Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des P, geboren 1960, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraße Hauptstraße 58/14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. September 2002, Zl. SD 492/02, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. September 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 48 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei unter seinem Aliasnamen W. am 5. September 1995 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt. Mit Bescheid vom 5. September 1995 sei er gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes aus 1992 ausgewiesen worden. Am 7. September 1995 habe er einen Asylantrag gestellt welcher am 27. September 1995 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer sei jedoch illegal im Bundesgebiet verblieben und habe durch einen Hungerstreik die Vollstreckung seiner Ausweisung vereitelt. Wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts sei der Beschwerdeführer am 5. Juni 1996 rechtskräftig bestraft worden. Einer gegen die Abweisung des Asylantrages eingebrachten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt worden. Nachdem der Beschwerdeführer weitere zweimal wegen illegalen Aufenthalts rechtskräftig bestraft worden sei, habe er Abschiebungsaufschübe erhalten. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof am 29. Mai 1998 einen Zurückweisungsbeschluss gefasst habe, sei das Asylverfahren des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 12. Juni 1998 rechtskräftig negativ beendet worden.
Zum Beweis seiner Identität habe der Beschwerdeführer der Bundespolizeidirektion Graz eine liberianische Geburtsurkunde vorgelegt, welche als Totalfälschung klassifiziert worden sei. Deshalb sei der Beschwerdeführer am 20. März 1997 wegen Urkundenfälschung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt worden. Über den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers sei zunächst nichts bekannt gewesen, nach den in der Berufung unbestritten gebliebenen Feststellungen der Erstbehörde habe er sich zunächst weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten.
Erst am 4. März 1999 habe der Beschwerdeführer unter Angabe seiner wahren Identität bei der österreichischen Botschaft in Lagos einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin" gestellt. Er habe zunächst ein bis 5. Juli 1999 gültiges Visum D erhalten, mit welchem er am 21. März 1999 in das Bundesgebiet eingereist sei. Im Anschluss daran seien ihm zwei Niederlassungsbewilligungen zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" erteilt worden. Am 4. Februar 2001 sei der Beschwerdeführer wegen des Verdachts des Suchtmittelschmuggels und Suchtmittelhandels festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits unter der obangeführten falschen Identität anlässlich seiner Asylantragstellung erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Dies sei der Erstbehörde am 7. Februar 2001 mitgeteilt worden.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2 vierter Fall, Abs. 3 erster und zweiter Fall und Abs. 4 Z. 3 Suchtmittelgesetz (gewerbsmäßiges Inverkehrsetzen einer Suchtgiftmenge, die zumindest das 25-fache der zur Herbeiführung einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit in großem Ausmaß geeigneten "Grenzmenge" ausmacht, als Mitglied einer Bande) sowie wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden gemäß § 223 Abs. 2 und § 224 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe als Mitglied einer Bande von insgesamt vier Personen Suchtgifte gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt. Im August 2000 habe die Bande den Beschluss gefasst, dass der Beschwerdeführer das Suchtgift organisieren und gemeinsam mit den weiteren Bandenmitgliedern strecken, portionieren und an schwarzafrikanische Suchtgifthändler verkaufen solle. Vereinbarungsgemäß habe der Beschwerdeführer im Zeitraum von August 2000 bis Ende 2000 etwa 600 Gramm Kokain und 500 Gramm Heroin mit einem nicht mehr feststellbaren Wirkstoffgehalt in zumindest überdurchschnittlicher Straßenqualität in drei Lieferungen an zwei Bandenmitglieder zur weiteren Inverkehrsetzung übergeben. Im Jänner 2001 habe der Beschwerdeführer ein weiteres Bandenmitglied bestimmt, eine größere Menge, nämlich insgesamt 1.044,3 Gramm Heroin und 909,1 Gramm Kokain von den Niederlanden nach Österreich zu schmuggeln. Das Suchtgift sei in professioneller Art und Weise in einen Rucksack bzw. in ein Paar Schuhe eingenäht worden. Zudem sei das Kleinkind dieses Bandenmitgliedes zur Tarnung auf der Schmuggelfahrt mitgenommen worden. Dennoch sei dieses Bandenmitglied knapp vor Erreichung der Wohnung des Beschwerdeführers, in welcher die Schmuggelware hätte deponiert werden sollen, festgenommen worden. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer erneut ein Urkundendelikt begangen habe. Am 29. Jänner 2001 habe er einen mit seinem Lichtbild versehenen ghanaischen Reisepass, der auf einen anderen Namen gelautet habe, gegenüber Mitarbeitern eines Geldinstitutes anlässlich einer Geldüberweisung verwendet.
Auf Grund der am 16. Jänner 1999 in Nigeria geschlossenen Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen sei der Beschwerdeführer gemäß § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn sei gemäß § 48 Abs. 1 FrG nur zulässig, wenn auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen sei, insofern von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden dürfe und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden könne (vgl. das Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 99/18/0155).
Vorliegend sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 auf Grund der Verurteilungen des Beschwerdeführers erfüllt.
Angesichts des der letztgenannten Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens - der Beschwerdeführer habe als Mitglied einer Bande eine große Suchtgiftmenge gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt - und im Hinblick auf die der Suchtgiftkriminalität innewohnende Wiederholungsgefahr könne kein Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 und somit auch jene des § 48 Abs. 1 erster Satz FrG erfüllt seien. Dies um so mehr, als der Beschwerdeführer darüber hinaus die Fremden- bzw. Asylbehörden über seine wahre Identität für einen längeren Zeitraum getäuscht habe.
Da der Beschwerdeführer vor seiner Inhaftierung mit seiner österreichischen Ehegattin im selben Haushalt gelebt habe und er einer Beschäftigung als Küchengehilfe nachgegangen sei, sei das Aufenthaltsverbot mit einem relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Diese Maßnahme sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Das qualifizierte Fehlverhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könne schon angesichts der vom Beschwerdeführer ausgehenden besonders hohen kriminellen Energie nicht positiv ausfallen, zumal er als Kopf einer Bande, die sich auf den gewerbsmäßigen Suchtgiftschmuggel und -handel in Bezug auf eine besonders große Menge an Suchtgift spezialisiert habe, anzusehen sei. Der seit der Tatbegehung verstrichene Zeitraum sei zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf den (mit Unterbrechungen) seit 1995 bestehenden, jedoch erst seit 21. März 1999 rechtmäßigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Der daraus ableitbaren Integration komme deshalb kein entscheidendes Gewicht zu, weil sie in der erforderlichen sozialen Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert werde. Unter Bedachtnahme auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei Suchtgiftdelikten die Erlassung eines Aufenthaltsverbots auch bei ansonsten voller sozialer Integration eines Fremden gerechtfertigt sei, gelange die belangte Behörde zu der Auffassung, dass die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Gattin keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass nach Ansicht des Gerichts die verhängte Strafe spezial- und generalpräventiv angemessen sei. Mit der Verbüßung der auferlegten Strafe sei somit gewährleistet, dass sich der Beschwerdeführer rechtskonform verhalte. Für eine andere - offenbar auf der Auffassung, der Beschwerdeführer sei unverbesserlich oder zu gering bestraft worden, basierende - "Verhaltensprognose" bestehe kein Anlass. Die Ansicht der belangten Behörde bedeute, dass ihrer Meinung nach das Strafgericht ein unrichtiges Urteil gefällt habe. Eine derartige Beurteilung könne die Behörde aber schon auf Grund ihrer zweifellos viel geringeren Kenntnis über die Einzelheiten der Straftat und der Persönlichkeit des Beschwerdeführers nicht vornehmen. In Wahrheit bedeute das vorliegende Aufenthaltsverbot nichts anderes als eine unzulässige "Doppelbestrafung" des Beschwerdeführers für das erwähnte Drogendelikt.
2. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde die Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbots eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdengesetzes - unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung - vorzunehmen hatte. Die Beschwerde verkennt auch, dass ein Aufenthaltsverbot keine Strafe, sondern eine administrativrechtliche Maßnahme darstellt, weshalb das behauptete rechtliche Spannungsverhältnis zu den gerichtlichen Bestrafungen des Beschwerdeführers nicht gegeben ist. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0358.)
3. Gegen die - nicht konkret bekämpfte - Beurteilung der belangten Behörde, dass der - als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehende - Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt, die in § 48 Abs. 1 erster Satz iVm § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt und das Aufenthaltsverbot ungeachtet der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. gerechtfertigt sei, bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 18. Dezember 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002180259.X00Im RIS seit
08.04.2003