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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. Wolfgang A. Schwarz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Februar 2001, Zl. MA 65 - 8/452/2000, betreffend Wiederausfolgung eines ausländischen Kennzeichens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Nach dem Inhalt einer Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien vom 24. März 2000 erfolgten aus der Bevölkerung Hinweise, dass ein Pkw mit kanadischem Kennzeichen schon seit ca. einem Jahr immer wieder zum Parken in der H. Straße abgestellt worden sei. Organe der Straßenaufsicht stellten fest, dass es sich bei dem am Pkw angebrachten Kennzeichen um ein kanadisches Kennzeichen der Provinz Alberta gehandelt hat. Sie forschten den Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer aus und nahmen ihm am 24. März 2000 den Zulassungsschein und die kanadische Kennzeichentafel ab.
In einer (undatierten) Eingabe, hinsichtlich der das Datum des Einlangens bei der Erstbehörde nach der Aktenlage nicht feststellbar ist, die aber nach der Aktenlage vor der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides bei der Behörde eingelangt ist, wird unter anderem vorgebracht, dass sich die am Kennzeichen angebrachten Aufkleber (Sticker) auf die Bezahlung der kanadischen Straßenbenützungsgebühr beziehen, die dann nicht zu entrichten sei, wenn sich das Kraftfahrzeug außerhalb Kanadas befinde. Weiters liegt im Akt ein Schreiben einer kanadischen Gesellschaft (deren Präsident der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen ist) vom 13. September 2000 in englischer Sprache, das Ausführungen zur Zulassung von Kraftfahrzeugen nach kanadischem Recht enthält.
Mit Bescheid vom 14. September 2000 wies die Bundespolizeidirektion Wien den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederausfolgung des kanadischen Kennzeichens gemäß § 36 lit. a in Verbindung mit § 48 Abs. 1 und § 82 Abs. 8 KFG 1967 ab. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer wohne seit April 1999 an einer näher genannten Adresse in Wien und habe hier den gegenwärtigen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen. Er sei rechtskräftig gemäß § 36 lit. a KFG 1967 und gemäß § 3 Abs. 1 Meldegesetz 1991 bestraft worden. Gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 seien Kraftfahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dauerndem Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG sei nur innerhalb von drei Tagen ab Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben der Kraftfahrzeug-Registrierungsbehörde in Alberta (Kanada) gehe hervor, dass eine Erneuerung der Registrierung des Pkws nicht vorgenommen werden könne, weil sich das Kraftfahrzeug nicht in Kanada befinde. Es sei somit der Ablauf der Zulassung als erwiesen anzusehen.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung, in der im Wesentlichen vorbrachte, er habe seinen Hauptwohnsitz nicht im Inland, er sei nicht bestraft worden und der Pkw sei außerhalb Kanadas nicht "Sticker pflichtig".
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Abweisung des Antrages auf Wiederausfolgung des kanadischen Kennzeichens auf § 36 lit. a in Verbindung mit § 82 Abs. 1 und § 102 Abs. 12 KFG 1967 gestützt werde. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer nach der Aktenlage keinen Hauptwohnsitz in Österreich begründet habe, sei nicht § 82 Abs. 8 KFG 1967 heranzuziehen gewesen. Der Beschwerdeführer sei mit der rechtskräftigen Strafverfügung vom 27. März 2000 wegen der Übertretungen nach § 36 lit. a in Verbindung mit § 134 KFG 1967 und nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 22 Meldegesetz 1991 bestraft worden. Im Hinblick auf diese Bestrafung könne von einer aufrechten Zulassung des Kraftfahrzeuges nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer habe auch keine neuen Beweismittel vorgelegt, aus denen in zweifelsfreier Weise hervorgehe, dass das gegenständliche Kraftfahrzeug in Kanada zugelassen sei, zumal dem Schreiben der Kraftfahrzeugregistrierungsbehörde in Alberta - Kanada entnommen werden könne, dass bei der Rückkehr nach Kanada eine Erneuerung der Registrierung erforderlich sei. Die Abnahme des Kennzeichens sei somit zu Recht erfolgt. Da sich an der Sachlage seit der Abnahme des Kennzeichens nichts geändert habe, sei der Berufung keine Folge zu geben. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass das Verwenden von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig sei, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht worden seien und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 eingehalten würden (§ 79 KFG 1967).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des KFG 1967 (in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Änderung des § 82 Abs. 8 durch das 2. Abgabenänderungsgesetz 2002 BGBl. I Nr. 132/2002) von Bedeutung:
"IV. ABSCHNITT
Zulassung zum Verkehr, Probe- und Überstellungsfahrten und Kennzeichen der Kraftfahrzeuge und Anhänger
§ 36. Allgemeines
Kraftfahrzeuge und Anhänger außer Anhängern, die mit Motorfahrrädern gezogen werden, dürfen unbeschadet der Bestimmungen der §§ 82, 83 und 104 Abs. 7 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen und von nicht zugelassenen Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn
a) sie zum Verkehr zugelassen sind (§§ 37 bis 39) oder mit ihnen behördlich bewilligte Probe- oder Überstellungsfahrten (§§ 45 und 46) durchgeführt werden, ...
...
§ 79. Das Verwenden von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, ist auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 eingehalten werden.
...
§ 82. Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen
(1) Kraftfahrzeuge und Anhänger mit ausländischem Kennzeichen (§ 79 Abs. 1) müssen von einem Mitgliedstaat des Pariser Übereinkommens über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, BGBl. Nr. 304/1930, des Genfer Abkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 222/1955, oder des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 289/1982, zugelassen sein. ...
...
(8) Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, sind bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während der drei unmittelbar auf ihre Einbringung in das Bundesgebiet folgenden Tage zulässig...... "
Für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, der sich - anders als der erstinstanzliche Bescheid, der vom Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers in Österreich ausgegangen ist und sich auf § 82 Abs. 8 KFG 1967 gestützt hat - auf § 82 Abs. 1 KFG 1967 gründet, ist maßgebend, ob die Auffassung der belangten Behörde, der PKW des Beschwerdeführers sei in Kanada (als Mitgliedstaat des Genfer Abkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 222/1955) nicht zugelassen, zutrifft. Die belangte Behörde stützt sich in diesem Zusammenhang auf die Bindung an die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der Übertretung des § 36 lit. a KFG 1967. Dazu ist zu bemerken, dass Bindung nur insoweit besteht, als die Frage, die von einer Behörde als Vorfrage zu entscheiden ist, von einer anderen Behörde als Hauptfrage entschieden worden ist (siehe die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) unter E. Nr. 50 bis 52 zu § 38 AVG zitierte hg. Rechtsprechung). Die Frage, ob und welche Tatbestandsmerkmale der in § 36 KFG 1967 genannten Ausnahmebestimmungen der §§ 82, 83 und 104 Abs. 7 leg. cit. erfüllt sind, ist nicht Hauptfrage des Verwaltungsstrafverfahrens, sondern von der Verwaltungsstrafbehörde ebenso als Vorfrage zu beurteilen, wie die belangte Behörde diese Fragen zu beurteilen hatte, um über das Begehren auf Wiederausfolgung des kanadischen Kennzeichens entscheiden zu können. Auf Grund der rechtskräftigen Strafverfügung stand für die belangte Behörde daher nicht bindend fest, dass der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat - in diesem Fall wäre zufolge § 82 Abs. 8 KFG 1967 trotz aufrechter kanadischer Zulassung die Verwendung des Pkws nur innerhalb von drei Tagen ab Einbringung in das Bundesgebiet zulässig gewesen -, noch stand bindend fest, dass der Pkw in Kanada nicht (mehr) zugelassen ist. Die Bindung an die rechtskräftige Strafverfügung machte daher nicht die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und konkrete Sachverhaltsfeststellungen dazu entbehrlich, ob die Zulassung des Pkws in Kanada noch aufrecht ist, wie der Beschwerdeführer behauptet, oder ob die Zulassung bereits erloschen ist. Diese Frage war nach der von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmung des § 82 Abs. 1 KFG 1967 von entscheidender Bedeutung.
Der angefochtene Bescheid enthält keine Feststellungen über den Inhalt des kanadischen Zulassungsscheins, sodass nicht beurteilt werden kann, ob nicht bereits aus dieser Urkunde hervorgeht, dass der Pkw in Kanada nur für eine bestimmte (mittlerweile abgelaufene) Frist zugelassen war. Die belangte Behörde hat auch keine Ermittlungen zu dem vom Beschwerdeführer erstatteten und nicht von vornherein als unrichtig zu erkennenden Vorbringen durchgeführt, dass die auf dem Kennzeichen angebrachten Sticker (Aufkleber) lediglich die Entrichtung der (kanadischen) Straßenbenützungsgebühr betreffen und die Zulassung auch dann aufrecht sei, wenn eine solche Gebühr nicht entrichtet werde. Die belangte Behörde hat dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die in der genannten Verordnung festgesetzten Pauschalbeträge für Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten.
Wien, am 17. Dezember 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001110118.X00Im RIS seit
14.04.2003