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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des R in F, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Grazbachgasse 39, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 28. August 2002, Zl. LGS600/ALV/1218/2002-Mag.En/S, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 25. Juli 2002 wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Arbeitslosengeld gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 iVm § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus seiner Tätigkeit als Gemeinderat ein Einkommen beziehe, das die gesetzliche Geringfügigkeitsgrenze übersteige.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, dass es sich dabei um eine "außer- bzw. nebenberufliche Tätigkeit" handle, die einer Freizeitbeschäftigung gleichkomme. Er erhalte für diese Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung von EUR 434,-- abzüglich EUR 17,14 Kranken- und Unfallversicherungsbeitrag. Auch berief sich der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 2001, Zl. 2000/08/0133.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In ihrer Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer sei bei der Stadtgemeinde F als Gemeinderat tätig und übe daher "eine Beschäftigung im Sinne des Arbeitslosenversicherungsgesetzes aus". Der monatliche Bezug von EUR 434,-- übersteige die Geringfügigkeitsgrenze von EUR 301,54. Auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ging die belangte Behörde nicht weiter ein.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde unter Hinweis auf § 35 Abs. 2 VwGG und das Erkenntnis vom 9. August 2002, Zl. 2002/08/0048, aufgefordert, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob sich unter Bedachtnahme auf die Höhe der Bezüge des Beschwerdeführers nicht schon aus der Begründung des angefochtenen Bescheides dessen Rechtswidrigkeit ergibt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie auf die Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes der Sache nach nicht reagiert, die Begründung des angefochtenen Bescheides wiederholt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben.
Die diesbezüglich maßgeblichen Bestimmungen des § 12 AlVG idF
BGBl. I Nr. 103/2001 lauten auszugsweise:
"Arbeitslosigkeit
§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.
(2) Ein selbständiger Pecher gilt in der Zeit der saisonmäßigen Erwerbsmöglichkeit, das ist vom dritten Montag im März bis einschließlich dritten Sonntag im November eines jeden Jahres, nicht als arbeitslos. In der übrigen Zeit des Jahres gilt der selbständige Pecher als arbeitslos, wenn er keine andere Beschäftigung gefunden hat.
(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:
a)
wer in einem Dienstverhältnis steht;
b)
wer selbständig erwerbstätig ist;
c)
wer ein Urlaubsentgelt nach dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1972, BGBl. Nr. 414, in der jeweils geltenden Fassung bezieht, in der Zeit, für die das Urlaubsentgelt gebührt;
d) wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist;
e) wer eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in anderer Weise angehalten wird;
f) wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne dass ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht;
g) wer an mehr als 16 Tagen im Kalendermonat vorübergehend erwerbstätig ist oder aus vorübergehender Erwerbstätigkeit im Kalendermonat ein Nettoeinkommen (§ 21a Abs. 2) erzielt, welches den Höchstbetrag (das ist der mit der Anzahl der Tage im Kalendermonat vervielfachte des Arbeitslosengeldes höchstmögliche tägliche Grundbetrag zuzüglich der Hälfte des der Geringfügigkeitsgrenze für den Kalendermonat gemäß § 5 Abs. 2 ASVG entsprechenden Betrages, bei Anspruch auf Familienzuschläge überdies zuzüglich den mit der Anzahl der Tage im Kalendermonat vervielfachten Familienzuschlägen) übersteigt, für diesen Kalendermonat;
h)
ein Lehrbeauftragter in den Semester- und Sommerferien;
i)
wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.
(4) Abweichend von Abs. 3 lit. f gilt als arbeitslos, wer
1. während eines Zeitraumes von zwölf Monaten vor der Geltendmachung mindestens 39 Wochen, davon 26 ochen durchgehend, oder mindestens die Hälfte der Ausbildungszeit, wenn diese kürzer als zwölf Monate ist, arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war,
2. zugleich dem Studium oder der praktischen Ausbildung nachgegangen ist und
3. die letzte Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht selbst zwecks Fortsetzung des Studiums oder der praktischen Ausbildung freiwillig gelöst hat.
(5) Die Teilnahme an Maßnahmen der Nach- und Umschulung sowie zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, die im Auftrag des Arbeitsmarktservice erfolgt, gilt nicht als Beschäftigung im Sinne des Abs. 1.
(6) Als arbeitslos gilt jedoch,
a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben;
b) wer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr führt, dessen Einheitswert von 4 700 Euro nicht übersteigt;
c) wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt;
d) wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten der Eltern oder Kinder tätig ist, sofern das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigen würde;
e) wer als geschäftsführender Gesellschafter aus dieser Tätigkeit ein Einkommen gemäß § 36a oder einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des auf Grund seiner Anteile aliquotierten Umsatzes der Gesellschaft die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.
....
(9) Der im Abs. 6 lit. b genannte Betrag ist mit Wirkung ab 1. Jänner des Jahres 2003 und jedes darauffolgenden Jahres mit der Aufwertungszahl (§ 108a ASVG) des jeweiligen Kalenderjahres zu vervielfachen und kaufmännisch auf einen vollen Eurobetrag zu runden."
Der Begriff des Erwerbseinkommens, wie er auch für § 12 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung maßgeblich ist, umfasst nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ohne Weiteres alle Einkünfte, die mit der Ausübung eines öffentlichen Mandates verbunden sind. Erwerbseinkommen im Sinne des § 12 AlVG sind im gegenständlichen Zusammenhang vielmehr nur dann gegeben, wenn die Bezüge eines öffentlichen Mandatars ein Ausmaß erreichen, welches zeigt, dass sie nicht nur den Zweck haben, mit der Ausübung des Mandates in der Regel verbundene Aufwendungen abzugelten, sondern auch z. B. einen angemessenen Beitrag zum Lebensunterhalt der betreffenden Person zu bilden (vgl. die Zusammenfassung und Bekräftigung der bisherigen Rechtsprechung im hg. Erkenntnis vom 9. August 2002, Zl. 2002/08/0048, welches zum Fall eines Gemeindekassiers im Sinne des Stmk. Bezügegesetzes ergangen ist).
In der bisherigen Rechtsprechung zu Einkünften öffentlicher Mandatare im hier maßgeblichen Zusammenhang, an der weiterhin festzuhalten ist, wurden monatliche Einkünfte aus öffentlichen Mandaten in der Höhe von S 8.003,-- (hg. Erkenntnis vom 13. November 1990, Zl. 89/08/0229, Slg. Nr. 13.308/A), S 4.933,-- (hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/08/0133), S 10.502,-- (hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, Zl. 2001/19/0048), S 4.076,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0044), S 6.077,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0015), S 4.530,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0012), S 5.823,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0020), S 4.557,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0063), S 11.444,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0013) und S 7.900,-- (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis vom 9. August 2002, Zl. 2002/08/0048), ferner S 8.150,80,-- (OGH vom 15. Juni 1993, Zl. ObS 89/1993, bei Anwendung des § 12 AlVG im Zusammenhang mit dem Sonderunterstützungsgesetz) sowie S 19.777,-- (OGH vom 17. Oktober 1995, Zl. 10 ObS 169/95, ebenfalls bei Anwendung des § 12 AlVG im Zusammenhang mit dem Sonderunterstützungsgesetz) nicht als die Arbeitslosigkeit ausschließend angesehen. Anders war dies im hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0125, Slg. Nr. 14.130/A, hinsichtlich der (damaligen) Bezüge einer Abgeordneten zum Nationalrat.
Die Bezüge des Beschwerdeführers für die Ausübung seiner Funktion als Gemeinderat einer steiermärkischen Gemeinde in der Höhe von EUR 434,-- stehen somit der Annahme von Arbeitslosigkeit keinesfalls entgegen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, orientiert sich der Begriff der die Arbeitslosigkeit ausschließenden "Beschäftigung" im Verständnis des § 12 Abs. 1 AlVG auch an der Ausgestaltung der Tätigkeit, aus der das Einkommen erzielt wird (vgl. z.B. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0063). Dazu ist festzuhalten, dass dem politischen Mandatar jedenfalls so viel Zeit bleiben muss, dass er verfügbar im Sinne des § 7 Abs. 2 AlVG ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 1998, Zl. 97/08/0106, vom 29. März 2000, Zl. 98/08/0063 und vom 27. Juli 2001, Zl. 2000/08/0216). Diesbezügliche Ermittlungen hat die belangte Behörde, da sie die Rechtslage verkannt hat, unterlassen.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 17. Dezember 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002080239.X00Im RIS seit
14.04.2003