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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §135;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Vereines I in K, vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. Mai 2002, Zl. RV / 108-09/03/99, betreffend Versicherungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Finanzen) hat dem beschwerdeführenden Verein Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-
- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern schrieb dem beschwerdeführenden Verein mit Bescheiden vom 18. Mai 1998 die Zahlung von Versicherungssteuer gemäß § 6 des Versicherungssteuergesetzes 1953, BGBl. Nr. 133 (in der Folge: VersStG) jeweils für die Jahre 1992 bis 1997 vor. Für das Jahr 1997 wurde die Versicherungssteuer mit S 77.683,-- bemessen, wobei die erstinstanzliche Behörde gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 lit. b VersStG den Steuersatz von 4 % des Versicherungsentgelts zur Anwendung brachte.
Der beschwerdeführende Verein erhob gegen diese Bescheide Berufung, in welcher er die Auffassung vertrat, die von ihm angebotenen Versicherungsleistungen fielen unter den Begriff der Krankenversicherung und wären daher richtigerweise mit dem Steuersatz gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 VersStG von 1 % des Versicherungsentgelts zu bemessen.
Mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern vom 17. Dezember 1998 wurde diese Berufung abgewiesen, worauf der beschwerdeführende Verein am 15. Januar 1999 die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die belangte Behörde beantragte.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Mai 2002 wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid vom 18. Mai 1999 (richtig: 1998) betreffend "die Kalendervierteljahre 1997" als unbegründet ab. Die belangte Behörde stellte fest, dass der beschwerdeführende Verein nach dem Inhalt einer Allonge zu einem Erlagschein gegen Bezahlung von Geldbeträgen, gestaffelt nach Tagen der Versicherungsdauer (10, 31, 365), für Einzelpersonen, Reisepaare, Familien mit Kindern, für Europa oder weltweit, "Sicherheit" anbiete. Als Leistungspaket werde angeboten:
"1. Nottransport und Rückholung (Jet, Linie, Krankenwagen) aus dem Ausland nach Österreich mit medizinischer Betreuung, sofern der Einzahler bzw. die mitreisenden Personen im Ausland nicht im ausreichenden Maße behandelt oder versorgt werden können.
2. Verlegungsflug innerhalb von Österreich nach einem Ambulanzflug, wenn sich dafür eine medizinische Notwendigkeit ergibt bis S 20.000,--.
3. Mitflugmöglichkeit des Reisepartners, Ehegatten, Elternteils, Kindes während eines Ambulanzfluges bis zu S 15.000,--.
4. Arzthonorar: Übernahme der in einem ausländischen Krankenhaus vor einem Ambulanzflug anfallenden Kosten medizinischer Versorgung bis zu S 20.000,--.
5. Medikamente: Organisation und Veranlassung von Transporten von am Aufenthaltsort nicht erhältlichen, aber unbedingt erforderlichen Medikamenten.
6. Bergungskosten nach einem Unfall (Primärrettung) durch einen Hubschrauber im Ausland bis zu S 20.000,-- sowie Übernahme der Rettungskosten weltweit aus Berg- und Wassernot im Ausland bis zu S 20.000,--.
7. Todesfall: Kosten des Rücktransportes bis zu S 100.000,--.
Mitreisende: Kosten des Rückfluges bis zu S 15.000,-- organisiert.
8. Nicht medizinischer Notfall: Bei Todesfall infolge Unfall naher Angehöriger zu Hause: Organisation des Rückfluges bis zu
S 15.000,--."
Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 1997, Zl. 95/15/0022, sei abgesprochen worden, dass es sich bei den Umsätzen des Vereines um solche handle, die aus einem Versicherungsverhältnis getätigt würden und die Entgelte dem § 3 VersStG unterstellt werden könnten.
Nach dem Begleitschreiben zu den Versicherungssteuererklärungen für die Jahre 1992 bis 1996 vom 18. Dezember 1997 habe der beschwerdeführende Verein die Rechtsansicht vertreten, bei den der Versicherungssteuer unterliegenden Mitgliedsbeiträgen handle es sich um Beiträge zu einer Krankenversicherung. Das Finanzamt habe mit dem Bescheid erster Instanz für das Jahr 1992 (richtig: 1997) unter Anwendung eines Steuersatzes von 4 % Versicherungssteuer in Höhe von S 72.683,-- erhoben. Die Steuer sei vom Gesamtbetrag der an den Versicherer gezahlten Versicherungsentgelte (= vereinnahmte Mitgliedsbeiträge) bemessen worden.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass aus der Systematik des § 6 VersStG Personenversicherungen und Sachversicherungen zu erkennen seien und verwies hiebei auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Mai 1973, Zl. 8/73. Innerhalb der Personenversicherungen (Z 1 bis 3) werde weiter differenziert: 4 % im Allgemeinen, 11 % bei besonderen Kapitalversicherungen, 2,5 % bei Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsversorgung und 1 % bei der Krankenversicherung. Bei der Auslegung von Steuergesetzen, insbesondere bei Begünstigungsbestimmungen sei eine einschränkende Auslegung geboten. Nach der amtlichen Begründung zu den §§ 1 bis 11 des VersStG 1937 (RStBl. Nr. 51 vom 17. Juli 1937, Seite 839 ff) sei in § 6 der Steuersatz bei selbstständigen Versicherungszweigen oder -arten geregelt. Es handle es sich hiebei um Begriffe, die sich im Laufe der Zeit im Versicherungsgeschäft herausgebildet hätten. Im Versicherungsrecht seien diese Begriffe nicht festgelegt oder abgegrenzt. Für das Versicherungsrecht sei es von entscheidender Bedeutung, ob ein Versicherungsverhältnis einen selbstständigen Versicherungszweig oder eine selbstständige Versicherungsart darstelle. Von der Entscheidung dieser Frage hänge die Höhe des Steuersatzes ab. Die Frage, welcher selbstständige Versicherungszweig vorliege, sei nach der Rechtsprechung danach zu beantworten, gegen welche Gefahren die Versicherung geschlossen sei, nicht aber danach, welche Arten von Schäden durch die Versicherung gedeckt seien. Der Begriff der "Krankenversicherung" sei im VersStG nicht definiert. "Krankenversicherung" sei nicht nur in § 6 Abs. 1 Z 3 VersStG ein Tatbestandselement, sondern auch im § 4 Abs. 1 Z 2 lit. b und c VersStG. Nach diesen Bestimmungen seien "Krankenversicherungen" unter bestimmten Voraussetzungen von der Steuer überhaupt befreit. Im Versicherungsvertragsgesetz (in der Folge: VersVG) würden in § 178b die wesentlichen Versicherungsarten des Versicherungszweiges "Krankenversicherung" aufgelistet: die Krankenkostenversicherung, die Krankenhaustagegeldversicherung und die Krankengeldversicherung. Mit dieser Auflistung sei der Gegenstand bzw. seien die Gegenstände der Versicherung beschrieben. Man werde immer noch von einer Krankenversicherung sprechen können, wenn nur eine Krankheitskostenversicherung oder nur eine Krankenhaustagegeldversicherung vorliege. Der Zweck einer Krankenversicherung sei es, eine Versicherung gegen einen Krankheitsfall zu sein. Der Umfang der Kosten eines Krankheitsfalles sei nicht vorhersehbar, insbesondere auch nicht aus der Komponente der Dauer. Gerade aber dieses Risiko gelte es bei einer typischen Krankenversicherung abzudecken. Im vorliegenden Fall gehe es im Wesentlichen nicht um die Gefahr, die hohen Kosten der Krankheit nicht tragen zu können. Das Risiko von Transportkosten stehe wohl mit einer Erkrankung im Zusammenhang, doch könne nicht gesagt werden, es liege eine private Krankenversicherung vor, wenn nur dieses Risiko als Hauptrisiko abgedeckt werde: Es sei nämlich mit der Versicherung betreffend Transportkosten keine der drei Versicherungsarten im Sinne des VersVG abgedeckt. Die gesetzliche Krankenversicherung sei eine volle Krankenversicherung und decke Krankheitskosten, Krankenhaustagegeld und Krankengeld ab; sie sei gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 lit. a VersStG von der Versicherungssteuer befreit. Krankenversicherungen, die zum Beispiel bei Versorgungseinrichtungen der Kammern selbstständig Erwerbstätiger eingegangen würden, seien gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. b leg. cit. ebenfalls befreit. Es könne davon ausgegangen werden, dass es sich hiebei auch wie bei der gesetzlichen (sozialen) Krankenversicherung um eine "volle" Krankenversicherung handeln müsse. Demnach sei aus der Systematik des Gesetzes zu schließen, dass auch die private Krankenversicherung eine solche sein müsse, die im landläufigen Sinn annähernd wie die soziale Krankenversicherung eine volle Sicherheit im Krankheitsfall biete, also auch auf Dauer ausgerichtet sei und nicht zum Beispiel mit zehn Tagen beschränkt sei. Der Krankentransport sei zwar eine Leistung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung, doch könne durch Versicherung dieses einen Kostenrisikos nicht von einer Krankenversicherung schlechthin gesprochen werden. Gemäß der Praxis der Versicherungen falle die Reisekrankenversicherung nicht in den Bereich der Krankenversicherung. In Abgrenzung dazu werde die Krankenversicherung als eine solche verstanden, die die Gefahr einer Krankheit beim Leben "vor Ort" betreffe, also dort, wo der Versicherte den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen habe. Bei der Krankenversicherung gelte es, die Gefahr der Krankheit abzusichern, wie sie jedermann im Laufe seines Lebens in seiner gewohnten Umgebung treffen könne. Im Hinblick darauf sei der begünstigte Steuersatz von 1 % auch verständlich. In § 4 Abs. 1 Z 2 lit. c VersStG sei eine Ausnahme von der Besteuerung geregelt, und zwar auch für die Krankenversicherungen, für die Versicherungspflicht bestehe. Es liege auf der Hand, dass der Umfang dieser Versicherungen beschränkt sei auf Krankheiten, die "im normalen Leben im Ort sich ereignen könnten und wie sie eine Vielzahl von Menschen zu tragen hätte". Nach der Bestimmung des § 18 Abs. 1 Z 2 EStG könnten Beiträge und Versicherungsprämien zu einer freiwilligen Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherung als Sonderausgaben geltend gemacht werden. In der rechtlichen Gewichtung der Begriffe Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung werde man den Begriff Krankenversicherung auch nur als einen solchen sehen, der das Risiko der Krankheit im gewohnten Umfeld absichere.
Das Schwergewicht bei der vorliegenden Versicherung liege nicht darin, die Gefahr des Menschen in seiner Grundexistenz bei Krankheit mit nicht durchschnittlich zu tragenden Kosten konfrontiert zu werden, versicherungsrechtlich abzusichern, - sei es auch nur eine Krankenzusatzversicherung - also eingereiht in die weiteren grundlegenden Existenzsicherungen für Unfall und Alter, sondern für den Fall des selbstgewählten Umstandes einer Reise, einer Unternehmung, die - freiwillig gewählt - aus den gewohnten Lebensumständen heraustrete. Das Transportkostenrisiko, dessen Absicherung die Hauptleistung des beschwerdeführenden Vereins darstelle, habe wohl mit einer Erkrankung einen Zusammenhang, stelle aber nicht das für eine Krankenversicherung typische Risiko dar. Der begünstigte Steuersatz von 1 % gemäß der Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 3 VersStG komme daher nicht zum Tragen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 6 VersStG stand in der Zeit zwischen 1. Jänner 1997 und 28. November 1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 797/1996 und vom 29. November 1997 bis 31. Dezember 1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 130/1997 in Geltung. Sein erster Absatz lautete in beiden Fassungen der Gesetzesbestimmung:
"§ 6. (1) Die Steuer beträgt:
1. Bei der Lebens- und Invaliditätsversicherung (Kapital- und Rentenversicherungen aller Art) und bei ähnlichen Versicherungen:
a) 11 vH des Versicherungsentgeltes für Kapitalversicherungen einschließlich fondsgebundene Lebensversicherungen auf den Er- oder den Er- und Ablebensfall mit einer Höchstlaufzeit von weniger als zehn Jahren, wenn keine laufende, im Wesentlichen gleich bleibende Prämienzahlung vereinbart ist,
b) 4 vH des Versicherungsentgeltes in allen übrigen Fällen,
2. bei der Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsversorgung im Sinne des Pensionskassengesetzes 2,5 vH der Beiträge,
3.
bei der Krankenversicherung 1 vH des Versicherungsentgeltes,
4.
bei den anderen Versicherungen mit Ausnahme der im Abs. 2 bezeichneten Versicherungen 11 vH des Versicherungsentgeltes.
..."
§ 178b des Versicherungsvertragsgesetzes 1958, BGBl. Nr. 2/1959 (im Folgenden: VersVG) in der im Jahr 1997 in Kraft gestandenen Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 509/1994 war Teil des Vierten Abschnittes "Krankenversicherung" und lautete:
"(1) Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen oder für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich medizinischer Betreuung und Behandlung bei Schwangerschaft und Entbindung im vereinbarten Umfang zu ersetzen.
(2) Bei der Krankenhaustagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung das vereinbarte Krankenhaustagegeld zu leisten.
(3) Bei der Krankengeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankengeld zu ersetzen.
(4) In der Pflegekrankenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im Fall der Pflegebedürftigkeit die Aufwendungen, die für die Pflege der versicherten Person entstehen, im vereinbarten Umfang zu ersetzen (Pflegekostenversicherung) oder das vereinbarte Tagegeld zu leisten (Pflegetagegeldversicherung)."
In der Beschwerde wird geltend gemacht, der beschwerdeführende Verein sei in seinem durch § 6 Abs. 1 Z 3 VersStG gewährleisteten Recht, für (von Mitgliedern eingehobene) Beiträge zu einer Krankenversicherung lediglich 1 % an Versicherungssteuer zahlen zu müssen, verletzt worden. Der beschwerdeführende Verein erbringe die im angefochtenen Bescheid festgestellten Leistungen. Die belangte Behörde habe ebenfalls zutreffend darauf hingewiesen, dass im VersStG der Begriff "Krankenversicherung" nicht definiert werde. Der beschwerdeführende Verein verweise darauf, dass im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung unter näheren Voraussetzungen auch die Kosten von Krankentransporten übernommen würden, und weise auf die Bestimmungen des § 144 Abs. 5 ASVG, § 103 Abs. 4 GSVG, § 89 Abs. 5 BSVG und § 83 Abs. 3 B-KUVG hin. Nach seiner Auffassung seien diese Kosten, wie insbesondere die Einordnung unter "ärztliche Hilfe" in § 135 Abs. 5 ASVG zeige, auch Teil der gemäß § 178b Abs. 1 VersVG dem Versicherten im Rahmen einer privaten Krankenversicherung zu gewährenden ärztlichen Hilfe. Darüber hinaus würden die vom beschwerdeführenden Verein ihren außerordentlichen Mitgliedern (Versicherungsnehmern) gegenüber zu erbringenden Leistungen auch die Übernahme der in einem ausländischen Krankenhaus vor einem Ambulanzflug anfallenden Kosten medizinischer Versorgung, die Organisation und Veranlassung von Transporten von am Aufenthaltsort nicht erhältlichen, aber unbedingt erforderlichen Medikamenten, Bergungskosten und Übernahme der Rettungskosten weltweit aus Berg- und Wassernot im Ausland beinhalten. Auch die medizinische Betreuung des Patienten während eines Transportfluges stelle eine wichtige Leistung dar. Diese Leistungen seien unzweifelhaft dem Bereich der Krankenversicherung zuzuordnen. Gerade die medizinische Aufklärung vor und die ärztliche Behandlung und/oder Überwachung während des Transportes seien ganz wesentliche Leistungen, die die Versicherungsnehmer vom beschwerdeführenden Verein einfordern könnten. Die von der belangten Behörde unterstellte Beschränkung der Leistungen einer Krankenversicherung auf den Ersatz der Kosten einer Krankheit, die den Versicherten ausschließlich "zu Hause" ereile, sei weder den Bestimmungen des (österreichischen) Versicherungsvertragsgesetzes noch den Sozialversicherungsgesetzen zu entnehmen; gerade die zahlreichen Abkommen über soziale Sicherheit zwischen Österreich und anderen Staaten zeige, dass Personen, die bei einem (gesetzlichen) Krankenversicherungsträger oder einer privaten Versicherung krankenversichert seien, auch im Urlaub und bei Aufenthalten im Ausland Versicherungsschutz genössen. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde, wonach auch eine private Krankenversicherung auf Dauer ausgerichtet sein müsse, bestehe gemäß § 178i VersVG die Möglichkeit, auch kurzfristige Krankenversicherungsverträge abzuschließen, sodass die kurze Dauer der vom beschwerdeführenden Verein angebotenen Versicherung gerade nicht gegen die Beurteilung der gegenständlichen Versicherung als Krankenversicherung spreche. Darüber hinaus wird in den Beschwerdeausführungen noch auf § 115 BAO verwiesen, wonach die Abgabenbehörden von Amts wegen verpflichtet seien, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich seien. Im Falle der unzureichenden Ermittlung des Sachverhaltes durch die belangte Behörde liege eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.
Im vorliegenden Fall steht unstrittig fest, dass der beschwerdeführende Verein entgeltliche Leistungen an Nichtmitglieder und "außerordentliche Mitglieder" erbringt. Im Hinblick auf das hg. Erkenntnis vom 11. September 1997, Zl. 95/15/0022, ist davon auszugehen, dass diesbezüglich Umsätze aus Versicherungsverhältnissen vorliegen und die Entgelte dem § 3 VersStG 1953 ("Versicherungsentgelt") subsumiert werden können.
Allein strittig ist im Beschwerdefall die Höhe des Steuersatzes, welcher nach Ansicht des beschwerdeführenden Vereins auf Grund des Vorliegens einer Krankenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 VersStG 1 v. H. betrage. Wie in den Beschwerdeausführungen richtig dargelegt wird, wird der Begriff der "Krankenversicherung" im VersStG nicht definiert. Die belangte Behörde verweist in ihrer Begründung zu diesem Zweck auf § 178b VersVG. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass das VersStG weder auf das VersVG noch auf das Versicherungsaufsichtsgesetz verweist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1979, Zl. 2292/77) und darüber hinaus die Definitionen in § 178b VersVG dispositiver Natur sind (vgl. die bei Grubmann, Versicherungsvertragsgesetz, FN 1 zu § 178b und § 178n VersVG, wiedergegebenen Gesetzesmaterialien). § 178b VersVG umschreibt daher Fälle, in denen (jedenfalls) eine Krankenversicherung vorliegt; die dort enthaltenen Definitionen sind jedoch nicht taxativ.
Bei der hier gegenständlichen Bezeichnung "Krankenversicherung" handelt es sich um einen eigenständig auszulegenden Begriff, dessen Bedeutungsgehalt in erster Linie durch die Heranziehung seines Verständnisses nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu ermitteln ist. Da dieses Begriffsverständnis - im oben aufgezeigten Verständnis - auch in den Bestimmungen des VersVG und der Sozialversicherungsgesetze seinen Niederschlag gefunden hat, können - soweit der Gesetzestext Rückschlüsse auf den Begriffsinhalt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zulässt - auch Bestimmungen dieser Gesetze zur Auslegung herangezogen werden.
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch handelt es sich bei der Krankenversicherung um die kollektive Abdeckung von Risiken, die im Zusammenhang mit Erkrankung, Krankheitsvorsorge und Schwangerschaft auftreten, organisiert in Gestalt der gesetzlichen Krankenversicherung (soziale Krankenversicherung) und der privaten Krankenversicherung (vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden, Band 12, 463 ff; Handbuch der Sozialwissenschaften, Sechster Band, 277, 280 und (für den Bereich der Sozialversicherung) 288, wobei aus der in dem zuletzt genannten Handbuch enthaltenen Definition auch Versicherungsleistungen aus Anlass des Ablebens des Versicherten unter den Begriff der Krankenversicherung subsumiert werden können). Die Krankenversicherung deckt sohin nach allgemeinem Begriffsverständnis (unter anderem) Schäden ab, die aus dem Versicherungsfall der Krankheit entstehen. Dass die möglichen Leistungen aus der Krankenversicherung sich nicht in der Tragung derjenigen Kosten erschöpfen, die durch eine medizinisch notwendige Heilbehandlung entstehen, zeigt schon § 178b Abs. 1 VersVG, welcher schlechthin auf "sonstige vereinbarte Leistungen" im Rahmen der Krankheitskostenversicherung verweist. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten von Leistungen aus dem Versicherungsfall der Krankheit enthalten die Absätze 2 bis 4 der zitierten Gesetzesbestimmung.
Die vom beschwerdeführenden Verein angebotenen Leistungen bestehen auch in der Rückholung von Personen aus dem Ausland nach Österreich inklusive medizinischer Betreuung; sie umfassen aber auch Verlegungsflüge innerhalb Österreichs, Transport von Medikamenten an den jeweiligen Aufenthaltsort, Übernahme der Bergungskosten nach einem Unfall, bei Berg- oder Seenot, und schließlich auch die Kosten des Rücktransportes im Todesfall (sowie der Rückreise im Todesfall eines Angehörigen).
Wie § 178b Abs. 1 und 3 VersVG zeigt, können auch Krankheiten als Unfallfolgen im Rahmen der Krankenversicherung unter den Versicherungsschutz fallen. Schon die Anknüpfung dieser Leistungen an den Versicherungsfall der Krankheit spricht insoweit für das Vorliegen einer Krankenversicherung. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde spricht weder die eingeschränkte Geltungsdauer der hier in Rede stehenden Versicherung noch der Umstand, dass auch Krankentransportleistungen erbracht werden, gegen die Subsumption der Versicherung unter § 6 Abs. 1 Z 3 VersStG:
So kann eine private Krankenversicherung, welche auf die individuellen Versicherungsbedürfnisse des Versicherten zugeschnitten ist, auch als Auslandsreisekrankenversicherung angeboten werden (vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden, Band 12, 466). Die im vorliegenden Fall angebotenen Leistungen stehen nicht nur mit einer Erkrankung in Zusammenhang, sondern dienen zweifelsohne einer Optimierung der Heilung, wie zum Beispiel der Rücktransport aus dem Ausland in ein Krankenhaus mit dem gewünschten Standard, die Möglichkeit der rascheren Gesundung des Patienten in einer vertrauten Umgebung und ohne mögliche Sprachprobleme.
Dass der Transport von Patienten als Teil der Krankenversicherung angesehen werden kann, zeigt - neben der Wortfolge "sonstige vereinbarte Leistungen" in § 178b Abs. 1 VersVG -, wie vom beschwerdeführenden Verein zu Recht aufgezeigt wurde, auch das ASVG. Die Krankenbehandlung wird in den §§ 133 bis 135 ASVG umschrieben, wobei § 135 ASVG ("Ärztliche Hilfe") auch von den Voraussetzungen für "den Transport mit einem Krankentransportwagen zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe" spricht. Dass die Patienten während des Transportfluges medizinisch betreut werden, spricht gleichfalls für diese Beurteilung.
Im Übrigen entbehren die Ausführungen der belangten Behörde, die Krankenversicherung decke lediglich das Risiko einer Erkrankung vor Ort, jeder Grundlage, da weder im VersStG noch im VersVG oder in den Sozialversicherungsgesetzen derartige Einschränkungen gemacht werden. In den Beschwerdeausführungen wird diesbezüglich richtigerweise auf zwischenstaatliche Abkommen über die soziale Sicherheit verwiesen. Es spricht nichts dafür, dass eine private Krankenversicherung nur dann vorläge, wenn ausschließlich das Risiko in der gewohnten Umgebung abgedeckt wird. Auch die Ansicht der belangten Behörde, dass eine Krankenversicherung auf Dauer ausgerichtet sein müsse, findet im Gesetz keine Grundlage. § 178i VersVG räumt die Möglichkeit kurzfristiger Krankenversicherungen, die auf weniger als ein Jahr befristet sind, ein. Auch ist nicht erkennbar, was aus der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z 2 VersStG für den Standpunkt der belangten Behörde zu gewinnen wäre.
Nicht verkannt wird, dass im hier gegenständlichen Leistungspaket auch Versicherungsleistungen enthalten sind, die nicht im Versicherungsfall der Krankheit gewährt werden. In diesem Zusammenhang geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der die steuertarifliche Einordnung der Versicherungssparte in § 6 Abs. 1 VersStG bestimmende Charakter der Versicherung durch jenes beträchtlich überwiegende Risiko bestimmt wird, welches das wirtschaftliche Schwergewicht des Leistungspaketes bildet.
Sollten, was nahe liegend ist, die hier für den Versicherungsfall der Krankheit oder des Ablebens des Versicherten angebotenen Leistungen gegenüber jenen, die für den Versicherungsfall des Ablebens Angehöriger des Versicherten sowie der Berg- oder Wassernot im Ausland angeboten wurden, in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gemessen an dem zu Grunde liegenden Geschäftsplan beträchtlich überwiegen, so wäre die vom beschwerdeführenden Verein angebotene Versicherung in ihrer Gesamtheit als Krankenversicherung zu qualifizieren.
Dann hätte richtigerweise der Steuersatz von 1 vH gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 VersStG zur Anwendung zu kommen gehabt. Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 18. Dezember 2002
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 KrankenversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002170200.X00Im RIS seit
16.05.2003