inhaltsgleichen § 36 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1992 - verwendeten Formulierung ableiten, mit dem Abschiebungsaufschub solle "in einer der Rechtskraft fähigen Form der Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum gestattet" werden (RV 692 BlgNR 18. GP 47). Angesichts des dargestellten eindeutigen Konzeptes des Gesetzgebers kann nämlich nicht angenommen werden, es sollte damit zum Ausdruck gebracht werden, der Aufenthalt während dieser Zeit sei "rechtmäßig" im Sinne des § 31 FrG (bzw. im Sinne des damals geltenden § 15 des Fremdengesetzes 1992). Auch die Strafbestimmung des § 107 Abs. 1 Z 4 FrG knüpft an den nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet an und verweist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf § 31 FrG. Ein Fremder, dem ein Abschiebungsaufschub gewährt wurde, wird zwar nach dieser Bestimmung - wie bereits erwähnt - nicht bestraft, sein Verhalten ist aber (weiterhin) tatbestandsmäßig, somit kein "rechtmäßiger Aufenthalt" im Sinne des § 31 FrG (vgl. auch die RV 692 BlgNR 18. GP 60 zu dem mit § 107 FrG inhaltsgleichen § 82 des Fremdengesetzes 1992; auf die Frage, ob und in welchen Fällen des Abschiebungsaufschubes dessen ungeachtet, wie etwa in den zitierten Gesetzesmaterialien, in Bezug auf den Straftatbestand von einem "Rechtfertigungsgrund" gesprochen werden kann, kommt es im hier gegebenen Zusammenhang nicht an).
So wie die Duldung den Zweck "einer förmlichen Aussetzung der Vollziehung der Ausreiseverpflichtung im Einzelfall durch schriftlichen Bescheid" hat (Renner, Ausländerrecht7, Rz 3 zu § 55 dAuslG), soll demnach auch mit dem Abschiebungsaufschub - entsprechend seiner Bezeichnung - die Abschiebung, also die zwangsweise Durchsetzung der auf Grund einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Ausweisung, Aufenthaltsverbot) bestehenden Ausreiseverpflichtung, für einen bestimmten Zeitraum in einer der Rechtskraft fähigen Form aufgeschoben, aber kein Titel für einen "rechtmäßigen Aufenthalt" im Sinne des § 31 FrG erteilt werden (im Ergebnis ebenso U. Davy, Asyl und internationales Flüchtlingsrecht II, 160).
Ausgehend von den Überlegungen in dem mehrfach erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 2001/01/0221, die dazu führten, dass die Duldung zumindest nicht allgemein als "Erlaubnis" bzw. "Genehmigung" des Aufenthaltes im Sinne des Dubliner Übereinkommens (im englischen Text: "residence permit") anzusehen ist, ist es nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf die dargestellte Rechtsnatur des Abschiebungsaufschubes, insbesondere mangels Vermittlung eines "rechtmäßigen Aufenthaltes" im Sinne des § 31 FrG, auch nicht gerechtfertigt, den Abschiebungsaufschub als eine solche Erlaubnis zu qualifizieren (im Ergebnis offenbar ebenso Schmid in Schmid/Bartels, Handbuch zum DÜ, 70, der in diesem Zusammenhang zutreffend - wie auch das Erkenntnis Zl. 2001/01/0221 - auf die englische Fassung des Art. 1 Abs. 1 lit. e DÜ verweist).
Entgegen der erkennbaren Ansicht der belangten Behörde und den Ausführungen in der Gegenschrift des Mitbeteiligten kommt es bei dieser Beurteilung nicht darauf an, welche Beweggründe im Einzelfall zur Erteilung des Abschiebungsaufschubes geführt haben. Maßgebend sind hier allein die damit ganz allgemein verbundenen Intentionen des Gesetzgebers und die nach dem Gesetz daran geknüpften Rechtsfolgen.
Die von der belangten Behörde der Sache nach vertretene Auffassung, die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes habe ausgereicht, um den Übergang der Verpflichtung zur inhaltlichen Prüfung des gegenständlichen Asylantrages (richtig: gemäß Art. 10 Abs. 2 DÜ) auf Österreich zu bewirken, kann daher nicht geteilt werden.
Da die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides von der belangten Behörde in tragender Weise nur auf die erwähnte, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilte Rechtsansicht gestützt wurde, war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 12. Dezember 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002200388.X00Im RIS seit
30.04.2003Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008