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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §85 Abs2 / BankwesenLeitsatz
Keine Folge Bestellung einer fachkundigen Aufsichtsperson (Regierungskommissär) gemäß §70 Abs2 Z2 lita BankwesenG bei der Antragstellerin für die Dauer der Gefährdung, längstens jedoch für 18 Monate. Innerhalb des Katalogs des §70 Abs2 BankwesenG, der Maßnahmen von offensichtlich unterschiedlicher Eingriffsintensität vorsieht, aber auch im Verhältnis zu der in Abschnitt XVII BankwesenG vorgesehenen Geschäftsaufsicht, stellt die Bestellung eines Regierungskommissärs ein vergleichsweise mildes Aufsichtsmittel dar, das keineswegs die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Kreditinstitutes voraussetzt. Dieses Aufsichtsmittel, mit dem im wesentlichen erreicht werden soll, daß die Gefahren für die Sicherheit der anvertrauten Vermögenswerte nicht vergrößert werden, erscheint - wenn eine solche Gefahr als gegeben anzunehmen ist - nicht nur verhältnismäßig, sondern sogar geboten, um in der gegebenen Situation dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung von Insolvenzen Rechnung zu tragen. Hat die Behörde die - zwar strittige, aber gerade deswegen nicht von vornherein vollkommen auszuschließende - Gefahr für die Erfüllung von Verpflichtungen zum Anlaß von Aufsichtsmaßnahmen genommen, die dem angenommenen Grad der Gefährdung entsprechen, so stehen zwingende öffentliche Interessen, nämlich gerade das Ziel einer Vermeidung der Schädigung von Anlegern und anderen Gläubigern, der Gewährung einer aufschiebenden Wirkung entgegen, weil gerade diese Interessen die sofortige Verwirklichung der angeordneten Maßnahme gebieten (vgl in diesem Sinn auch den Beschluß des VwGH vom 29.06.94, Zl AW 94/17/0021, und die dort angeführte Judikatur).Spruch
Dem in der Beschwerdesache der T Bank AG, vertreten durch die Rechtsanwälte B & Z, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 22. Oktober 1999, Zl. 23 5123/91-V/13/99, gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 VerfGG k e i n e F o l g e gegeben.
Begründung
Begründung:
1.1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid des Bundesministers für Finanzen wurde RA Dr. A I gemäß §70 Abs2 Z2 lita BWG mit sofortiger Wirkung für die Dauer der Gefährdung, längstens jedoch für 18 Monate zur fachkundigen Aufsichtsperson (Regierungskommissär) bei der Antragstellerin bestellt.
1.2. Die belangte Behörde begründet diese Maßnahme u.a. damit, daß ein durchgeführtes Ermittlungsverfahren ergeben habe, daß die (nunmehrige) Antragstellerin nachhaltige Verluste erwirtschaftet habe und auch im laufenden Geschäftsjahr durch den von den Sonderprüfern ermittelten Wertberichtigungsbedarf (abzüglich der von der Behörde anerkannten Maßnahmen zur Reduzierung dieses Abschreibungserfordernisses) weiterhin Verluste erwirtschafte. Weder aus der Aktenlage noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens hätte sich ein Anhaltspunkt dafür ergeben, daß es der Antragstellerin in absehbarer Zeit gelingen werde, durch eine positive Ertragslage den seit Jahren mitgezogenen und eher größer werdenden Verlustvortrag zu vermindern. Allein diese Umstände seien laut Erkenntnis des VwGH vom 21. Juni 1999, Zl. 94/17/0377, ausreichend, eine Gefährdung gemäß §70 Abs2 BWG zu begründen und die Setzung einer Aufsichtsmaßnahme gemäß dieser Bestimmung zu rechtfertigen. Als zusätzliche akute Gefährdungselemente kämen im vorliegenden Fall außerdem die nicht angemessene Begrenzung der bankgeschäftlichen Risiken, die gemäß §22 BWG nicht ausreichenden Eigenmittel und das nicht ausreichende Anfangskapital hinzu. Es liege daher eine Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen der Antragstellerin gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere für die Sicherheit der ihr anvertrauten Vermögenswerte vor.
Gemäß §70 Abs2 BWG könne der Bundesminister für Finanzen im Fall einer derartigen Gefährdung, befristete Maßnahmen (zu denen auch die Bestellung eines Regierungskommissärs gehört) zur Abwendung dieser Gefahr durch Bescheid anordnen.
2. In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof begehrt die Antragstellerin, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weil dem keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstünden und mit einem Vollzug für sie ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2.1. Eine Schädigung der Gläubiger sei nur dann denkbar, wenn aufgrund der Situation der Bank (Überschuldung) die Gläubiger nicht mehr befriedigt werden könnten. Aus dem angefochtenen Bescheid ergebe sich, daß die Antragstellerin weder überschuldet noch zahlungsunfähig sei, sodaß es denkunmöglich sei, daß Gläubiger geschädigt werden.
2.2. Durch die Bestellung des Regierungskommissärs und die damit verbundene negative Presseberichterstattung bestehe eine "große immanente Gefahr" des Imageverlustes und vermögensrechtlicher Nachteile, da in eine derartige Aufsichtsmaßnahme von der Presse Insolvenz und Gläubigergefährdung hineininterpretiert würden; dies führe aber unweigerlich zu einer Beunruhigung der Anleger, weshalb sich der Vorstand zu einer vorübergehenden Schließung des Schalterbetriebes veranlaßt sah, um eine Beruhigung der Situation herbeizuführen. Bei längerem Andauern dieser Medienberichterstattung über die Bestellung eines Regierungskommissärs könne nicht ausgeschlossen werden, daß über die Antragstellerin ein Geschäftsaufsichtsverfahren oder ein Konkursverfahren eröffnet werde, weil sie, "ausschließlich durch den aufgrund der Bestellung eines Regierungskommissärs erfolgten Run", nicht mehr zahlungsfähig sei.
3. Die belangte Behörde erstattete innerhalb der gesetzten Frist eine Äußerung, in der sie darauf hinweist, daß ausschließliches Tatbestandsmerkmal des §70 Abs2 BWG - im Gegensatz zur Auffassung der Antragstellerin, die von einer Gläubigerschädigung erst mit festgestellter Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ausgehe - die Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Kreditinstitutes gegenüber seinen Gläubigern, insbesondere die Gefahr für die Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte, sei. Durch die Bestellung des Regierungskommissärs und die von ihm gemäß §70 Abs2 Z2 lita BWG aufgenommene Tätigkeit solle im Vorfeld eines insolvenzrechtlichen Tatbestandes einer Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen der Antragstellerin gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere für die Sicherheit der ihr anvertrauten Vermögenswerte, entgegengetreten werden. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sei festgestellt worden, daß eine derartige Gefährdung gegeben sei; der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden somit zwingende öffentliche Interessen entgegen. Die belangte Behörde verweist in diesem Zusammenhang auf die Anzeige des Bankprüfers der T Bank AG gemäß §63 Abs3 BWG vom 28. Oktober 1999, der auf Grund der von ihm festgestellten Tatsachen die Erfüllbarkeit von Verpflichtungen der Antragstellerin nicht mehr für gewährleistet erachtet.
Die belangte Behörde stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkennen.
4. Gemäß §85 Abs2 VerfGG hat der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde auf Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluß aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Der Verfassungsgerichtshof hat somit vorerst die Frage zu beurteilen, ob am sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Nur wenn dies nicht der Fall ist, ist in eine Interessenabwägung einzutreten und zu untersuchen, ob mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
4.1. Von zwingenden öffentlichen Interessen iSd. §85 Abs2 VerfGG kann nur dann gesprochen werden, wenn mit dem - durch den angefochtenen Bescheid angeordneten - Vollzug einerseits öffentliche Interessen berührt werden und andererseits eben diese Interessen die sofortige Verwirklichung der getroffenen Maßnahme zwingend gebieten (vgl. VwGH 29. Juni 1994, Zl. AW 94/17/0021, zur Parallelbestimmung des §30 Abs2 VwGG und die dort zitierte weitere Judikatur dieses Gerichtshofes).
4.2. Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß ein besonderes öffentliches Interesse an einem funktionierenden Kreditsektor bestehe, da Banken in einem volkswirtschaftlichen Schlüsselbereich tätig seien, von dem weite Teile der Volkswirtschaft abhingen, und daß von einer besonderen Schutzbedürftigkeit der Anleger und Gläubiger auszugehen sei (vgl. zB VfSlg. 12098/1989, 689; 12378/1990, 545; 13471/1993, 589). Der Verfassungsgerichtshof hat auch wiederholt ausgesprochen, daß ein erhebliches öffentliches Interesse daran bestehe, Insolvenzen in diesem Bereich zu vermeiden (VfSlg. 12098/1989, 689; 13477/1993, 615).
4.3. Der Verfassungsgerichtshof versteht die in den §§69 ff. BWG angeordnete Bankenaufsicht als Instrument, das dem öffentlichen Interesse an einem funktionierenden Kreditsektor überhaupt und insbesondere dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung von Insolvenzen in diesem Bereich zum Durchbruch verhelfen soll.
Nach §70 Abs2 BWG kann der Bundesminister für Finanzen "bei Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Kreditinstitutes gegenüber seinen Gläubigern, insbesondere für die Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte" durch Bescheid befristete Maßnahmen anordnen. Dazu gehört gemäß Z2 der zitierten Gesetzesstelle die Bestellung einer fachkundigen Aufsichtsperson (Regierungskommissär), deren Aufgabe es vor allem ist, dem Kreditinstitut alle Geschäfte zu untersagen, die geeignet sind, die obige Gefahr zu vergrößern (§70 Abs2 Z2 lita BWG).
Innerhalb des Katalogs des §70 Abs2 leg. cit., der Maßnahmen von offensichtlich unterschiedlicher Eingriffsintensität vorsieht, aber auch im Verhältnis zu der in Abschnitt XVII BWG vorgesehenen Geschäftsaufsicht, stellt die Bestellung eines Regierungskommissärs ein vergleichsweise mildes Aufsichtsmittel dar, das u entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin u keineswegs die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Kreditinstitutes voraussetzt. Dieses Aufsichtsmittel, mit dem u wie dargelegt u im wesentlichen erreicht werden soll, daß die Gefahren für die Sicherheit der anvertrauten Vermögenswerte nicht vergrößert werden, erscheint u wenn eine solche Gefahr als gegeben anzunehmen ist - nicht nur verhältnismäßig, sondern sogar geboten, um in der gegebenen Situation dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung von Insolvenzen Rechnung zu tragen.
4.4. Die belangte Behörde geht sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in ihrer Äußerung davon aus, daß durch die bestehende wirtschaftliche Lage der Antragstellerin eine Gefährdung der Interessen von Gläubigern und Anlegern vorliege und daher die Voraussetzungen für die Maßnahme nach §70 Abs2 Z2 BWG vorlägen. Ob diese Annahme zutrifft, hat der Verfassungsgerichtshof bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu beurteilen, würde er doch sonst die Entscheidung in der Sache vorwegnehmen. Keinesfalls liegt der Sachverhalt so, daß das Beschwerdevorbringen ohne weitere Untersuchung als von vornherein zutreffend anzusehen wäre.
Hat die Behörde die u zwar strittige, aber gerade deswegen nicht von vornherein vollkommen auszuschließende u Gefahr für die Erfüllung von Verpflichtungen zum Anlaß von Aufsichtsmaßnahmen genommen, die dem angenommenen Grad der Gefährdung entsprechen, so stehen zwingende öffentliche Interessen, nämlich gerade das Ziel einer Vermeidung der Schädigung von Anlegern und anderen Gläubigern, der Gewährung einer aufschiebenden Wirkung entgegen, weil gerade diese Interessen die sofortige Verwirklichung der angeordneten Maßnahme gebieten (vgl. in diesem Sinn auch den Beschluß des VwGH vom 29. Juni 1994, Zl. AW 94/17/0021, und die dort angeführte Judikatur).
Bei diesem Ergebnis war in die Prüfung, ob nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre, nicht mehr einzutreten.
Schlagworte
VfGH / Wirkung aufschiebendeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B1741.1999Dokumentnummer
JFT_10008896_99B01741_00