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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art131 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, in der Beschwerdesache des Dr. G in Graz, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 10. Juli 2001, Zl. 2001/0351, betreffend Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer in Graz vom 30. September 1998 wurde über den Beschwerdeführer wegen des Disziplinarvergehens gemäß § 1 Abs. 1 des Disziplinarstatuts 1990 (DSt) auf Grund der mittlerweile rechtskräftig gewordenen Verurteilung des Landesgerichtes Leoben die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 DSt verhängt.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission (OBDK) vom 27. September 1999 keine Folge gegeben.
Mit Schreiben vom 28. September 1999 teilte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer unter Berufung auf § 72 DSt mit, dass er gegen das Erkenntnis der OBDK Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erhoben habe, mit der der Antrag verbunden sei, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Mit einem weiteren Schreiben vom 20. März 2000 wurde dem Ausschuss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer eine Ablichtung der diesbezüglichen Beschwerde übermittelt.
Die Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Juni 2000, B 578/00 = VfSlg. 15.847, abgewiesen, ohne dass zuvor über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entschieden wurde.
Mit Beschluss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 22. August 2000 wurde nunmehr im Hinblick auf das in Rechtskraft erwachsene Erkenntnis der OBDK vom 27. September 1999 die Streichung des Beschwerdeführers von der Liste der Rechtsanwälte ausgesprochen und vollzogen.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2001 ersuchte der Beschwerdeführer beim Ausschuss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer um (neuerliche) Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte.
Dieses Ansuchen wurde vom Ausschuss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer mit Bescheid vom 10. Juli 2001 zurückgewiesen. Nach der Begründung sei die dreijährige Sperrfrist des § 18 DSt noch nicht abgelaufen. Die Dreijahresfrist könne erst mit der Vollziehung der verhängten Disziplinarstrafe der Streichung durch den Ausschuss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer, das sei der 22. August 2000, zu laufen beginnen. Das gegenständliche Ansuchen sei daher als verfrüht gestellt zurückzuweisen gewesen.
Dieser Bescheid enthält die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen ihn kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist, wohl aber könne innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid aber auch Berufung an die OBDK.
Mit Bescheid vom 4. September 2001, Zl. 2001/0351, wies das Plenum des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer die Berufung als unzulässig zurück. Begründend führte die Behörde aus, dass mit dem erstinstanzlichen Bescheid nicht eine Verweigerung gemäß § 5 Abs. 2 RAO ausgesprochen worden sei. Die inhaltliche Frage sei mit dem angefochtenen Bescheid nicht geprüft worden und daher in diesem Sinne auch nicht entschieden worden. Das Ansuchen sei bereits deshalb zurückgewiesen worden, weil die formalrechtliche Voraussetzung des Ablaufes der dreijährigen Sperrfrist nach § 18 DSt 1990 noch nicht vorgelegen sei. Das Berufungsrecht nach § 5a RAO an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission sei daher nicht gegeben gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die zur Zl. 2001/10/0223 protokollierte Beschwerde sowie vorsichtshalber Berufung (an die OBDK) und stellte (für den Fall, dass die Entscheidung des Plenums des Ausschusses eine Berufungsvorentscheidung darstellen sollte) den Antrag, die Berufung der OBDK vorzulegen.
Die vorliegende Beschwerde ist aus folgenden Erwägungen unzulässig:
Nach § 18 DSt kann ein Rechtsanwalt nach Verhängung der Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste erst dann erneut in die Liste einer Rechtsanwaltskammer eingetragen werden, wenn er seit der Streichung die Rechtsanwaltschaft insgesamt drei Jahre nicht ausgeübt hat. Wegen Vertrauensunwürdigkeit kann die erneute Eintragung auch nach Ablauf dieses Zeitraums von jeder Rechtsanwaltskammer verweigert werden (§ 5 Abs. 2 der Rechtsanwaltsordnung).
Wer die Rechtsanwaltschaft erlangen will, hat gemäß § 5 Abs. 1 der Rechtsanwaltsordnung (RAO) unter Nachweis aller gesetzlichen Erfordernisse bei dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer, in deren Sprengel er seinen Kanzleisitz nimmt, unter Angabe des letzteren seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu erwirken.
Nach § 5 Abs. 2 RAO ist die Eintragung in die Liste zu verweigern, wenn der Bewerber eine Handlung begangen hat, die ihn des Vertrauens unwürdig macht. Der Ausschuss hat die notwendigen Erhebungen zu pflegen und, wenn die Eintragung verweigert werden soll, den Bewerber vorher einzuvernehmen.
Gemäß § 5 Abs. 3 RAO ist die Eintragung zu bewilligen, wenn dem Bewerber nicht ein Grund nach den Bestimmungen dieses Gesetzes entgegensteht.
Inwiefern die Eintragung infolge eines Disziplinarerkenntnisses zu verweigern ist, bestimmen nach § 5 Abs. 4 RAO die Disziplinarvorschriften.
Wird die Eintragung (§ 5) vom Ausschuss verweigert, so steht gemäß § 5a Abs. 1 RAO dem Bewerber das Recht der Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission (§§ 59 ff DSt) zu.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die nicht näher begründete Auffassung zugrunde, dass ein Instanzenzug zur OBDK nicht gegeben sei. Wie sich aus der Begründung des oben genannten, zur Zl. 2001/10/0223 angefochtenen Bescheides ergibt, war die belangte Behörde der Auffassung, dass die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers keine "Verweigerung der Eintragung" im Sinne des § 5a RAO darstelle.
Dem tritt die Beschwerde mit dem Hinweis auf § 18 DSt entgegen, wonach die mit dieser Gesetzesstelle normierte 3-jährige Sperrfrist im Hinblick auf Wortlaut und Sinn eine materielle Eintragungsvoraussetzung darstelle (arg.: "... kann erst dann erneut in die Liste eingetragen werden, wenn ...") und nicht ein verfahrensrechtliches Formerfordernis, weshalb das Verneinen des Vorliegens dieser materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage eine inhaltliche Sachentscheidung darstelle.
Diese Auffassung hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift für nicht zutreffend, da aus dem Wortlaut der §§ 5 und 5a RAO hervorgehe, dass die OBDK als Berufungsinstanz nur angerufen werden könne, wenn dem Eintragungswerber mangels der in der RAO geforderten Voraussetzungen, insbesondere wegen mangelnder Vertrauenswürdigkeit, die Eintragung versagt werde. Aus § 18 DSt ergebe sich, dass vor Ablauf der Sperrfrist von drei Jahren seit der Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte die Frage der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Eintragung, insbesondere die Vertrauenswürdigkeit, gar nicht zu prüfen sei.
Im Beschwerdefall, in dem die (Wieder-)Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte im Hinblick auf die rechtskräftig verhängte Disziplinarstrafe der Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte zur Diskussion stand, durfte der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 4 RAO iVm § 18 DSt erst dann erneut in die Liste der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer eingetragen werden, wenn er seit der Streichung die Rechtsanwaltschaft insgesamt drei Jahre nicht ausgeübt hat, wobei wegen Vertrauensunwürdigkeit die erneute Eintragung auch nach Ablauf dieses Zeitraumes von jeder Rechtsanwaltskammer verweigert werden kann.
Ob es sich beim Ablauf der 3-jährigen Sperrfrist des § 18 DSt um eine formelle oder materiell-rechtliche Voraussetzung handelt, braucht im Beschwerdefall nicht näher untersucht zu werden, da ein Ansuchen um Wiedereintragung in die Liste der Rechtsanwälte vor Ablauf der 3-jährigen Sperrfrist von der Behörde jedenfalls gemäß § 5 Abs. 4 RAO iVm § 18 DSt "zu verweigern" ist. Darauf läuft auch die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte "Zurückweisung" des Ansuchens des Beschwerdeführers hinaus.
Wird die Eintragung gemäß § 5 vom Ausschuss verweigert, so steht dem Bewerber allerdings gemäß § 5a Abs. 1 RAO das Recht auf Berufung an die OBDK zu.
Daraus folgt, dass dem Beschwerdeführer im Sinne des § 5a Abs. 1 RAO das Recht der Berufung an die OBDK zukam. Wie sich aus dem Beschwerdevorbringen zur erwähnten Zl. 2001/10/0223 ergibt, hat der Beschwerdeführer eine Berufung auch tatsächlich erhoben (und auch gegen die Zurückweisung dieser Berufung sowohl einen Vorlageantrag gestellt als auch Berufung erhoben.
Da im Beschwerdefall der Instanzenzug somit nicht ausgeschöpft wurde, war die Beschwerde - ohne auf das weitere Vorbringen einzugehen - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG (insbesondere auf § 51) iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 16. Dezember 2002
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Besondere Rechtsgebiete DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001100179.X00Im RIS seit
06.05.2003