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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ALSAG 1989 §10 idF 1996/201;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Beck und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde des Bundes, vertreten durch das Hauptzollamt Graz in 8020 Graz, Bahnhofgürtel 57, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 4. September 1998, Zl. 03-30.30 54 - 98/8 (gemäß § 22 VwGG an Stelle der belangten Behörde ins Verfahren eingetreten: Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie, nunmehr: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), betreffend Feststellung nach § 10 ALSAG (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Deutschlandsberg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Anbringen vom 4. Juni 1997 begehrte der Beschwerdeführer von der BH Deutschlandsberg (BH) die Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 10 ALSAG für die von der mitbeteiligten Partei des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (mP), einer Stadtgemeinde, betriebene Deponie mit dem Vorbringen, dass die mP eine Deponie für hausmüllähnliche Abfälle betreibe, ohne für das Vorhandensein einer ausreichenden Basisabdichtung im Sinne des Gesetzes einen ausreichenden Nachweis erbringen zu können. Es sei dem Beschwerdeführer durch die mP lediglich ein Schreiben ihrer Bauabteilung übersandt worden, welches als Nachweis nicht anerkannt werde. Es möge deshalb festgestellt werden, ob im Falle der Mülldeponie der mP Zuschläge im Sinne des § 6 Abs. 2 und 3 ALSAG zum Tragen kämen.
Ein von der BH beigezogener Amtssachverständiger erstattete am 16. Oktober 1997 eine Stellungnahme, in welcher Folgendes ausgeführt wurde:
Die von der mP betriebene Deponie sei rechtskräftig mit einem Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. März 1983 bewilligt worden, wobei die Bewilligung auch die Einleitung von Sickerwässern in den Kanal eines näher genannten Abwasserverbandes umfasst habe. Aus den Verwaltungsakten über die wasserrechtliche Bewilligung der Deponie sei ersichtlich, dass jedenfalls die innerhalb des Deponiekörpers austretenden Hangwässer entweder abgeleitet oder in dichten Kanälen durch den Deponiekörper durchgeführt würden. Die durch den Deponiekörper verlaufenden Kanäle seien mit einem Lehmschlag abgedichtet worden. In welchem Maße Profilierungen stattgefunden hätten und Lehmschichten aufgebracht worden seien, welche die Basis der Deponie darstellten, sei den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Aus einem geologischen Gutachten aus dem Jahre 1980 gehe hervor, dass ein natürlicher Untergrund aus feinstklastischen Sedimenten in Form von schluffigem Ton bis tonig vorliege. Auf der Basis dieses Gutachtens sei vom Amtsgutachter seinerzeit ausgeführt worden, dass der Untergrund ausreichend dicht und daher nur für eine entsprechende Sammlung der aus dem Deponiekörper stammenden Sickerwässer zu sorgen sei. Daraus lasse sich schließen, dass den Maßnahmen zur Herstellung einer Deponiebasis mit Profilierung und allfälliger technischer Abdichtung des natürlich vorhandenen dichten Untergrundes durch die Bewilligungsbehörde keine wesentliche Bedeutung beigemessen worden sei, womit sich auch erklären lasse, dass dem gesamten Verwaltungsakt keinerlei Detailangaben über den Aufbau des Untergrundes zu entnehmen seien. Von einem Vertreter der mP sei im Zuge der örtlichen Erhebung jedoch ausgeführt worden, dass seines Wissens nach Profilierungs- und großräumige Bodenaustauschmaßnahmen durchgeführt worden seien, welche in wesentlichen Teilen der Aufstandsfläche für eine zusätzliche und somit künstlich aufgebrachte Abdichtungsschicht gesorgt hätten. Diese Aufstandsflächen seien sodann in den tiefen Linien dränagiert und die Sickerwässer geordnet abgeführt worden. Über diese Deponiebasis seien die aktuellen Schüttungen durchgeführt worden. Aus fachlicher Sicht lasse sich dazu festhalten, dass der Inhalt des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens für die betroffene Deponie keinen eindeutigen Aufschluss über die tatsächlich durchgeführten Maßnahmen zur Vorbereitung der Deponiebasis und zur Untergrundabdichtung zulasse, womit auf Grund der den Stand der Technik festlegenden Bestimmungen des ALSAG eine eindeutige Aussage dazu, ob die Zuschläge zum Tragen kämen, nicht möglich sei. Zu den Entgasungsmaßnahmen sei festzuhalten, dass die vorhandenen drei Gasbrunnen an eine aktive Entgasungsanlage angeschlossen worden seien, weshalb aus fachlicher Sicht davon auszugehen sei, dass durch die vorhandene Entgasungsanlage samt Hochtemperaturmuffel der Stand der Technik im Sinne des ALSAG eingehalten werde. Es sei die Errichtung der Gasanlage durch die mP mit Schreiben vom 23. Dezember 1996 der Wasserrechtsbehörde angezeigt worden, eine bescheidmäßige Erledigung diesbezüglich jedoch nicht ergangen.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 1997 ersuchte die BH die mP unter Übersendung des Gutachtens des Amtssachverständigen vom 16. Oktober 1997 darum, all jene Beweismittel vorzulegen, die den ordnungsgemäßen Aufbau der Deponiebasisabdichtung bestätigen könnten.
Die mP reagierte auf diese Aufforderung mit einem Schreiben vom 16. Jänner 1998, mit welchem eine Niederschrift über die gemeinsam erstattete Aussage dreier Zeugen vor dem Stadtamt der mP am 13. Jänner 1998, vier Lichtbilder und eine "Bestätigung" des Bauamtes der mP vom 10. September 1996 vorgelegt wurden, wobei die mP in ihrem Schreiben darauf verwies, dass es sich bei der Bestätigung ihres Bauamtes vom 10. September 1996 um eine öffentliche Urkunde handle, welche vollen Beweis dessen mache, was darin bezeugt werde. Diese Urkunde, die vorgelegten Zeugenaussagen und die Originalfotos erwiesen im Zusammenhang mit dem Umstand, dass im öffentlich kundgemachten Rechnungsabschluss der mP für das betroffene Jahr Ausgaben in Höhe von S 1,448.806,62 für die Deponie aufschienen, dass die vom Gesetzgeber geforderten Maßnahmen vorlägen und eine Vorschreibung der vom Beschwerdeführer begehrten Zuschläge daher nicht zulässig sei.
In der angeschlossenen Niederschrift über die gemeinsame Vernehmung dreier Zeugen vor dem Stadtamt der mP (Bürgermeister der mP und zwei Gemeindebedienstete) am 13. Jänner 1998 ist zu lesen, dass die Mülldeponie ursprünglich auf Grund einer Genehmigung der BH vom 23. Mai 1973 betrieben, vom Landeshauptmann von Steiermark aber am 10. März 1983 eine neuerliche wasserrechtliche Bewilligung erteilt worden sei. Auf Basis dieser Bewilligung seien im Jahre 1983 einerseits Sanierungsmaßnahmen im Hinblick auf die alte Mülldeponie vorgenommen und sei andererseits praktisch eine neue Mülldeponie gemäß dem Stand der Technik und unter anderem eine Basisabdeckung mineralischer Art geschaffen worden. Diese Basisabdeckung decke sich mit den heute geltenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere mit jenen des ALSAG (§ 2, Abs. 8b). Demnach seien mindestens zweilagige mineralische Dichtungsschichten mit einer Gesamtdicke von mindestens 50 cm, teilweise sogar in stärkerer Ausführung mit den entsprechenden Durchlässigkeitswerten eingebracht worden. Dies decke sich mit der Bestätigung des Bauamtes der mP vom 10. September 1996, bei welcher es sich um eine öffentliche Urkunde handle. Die für die Basisabdeckung erforderlichen Materialien seien, wie aus den Fotos ersichtlich sei, durch seitliche Erweiterungsmaßnahmen des Deponiekörpers gewonnen worden. Auch die vom Gesetz her erforderliche Entgasungsanlage sei errichtet und in Betrieb.
Die ebenso vorgelegte "Bestätigung" des Bauamtes der mP vom 10. September 1996 hat folgenden Wortlaut:
"BESTÄTIGUNG
des Bauamtes der (mP)
Dient zur Vorlage beim (Beschwerdeführer)
Anlässlich der Errichtung der Mülldeponie ... auf Basis des
Wasserrechtsbescheides des ... vom 10.3.1983, ..., wurde damals
vor allem als Schutzmaßnahme gegenüber dem südlich unmittelbar angrenzenden Gerinne mit den daran anschließenden zahlreichen Fischteichen, eine zusätzliche mineralische Basisabdichtung, teilweise sogar stärker als die geforderte 2-lagige im Ausmaß von 2 x 25 cm eingebaut.
An zusätzlichen Maßnahmen sind vorhanden: Die geforderte Entgasungsanlage sowie eine Sickerwassersammlung und mit darauf folgender Einbringung in das öffentliche Kanalnetz.
Für den Bürgermeister:
(Name und Unterschrift)"
Die dem Schreiben der mP ebenfalls angeschlossenen Lichtbilder zeigen Personen, die dem Anschein nach mit dem Verlegen einer Plane beschäftigt sind.
Mit Bescheid vom 9. Februar 1998 traf die BH gemäß § 10 Z. 4 ALSAG die Feststellung, dass hinsichtlich der Mülldeponie der mP die Voraussetzungen für die Anwendung der Zuschläge nach § 6 Abs. 2 und 3 ALSAG nicht vorlägen. Begründet wurde diese Feststellung von der BH mit der Beurteilung, dass sich auf Grund der von der mP übermittelten Unterlagen, insbesondere auf Grund der "Fotodokumentation" ergebe, dass die Deponie "zweifelsfrei" über ein entsprechendes Deponiebasisabdichtungssystem verfüge. Die Beweismittel der mP wiesen schon durch die Fotodokumentation anlässlich des Baugeschehens die erforderlichen Voraussetzungen nach und auch die diesbezüglichen Aussagen der Vertreter einer Gebietskörperschaft seien klar, deutlich und entbehrten nicht "einem inneren Wahrheitsgehalt". Darüber hinaus seien die Zeugenaussagen in Form der Niederschrift vom 13. Jänner 1998 der mP als öffentliche Urkunde anzusehen, die den vollen Beweis dessen liefere, was darin verfügt, erklärt oder bezeugt werde. Auch der nachvollziehbare finanzielle Aufwand zur Ausgestaltung der Deponie spreche für die Angaben der Vertreter der mP. Darüber hinaus habe der Amtssachverständige bekundet, dass bezüglich der Deponie durch die vorhandene Entgasungsanlage samt Hochtemperaturmuffel der Stand der Technik im Sinne der Bestimmungen des ALSAG eingehalten werde.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, dass weder aus der wasserrechtlichen Bewilligung der Deponie der mP noch aus den vorgebrachten Unterlagen ersichtlich sei, dass die Deponie über die erforderlichen Systeme verfüge. Die nach Ansicht der mP als öffentliche Urkunde nach § 47 AVG geltende Mitteilung bestätige auf keinen Fall, dass die aufgebrachte Dichtschicht einen Durchlässigkeitswert kleiner/gleich 10-9 m/s bei einem hydraulischen Gradienten von i = 30 habe, welche Feststellung von der Gemeinde auch nicht habe getroffen werden können, weil sie zur Durchführung derartiger Untersuchungen gar nicht die Möglichkeit habe. Der Urkundencharakter sei schon deswegen in Frage zu stellen, weil die Deponie ein gewerblicher Betrieb sei und daher insoweit ein Befangenheitsverhältnis bestehe. Zur Frage des Basisentwässerungssystems sei das Vorhandensein eines solchen Systems nur durch ein Gedächtnisprotokoll eines Gemeindevertreters untermauert sowie durch einen Kostenfaktor für Arbeiten an der Deponie, wobei bestätigt worden sei, dass eine Dränagierung der Tiefenlinien in den Aufstandsflächen durchgeführt worden sei. Schon daraus könne ersehen werden, dass die Verlegung in einem Flächenfilter nicht erfolgt sei, weshalb es auch an einem ausreichenden Deponiebasisabdichtungssystem fehle. Dass eine vertikale Umschließung errichtet worden wäre, könne den Unterlagen ebenfalls nicht entnommen werden. Auch für das Vorliegen einer aktiven Deponiegaserfassung seien dem Beschwerdeführer bislang Beweismittel noch nicht vorgelegt worden.
Die belangte Behörde führte am 31. August 1998 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher die mP und der Beschwerdeführer ihre Standpunkte vortrugen. Die mP brachte vor, dass sämtliche von ihr vernommenen Personen zum Zeitpunkt der Errichtung der Anlage und des Einbaus der nunmehr im Gesetz vorgesehenen Basisabdichtung bereits Bedienstete der Stadtgemeinde gewesen seien und dass der Beschwerdeführer Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Zeugenaussagen nicht habe vorbringen können. Da die Gemeinde sowohl als Gebietskörperschaft als auch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig sei, könne keine Befangenheit bestehen. Die Deponiegaserfassung sei tatsächlich vorhanden und es sei auch ein entsprechendes Bewilligungsansuchen beim Landeshauptmann von Steiermark gestellt worden. Dass darüber keine Entscheidung ergangen sei, weil die Maßnahme einer Bewilligung offenbar nicht bedurft habe, sei rechtlich irrelevant, weil es allein auf die Frage des tatsächlichen Bestehens der geforderten Anlage ankomme. Aus diesem Grund sei es auch nicht von Bedeutung, dass weder die Entgasungsanlage noch die Basisabdichtung in der ursprünglichen wasserrechtlichen Bewilligung erwähnt werde. Die Altanlage aus den 70er-Jahren habe saniert werden müssen, zu welchem Zweck durch massive Seitenentnahmen dafür gesorgt worden sei, dass zukünftige Beeinträchtigungen des Altdeponiebereiches nicht einträten. Es sei daher mit einer Basisabdichtung im größeren Umfang als den im Gesetz vorgesehenen Schichten ein neuer Deponieboden geschaffen worden, was ökonomisch den Vorteil mit sich gebracht habe, dass beträchtlicher zusätzlicher Deponieraum entstanden sei. Der Beschwerdeführer hielt an seinen Bedenken fest, dass sich aus der Rolle der Gemeinde als Träger von Privatrechten einerseits und als Baubehörde andererseits ein gewisses Naheverhältnis ergebe, welches den Charakter der Bauamtsbestätigung vom 10. September 1996 als öffentliche Urkunde fraglich erscheinen lasse. Eine Äußerung des bei der Verhandlung der belangten Behörde vom 31. August 1998 anwesenden Amtssachverständigen ist in der Niederschrift über die Verhandlung nicht protokolliert.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der BH vom 9. Februar 1998 als unbegründet ab. Obwohl der Beschwerdeführer weder Gegenbeweise gegen die von der mP vorgelegten Beweismittel vorgelegt noch den Antrag gestellt habe, eine neuerliche Beweisaufnahme durchzuführen, habe sich die Berufungsbehörde dennoch dazu entschlossen, in einer mündlichen Berufungsverhandlung "sämtliche vorliegende Beweise zu überprüfen", ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu lesen. Nach anschließender Wiedergabe des "Ergebnisses" der Verhandlung vor der belangten Behörde wird im angefochtenen Bescheid abschließend ausgeführt, es habe nach den von der belangten Behörde angestellten Erwägungen die erstinstanzliche Behörde im Ermittlungsverfahren durch Zeugenaussagen, Urkundenvorlage und Sachverständigenstellungnahme zweifelsfrei festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Berechnung der Zuschläge nach § 6 Abs. 2 und 3 ALSAG nicht vorlägen. Der belangten Behörde hätten keine Gründe dafür glaubhaft gemacht werden können, dass der von der Erstinstanz ermittelte Sachverhalt unrichtig ermittelt worden wäre.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird vom Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Der zum Zeitpunkt der Einleitung des Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 22 VwGG zuständige Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie ist unter Berufung auf die genannte Gesetzesstelle an Stelle der belangten Behörde in das Verfahren eingetreten, hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in seiner Gegenschrift die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Die mP hat in einer unter gleichzeitiger Vorlage ihrer Verwaltungsakten erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit Rücksicht auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hatte die belangte Behörde (im Grundsätzlichen) das ALSAG hinsichtlich seiner §§ 6 und 10 in ihrer durch BGBl. Nr. 201/1996 gestalteten Fassung anzuwenden, während § 2 ALSAG in seiner durch BGBl. I Nr.96/1997 gestalteten Fassung galt.
Nach § 10 Z 4 ALSAG in der genannten Fassung hat die Behörde (§ 21) in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners oder des Hauptzollamtes des Bundes durch Bescheid festzustellen, ob die Voraussetzungen vorliegen, die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 oder 3 nicht anzuwenden.
Die in § 6 Abs. 2 ALSAG festgesetzten Zuschläge sind zu entrichten, wenn Abfälle auf einer Deponie abgelagert werden und diese Deponie weder über ein Deponiebasisdichtungssystem noch über eine vertikale Umschließung verfügt.
Ein Deponiebasisdichtungssystem im Sinne dieses Bundesgesetzes ist nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 8a ALSAG ein technisches System zur Verhinderung von Schadstofftransporten in den Untergrund, bestehend aus der Deponiebasisdichtung und dem Basisentwässerungssystem.
§ 2 Abs. 8b ALSAG definiert als Deponiebasisdichtung im Sinne dieses Bundesgesetzes eine künstlich aufgebrachte, mindestens zweilagige mineralische Dichtungsschicht mit einer Gesamtdicke von mindestens 50 cm und einem Durchlässigkeitswert kleiner/gleich 10- 9 m/s bei einem hydraulischen Gradienten von i = 30. Weiters sind gemäß § 18 Abs. 5 Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996, zulässige alternative Deponiebasisdichtungen oder Sonderkonstruktionen für Böschungsneigungen steiler 1:2 als Deponiebasisdichtung im Sinne dieses Bundesgesetzes anzusehen.
Als Basisentwässerungssystem im Sinne dieses Bundesgesetzes wird in § 2 Abs. 8c ALSAG ein System bestehend aus einem Flächenfilter und darin verlegten Sickerwasserleitungen zur Ableitung der bis zur Deponiebasis durchdringenden Deponiesickerwässer aus dem Deponiekörper definiert.
Die Zuschläge nach § 6 Abs. 3 ALSAG sind zu entrichten, wenn eine Deponie mit der Bewilligung zur Ablagerung von Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen über keine dem Stand der Technik entsprechende Deponiegaserfassung und -behandlung verfügt.
Nach § 2 Abs. 9 ALSAG ist eine Deponiegaserfassung im Sinne dieses Bundesgesetzes ein System technischer Einrichtungen, wie z. B. Entgasungskamine, Gasbrunnen, Gasdome, Leitungen und Regeleinrichtungen zur aktiven Erfassung und kontrollierten Ableitung von Deponiegas. Eine aktive Entgasung ist das Absaugen von Deponiegas durch maschinell erzeugten Unterdruck. Als Deponiegasbehandlung ist das Verbrennen der erfassten Deponiegase in Anlagen, die dem Stand der Technik entsprechen, einschließlich einer allenfalls erforderlichen Vorreinigung, anzusehen.
Die wiedergegebenen Gesetzesbestimmungen bilden die rechtliche Grundlage, an Hand der die Feststellung zu treffen ist, ob der Betreiber einer Deponie dem Beitragsgläubiger die in Rede stehenden Zuschläge schuldet oder nicht. Ob eine Deponie über die im Gesetz genannten und in den Legaldefinitionen umschriebenen Einrichtungen verfügt, ist dabei eine Sachverhaltsfrage, die nur auf fachkundiger Grundlage gelöst werden kann. Aufgabe des von der entscheidenden Behörde beigezogenen Amtssachverständigen ist es dabei, das Vorliegen der von einem Deponiebetreiber als vorhanden behaupteten Einrichtungen an Hand der Tatbestandsangaben der Legaldefinitionen, hier des § 2 Abs. 8a bis 9 ALSAG fachlich begründet zu beurteilen, wobei es Sache des Deponiebetreibers ist, dem von der Behörde herangezogenen Amtssachverständigen alle eine zuverlässige fachliche Beurteilung ermöglichenden Unterlagen über die Herstellung und Ausgestaltung der Deponie im Zuge ihrer Errichtung oder Abänderung zur Verfügung zu stellen. Dies gilt nicht nur im Falle eines vom Deponiebetreiber erhobenen Feststellungsbegehrens nach § 10 ALSAG, sondern auch im Falle eines vom Beitragsgläubiger gestellten Feststellungsantrages, weil die Partei eines Verwaltungsverfahrens, welche ihrer Nähe zur Sache wegen näher am Beweis ist, eine entsprechende Mitwirkungspflicht trifft (zur Mitwirkungspflicht der Partei an der Sachverhaltsermittlung siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. März 2001, 2000/07/0275, vom 16. September 1999, 99/07/0075, vom 29. Oktober 1998, 96/07/0006, 0014, 0015, 0025 und 0026, vom 3. Oktober 1995, 95/12/0246, und vom 15. November 1994, 94/07/0099 bis 0101).
Der vom Beschwerdeführer im Einklang mit dem in das verwaltungsgerichtliche Verfahren an Stelle der belangten Behörde eingetretenen Bundesminister vorgetragenen Auffassung, der bekämpften behördlichen Feststellung nach § 10 Z. 4 ALSAG fehle eine tragfähige Sachverhaltsgrundlage, ist beizupflichten.
Was die mP als Deponiebetreiber an Mitwirkung zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes im Beschwerdefall geleistet hatte, reichte nicht dazu aus, dem von den Verwaltungsbehörden beigezogenen Amtssachverständigen eine fachliche Beurteilung zu erlauben, ob die von der mP als vorhanden behaupteten Einrichtungen den gesetzlichen Vorgaben des § 2 Abs. 8a bis 9 ALSAG entsprochen hatten. Bezeichnender Weise unterblieb auch nach Vorlage der von der mP in ihrer Beweiskraft augenscheinlich stark überschätzten Unterlagen jegliche weitere Befragung des beigezogenen Amtssachverständigen nicht nur durch die BH, sondern auch durch die belangte Behörde, welche entgegen ihrer in der Begründung des angefochtenen Bescheides aufgestellten Behauptung kein Beweisverfahren durchgeführt, sondern sich schlicht damit begnügt hat, den Bekundungen der Gemeindevertreter zu glauben. Ob der "Bestätigung" des Bauamtes der mP vom 10. September 1996 die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 47 AVG beigemessen werden könnte, kann dahingestellt bleiben, weil sich auch aus dem Inhalt dieser Bestätigung ebenso wie aus dem Inhalt der Niederschrift über die Vernehmung des Bürgermeisters und zweier Gemeindebediensteter durch einen anderen Gemeindebediensteten der mP - ohne in eine rechtliche Würdigung dieses Vernehmungsaktes einzutreten - und auch aus den Lichtbildern das Vorliegen der in § 2 Abs. 8a bis 9 ALSAG gesetzlich definierten Voraussetzungen des Vorhandenseins der von den Zuschlagspflichten nach § 6 Abs. 2 und 3 ALSAG befreienden Einrichtungen nicht in einer fachkundig verlässlich überprüfbaren Weise entnehmen ließ.
Die von der mP im Beschwerdefall eingeschlagene Vorgangsweise läuft im Ergebnis darauf hinaus, der zur Feststellung nach § 10 ALSAG berufenen Behörde auf dem Wege einer Herstellung "öffentlicher Urkunden" die Entscheidung aus der Hand zu nehmen und sich das Vorliegen der Voraussetzungen einer Befreiung der betriebenen Deponie von den Zuschlägen nach § 6 Abs. 2 und 3 ALSAG gleichsam selbst zu attestieren. Dazu war die mP ungeachtet ihrer Eigenschaft als Gebietskörperschaft nicht berechtigt.
Dadurch, dass die belangte Behörde diese von der mP eingeschlagene Vorgangsweise hinnahm, anstatt auf der Beibringung sachlich und fachlich tauglicher Entscheidungsgrundlagen für die Beurteilung des Amtssachverständigen durch die mP zu bestehen, hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung die Erlassung eines im Spruche anders lautenden Bescheides nicht ausgeschlossen werden kann.
Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Wien, am 12. Dezember 2002
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Sachverständiger Aufgaben Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998070159.X00Im RIS seit
21.03.2003