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L55004 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Oberösterreich;Norm
AVG §32;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. H in U, vertreten durch Dr. Reinhardt Paulitsch, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Bauernstraße 9, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. November 2000, Zl. N- 200436/37-2000-Pin/Lin, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Entschädigung gemäß § 33 Abs. 3 Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Kopie des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. Oktober 1999 wurde eine im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Liegenschaft mit den Grundstücken Nr. 2/2 und 2/3 als Naturdenkmal (Insel in einer Flussmündung im Attersee) festgestellt. Gemäß Pkt. II des Bescheides darf die Liegenschaft nicht verändert oder zerstört werden, Eingriffe in die Liegenschaft sind nur erlaubt, wenn sie auf Grund von gesetzlichen Bestimmungen oder im Interesse der Sicherheit von Menschen oder zur Abwehr der Gefahr bedeutender Sachschäden vorgenommen werden müssen. Der Beschwerdeführer hatte nach dem Vorbringen in der Beschwerde vor der bescheidmäßigen Feststellung als Naturdenkmal mehrere Interessenten für die Anmietung der gegenständlichen Liegenschaft, wovon einer einen Mietzins von ATS 90.000,-- exklusive Umsatzsteuer jährlich zu zahlen bereit gewesen wäre. Auf Grund der Erklärung als Naturdenkmal sei eine Vermietung zu einem derartigen Preis nicht mehr möglich gewesen.
Der Bescheid über die Erklärung zum Naturdenkmal wurde dem Beschwerdeführer spätestens am 14. Oktober 1999 zugestellt (nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid am Postamt hinterlegt und am 14. Oktober 1999 vom Beschwerdeführer übernommen).
Mit Antrag vom 16. Oktober 2000 (der auch am 16. Oktober 2000 zur Post gegeben wurde) begehrte der Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1995 (Oö NSchG 1995) als Eigentümer der Grundstücke Nr. 2/2 und 2/3 eine jährliche Entschädigung in Höhe von ATS 90.000,-- zuzüglich der jeweils geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuer und in eventu einen einmaligen Entschädigungsbetrag in der Höhe von ATS 1,360.000,--.
Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde mit dem bekämpften Bescheid als verspätet zurückgewiesen.
Begründend führt die belangte Behörde aus, dass gemäß § 33 Abs. 1 Oö NSchG 1995 der Eigentümer gegenüber dem Land Anspruch auf eine angemessene Entschädigung habe, wenn ein Bescheid, mit dem ein Naturgebilde als Naturdenkmal festgestellt werde (§ 19), eine erhebliche Ertragsminderung eines Grundstückes oder eine erhebliche Erschwerung der Wirtschaftsführung zur Folge habe.
Gemäß § 33 Abs. 3 Oö NSchG 1995 sei der Anspruch auf Entschädigung, wenn eine gütliche Einigung nicht zu Stande komme, bei sonstigem Verlust binnen einem Jahr nach der Rechtskraft des betreffenden Bescheides bei der Landesregierung geltend zu machen. Entscheidend sei im vorliegenden Falle, ob es sich bei der in § 33 Abs. 3 Oö NSchG 1995 normierten Frist von einem Jahr um eine materiell-rechtliche oder eine formell-rechtliche Frist handle. Solle eine Handlung prozessuale Rechtswirkungen auslösen, so seien die dafür gesetzten Fristen verfahrensrechtliche Fristen. Sei eine Handlung auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen gerichtet, so stelle eine allenfalls dafür vorgesehene Frist eine materiellrechtliche Frist dar (Hinweis auf Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 482). Die belangte Behörde unterscheide mit der zitierten Literaturstelle "Verfahrenshandlungen ..., die auf die Erzeugung eines Bescheides gerichtet sind, wie
z. B. Antragsfristen, Rechtsmittelfristen, sodass die für solche Handlungen vorgeschriebenen Fristen verfahrensrechtliche (formelle) Fristen darstellen" und materiell-rechtliche Fristen, "innerhalb welcher nach den Verwaltungsvorschriften Ansprüche in der Sache geltend zu machen" seien.
Gemäß § 33 Abs. 3 Oö NSchG 1995 sei der Anspruch auf Entschädigung (also ein Anspruch in der Sache selbst) binnen einem Jahr nach Rechtskraft des betreffenden Bescheides geltend zu machen. Auf Grund des Wortlautes der Bestimmung sei davon auszugehen, dass es sich bei der festgelegten Frist um eine materiell-rechtliche handle. § 33 Abs. 3 Oö NSchG 1995 normiere auch keine Verjährung, bei der nicht das Recht selbst untergehe, sondern nur die Klagbarkeit erlösche. Von den Verjährungsfristen seien Ausschluss- oder Präklusivfristen zu unterscheiden. Bei diesen werde die "Lebensdauer" eines Rechtes von vornherein begrenzt, sodass nach Ablauf der Ausschlussfrist das Recht vollkommen vernichtet sei. § 33 Abs. 3 Oö NSchG regle eine derartige Ausschlussfrist.
Der Bescheid betreffend die Erklärung zum Naturdenkmal sei ein letztinstanzlicher Bescheid, der mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar sei. Die Wirkungen des Bescheides letzter Instanz träten mit seiner Erlassung, also mit der Zustellung, ein. Damit sei der Bescheid nicht am 25. November 1999 rechtskräftig geworden, sondern bereits mit seiner Zustellung am 14. Oktober 1999.
Die §§ 32 ff AVG regelten nach herrschender Lehre verfahrensrechtliche Fristen. Diese Bestimmungen seien auf materiell-rechtliche Fristen nicht anwendbar. Während die Tage des Postenlaufes in eine prozessuale Frist nicht einzurechnen seien, es also zur Wahrung der Frist genüge, dass das schriftliche Anbringen der Post zur Beförderung übergeben werde, müssten bei materiell-rechtlichen Fristen die Tage des Postenlaufes in den Lauf der Frist eingerechnet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der im Wesentlichen die Auffassung vertreten wird, dass es sich bei der gegenständlichen Antragsfrist um eine verfahrensrechtliche Frist handle. Die Fristberechnung sei nach den §§ 32 ff AVG vorzunehmen. Da bei einem Beginn des Fristenlaufes mit der Zustellung am 14. Oktober 1999 die 1-Jahres-Frist am 14. Oktober 2000 abgelaufen sei und dieser Tag ein Samstag gewesen sei, sei die Aufgabe am darauf folgenden Werktag, dem 16. Oktober 2000, fristgerecht erfolgt. Die Zurückweisung sei daher zu Unrecht erfolgt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 33 des im Beschwerdefall anzuwendenden Oberösterreichischen
Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1995, LGBl. Nr. 37/1995,
lautete:
"§ 33
Entschädigung
(1) Hat eine Verordnung, mit der ein Gebiet zu einem Landschaftsschutzgebiet (§ 9), einem geschützten Landschaftsteil (§ 10) oder einem Naturschutzgebiet (§ 21) erklärt wurde, oder hat ein Bescheid, mit dem ein Naturgebilde als Naturdenkmal festgestellt wurde (§ 19), eine erhebliche Ertragsminderung eines Grundstückes oder eine erhebliche Erschwerung der Wirtschaftsführung zur Folge, hat der Eigentümer gegenüber dem Land Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, wenn nicht anderweitig für eine Entschädigung vorgesorgt ist.
(2) Verliert ein Grundstück durch eine der im Abs. 1 erwähnten Maßnahmen für den Eigentümer zur Gänze und auf Dauer seine wirtschaftliche Nutzbarkeit, ist es auf Verlangen des Eigentümers durch das Land einzulösen.
(3) Der Anspruch auf Entschädigung bzw. Einlösung ist, wenn eine gütliche Einigung nicht zu Stande kommt, bei sonstigem Verlust binnen einem Jahr nach dem Inkrafttreten der betreffenden Verordnung oder der Rechtskraft des betreffenden Bescheides bei der Landesregierung geltend zu machen."
In der Beschwerde wird die Zustellung des Bescheides der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Oktober 1999 betreffend die Erklärung zum Naturdenkmal mit spätestens 14. Oktober 1999 nicht bestritten. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass die in § 33 Abs. 3 Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1995 enthaltene Regelung eine verfahrensrechtliche Frist normiere, sodass bei Anwendung der Vorschriften des AVG die Aufgabe des Schriftsatzes betreffend die Antragstellung auf Entschädigung am 16. Oktober 2000 fristgerecht gewesen sei.
Dieser Auffassung ist aus den folgenden Erwägungen nicht zu folgen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind verfahrensrechtliche Fristen von materiell-rechtlichen Ausschlussfristen zu unterscheiden. Gesetzliche Regelungen, die eine Frist für eine Antragstellung "bei sonstigem Verlust" oder "bei sonstigem Anspruchsverlust" vorsehen, normieren nach der hg. Rechtsprechung materiellrechtliche Fristen, auf welche die Vorschriften des AVG für die Fristberechnung nicht anzuwenden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. März 1950, Slg. Nr. 1291/A, oder das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1993, Zl. 93/06/0053, zu § 34 Abs. 5 Stmk. Raumordnungsgesetz; weitere Beispiele für als materiellrechtlich qualifizierte Fristen bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E 1b und 1c zu § 71 AVG). In ähnlicher Weise hat etwa zuletzt der Verfassungsgerichtshof die Frist zur Antragstellung nach § 115 Abs. 4 Bundesvergabegesetz 1997 für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen als materiellrechtliche Frist qualifiziert (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 2002, B 1426/99).
Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Antrag auf Entschädigung gemäß § 33 Abs. 3 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1995 binnen einen Jahres ab der Zustellung des letztinstanzlichen Bescheides über die Erklärung zum Naturdenkmal, somit jedenfalls spätestens am 14. Oktober 2000, bei der Behörde einlangen hätte müssen. Dies war unbestritten nicht der Fall.
Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. März 1983, Zl. 82/08/0070, geltend macht, dass im Zweifelsfalle nicht vom Vorliegen einer materiellrechtlichen Frist auszugehen sei, so ist hiezu darauf hinzuweisen, dass angesichts der Formulierung des § 33 Abs. 3 Oö NSchG 1995 und der genannten hg. Rechtsprechung zu Fristen betreffend die Geltendmachung von Ansprüchen bei sonstigem Anspruchsverlust kein derartiger Zweifelsfall vorliegt, da die Wendung "bei sonstigem Verlust" im vorliegenden Fall in der auszulegenden Vorschrift enthalten ist.
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in dem geltend gemachten Recht verletzt wurde. Da dies bereits aus dem Inhalt der Beschwerde erkennbar ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 16. Dezember 2002
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001100006.X00Im RIS seit
29.04.2003