TE Vfgh Beschluss 1999/11/29 B1716/99, G167/99, V87/99

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Veröffentlicht am 29.11.1999
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8500 Straßen

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
Vlbg StraßenG §2 Abs3
Vlbg StraßenG §20 Abs1
Vlbg StraßenG §51 Abs1 litc

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung eines Bescheides betreffend die Feststellung des Gemeingebrauchs an einer Straße "als gesetzwidrige Verordnung"; Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Vlbg StraßenG betreffend öffentliche Privatstraßen infolge Umwegzumutbarkeit; Ablehnung der Behandlung der Beschwerde

Spruch

I. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II. Der Antrag auf Aufhebung "des Bescheides der Gemeinde Bezau vom 16. Februar 1998, Zl. 1/1998, als gesetzwidrige Verordnung" wird zurückgewiesen.

III. Der Antrag auf Aufhebung des "§20 Abs1 des Gesetzes über den Bau und die Erhaltung öffentlicher Straßen sowie über die Wegefreiheit (StrG), LGBl. Nr. 8/1969, als verfassungswidriges Gesetz" wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Vorarlberger Landesregierung der Berufung der Nachbarn gegen einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz keine Folge gegeben, mit dem der Neubau eines Schulzentrums im Ortsteil Greben, Gst. 1351, KG Bezau, baubehördlich bewilligt wurde.

2. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen.

Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber teils nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

3. Soweit die Beschwerde aber verfassungsrechtliche Fragen tatsächlich berührt, läßt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zu §30 Vorarlberger Baugesetz vgl. die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der Parteienrechte im Verwaltungsverfahren VfSlg. 6664/1972, 6808/1972, 8279/1978, 10844/1986; zu §20 StrG vgl. zur Präjudizialität genereller Rechtsvorschriften VfSlg. 14078/1995 und die dort zitierte Vorjudikatur; zur behaupteten Gesetzwidrigkeit des von den Beschwerdeführern als Verordnung qualifizierten Bescheides der Marktgemeinde Bezau siehe Punkt II.) die behaupteten Rechtsverletzungen oder die Verletzung eines nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen (§19 Abs3 Z1 VerfGG 1953) und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Somit erübrigt es sich, über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abzusprechen.

II. 1. Die Einschreiter beantragen weiters die Aufhebung des "Bescheid(es) der Gemeinde Bezau vom 16. Februar 1998, Zl. 1/1998 als gesetzwidrige Verordnung", mit der die Erklärung des "Grebenweges" zum "öffentlichen Privatweg" erfolgt sei. Als Miteigentümer der Wegparzelle 3054 seien sie davon betroffen, daß die Erschließung des Grundstückes 1351, KG Bezau, über diesen Weg erfolgen solle, da sich im Laufe des Bauverfahrens herausgestellt habe, daß die im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Nachbargrundstücke zum Weg als Teil des öffentlichen Weges angesehen worden seien. Begründend bringen sie ua. vor, daß dieser Bescheid eigentlich als Verordnung hätte ergehen müssen. Es sei dem StrG nicht zu entnehmen, daß für derartige Akte die Bescheidform vorgesehen sei.

2. Der Antrag ist nicht zulässig.

Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzmäßigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für die Person wirksam geworden ist. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags nach Art139 Abs1 B-VG ist unter anderem, daß dem behördlichen Akt, dessen Aufhebung beantragt wird, Verordnungsqualität zukommt (vgl. dazu etwa VfSlg. 10224/1984, 11472/1987, 13229/1992).

Unter einer Verordnung ist nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre jede von einer Verwaltungsbehörde im Bereich der Hoheitsverwaltung erlassene generelle Rechtsnorm zu verstehen (s. etwa VfSlg. 11472/1987 mwH oder 13021/1992 mwH).

3. Gemäß §2 Abs3 StrG hat die Behörde darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Straße dem Gemeingebrauch gewidmet ist. Gemäß §51 Abs1 litc StrG ist Behörde im Sinne dieses Gesetzes in Angelegenheiten der Genossenschaftsstraßen und der öffentlichen Privatstraßen der Bürgermeister. Der Bürgermeister konnte daher einen Bescheid zur Feststellung des Gemeingebrauchs (Vorliegen einer öffentlichen Privatstraße) erlassen (vgl. VfSlg. 14797/1997, in dem kein Bescheid zur Klärung des Gemeingebrauchs vorlag und ein Individualantrag als zulässig erachtet wurde).

Der angefochtene Akt ist also ein Bescheid und keine Verordnung. Der Antrag auf Aufhebung dieses Bescheides der Marktgemeinde Bezau vom 16. Februar 1998 als gesetzwidrige Verordnung erweist sich daher als unzulässig.

III. Die Einschreiter

beantragen weiters die Aufhebung des "§20 Abs1 des Gesetzes über den Bau und die Erhaltung öffentlicher Straßen sowie die Wegefreiheit (StrG), LGBl. Nr. 8/1969, als verfassungswidriges Gesetz."

Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG und Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen der Antragsteller nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art139 Abs1 B-VG und Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11684/1988, 13870/1994).

Ein solcher - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das den von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen; eine Ausnahme besteht nur für den Fall, daß besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der ihr dort offenstehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Normenprüfungsantrages einzuräumen (vgl. zB VfSlg. 8312/1978, 8552/1979, 10251/1984, 11684/1988). Mit einem (Individual-) Antrag nach Art139 (und 140) B-VG soll daher keinesfalls eine Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes eröffnet werden, die mit dem Charakter des Individualantrages eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (s. etwa VfSlg. 8652/1979, 10356/1985, 11114/1986, 12395/1990).

Den Einschreitern steht bzw. stand daher ein zumutbarer Weg zur Verfügung, nämlich im Rahmen einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Bezau vom 16. Februar 1998 die behauptete Verfassungswidrigkeit des §20 StrG nach Erschöpfung des Instanzenzuges an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Die Anträge waren daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Individualantrag, Verordnungsbegriff, Straßenverwaltung, Widmung (einer Straße), Bescheidbegriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B1716.1999

Dokumentnummer

JFT_10008871_99B01716_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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