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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §51e idF 2002/I/065;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des H in Schwanenstadt, vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Ringstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 13. Juli 2002, Zl. VwSen-240438/2/Gf/Stu, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 13. Mai 2002 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft zu vertreten, dass diese am 13. Oktober 2000 falsch bezeichnete Rinderhüftsteaks in Verkehr gebracht habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 7 Abs. 1 lit. c i.V.m. § 8 lit. f und § 74 Abs. 1 Z. 2 LMG begangen. Es wurde eine Geldstrafe von EUR 145,35 (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat beantragte.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde (ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen) der Berufung insoweit statt, als die verhängte Geldstrafe auf EUR 100,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf viereinhalb Stunden herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der u.a. das Unterbleiben einer mündlichen Berufungsverhandlung als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Absätze (1) bis (5) des § 51 e VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 65/2002 lauten:
"§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn
1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder
bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3.
im angefochtenen Bescheid eine 500,-- EUR nicht übersteigende
Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung
beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."
Der Beschwerdeführer hat in der Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die belangte Behörde unterließ es, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Im angefochtenen Bescheid findet sich keine auf § 51 e VStG bezogene Begründung; in der Gegenschrift macht die belangte Behörde geltend, sie sei im Beschwerdefall berechtigt gewesen, von einer mündlichen Berufungsverhandlung abzusehen, weil der Beschwerdeführer seinen Antrag nicht begründet habe. Aus der in § 51 e VStG festgelegten Wertgrenze von 500,-- EUR gehe die klare Absicht des Gesetzgebers hervor, dass in Bagatellverfahren aus Gründen des Kostenaufwandes lediglich in Ausnahmefällen eine mündliche Verhandlung stattfinden soll. Daraus folge zwingend, dass ein derartiger Parteienantrag auch entsprechend begründet werden müsse, könnte doch ansonsten diese Absicht des Gesetzgebers konterkariert und der Vollzugsbereich durch aufwändige Bagatellverfahren geradezu lahm gelegt werden. Die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte stehe der "Forderung nach einer derartigen Begründungspflicht" nicht entgegen.
Diesen Darlegungen ist zu erwidern, dass dem § 51 e VStG eine Anordnung, wonach ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung - bei sonstiger Unwirksamkeit - einer Begründung bedürfe, nicht entnommen werden kann. Die von der belangten Behörde angestellten Überlegungen können die ausdrückliche Anordnung einer Begründungspflicht, wie sie etwa in § 63 Abs. 3 AVG normiert wird, nicht ersetzen. Es kann daher auf sich beruhen, ob das Fehlen einer solchen Begründung ohne weiteres - insbesondere ohne nach § 13 Abs. 3 AVG iVm § 24 VStG vorzugehen - dazu berechtigte, den Antrag zu übergehen. Ebenso kann unerörtert bleiben, ob eine Regelung, wie sie der belangten Behörde vorschwebt, angesichts der Rechtsprechung des EGMR zum Erfordernis einer mündlichen Verhandlung vor den unabhängigen Verwaltungssenaten (vgl. hiezu das Urteil vom 20. Dezember 2001 über die Beschwerde Nr. 32.381/96 im Fall Baischer gegen Österreich) als dem Art. 6 Abs. 1 EMRK entsprechend angesehen werden könnte.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 16. Dezember 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002100147.X00Im RIS seit
29.04.2003