TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/18 2000/18/0077

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Veröffentlicht am 18.12.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1962, vertreten durch Dr. Ludwig Hoffmann, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 5. Oktober 1999, Zl. III 157-1/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 5. Oktober 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, dem Beschwerdevorbringen zufolge ein jugoslawischer Staatsangehöriger, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein bis zum 6. September 2005 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei vom Bezirksgericht Schwaz mit in Rechtskraft erwachsener Strafverfügung vom 27. Dezember 1996 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden, weil er am 27. August 1996 in Jenbach auf der Achenseestraße A.D. durch einen Faustschlag in das Gesicht, der ein Hämatom und eine kleine Abschürfung am Kinn zur Folge gehabt habe, am Körper verletzt habe.

Weiters sei über ihn vom Landesgericht Innsbruck mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 3. Februar 1999 wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 StGB eine bedingt nachgesehene Geldstrafe von 360 Tagessätzen verhängt worden, weil er am 16. und 28. Juli 1998 in Innsbruck mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte einer näher genannten Sparkasse durch die Vorgabe, vom Konto seiner Frau abhebungsberechtigt zu sein, wobei auch der Revisor der Sparkasse dieser Abhebung bereits zugestimmt hätte und wobei der Beschwerdeführer vier Auszahlungsscheine, auf denen er die Unterschrift der Kontoinhaberin V. und des Revisors nachgemacht habe, vorgelegt habe, somit durch Täuschung über Tatsachen und Verwendung falscher Urkunden zu einer Handlung, nämlich zur Auszahlung von insgesamt S 35.000,--, verleitet habe, die die Sparkasse an ihrem Vermögen geschädigt habe.

Ferner sei über den Beschwerdeführer vom Landesgericht Innsbruck mit in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 6. Juli 1999 wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen verhängt worden, weil er am 28. Februar 1999 in Innsbruck eine fremde Sache beschädigt habe, indem er mit dem Fuß gegen die Fahrertür des PKWs eines anderen gestoßen habe, wobei der Schaden unerhoben geblieben sei.

Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers zeige deutlich seine negative Einstellung zur Rechtsordnung, woraus zu folgern sei, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG). Seine rechtskräftigen Verurteilungen vom 3. Februar 1999 und 6. Juli 1999 erfüllten den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall leg. cit. Angesichts des Vorlebens des Beschwerdeführers sei die Zeit des Wohlverhaltens seit seiner letzten Straftat am 28. Februar 1999 zu kurz, um ihm jetzt schon eine dauerhafte Änderung seiner Einstellung zur Rechtsordnung attestieren zu können.

Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers liege zwar vor, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei jedoch gemäß § 37 Abs. 1 leg. cit. nicht unzulässig, weil die sich in seinem Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten mache. Es werde daher auch vom Ermessen gemäß § 36 Abs. 1 FrG zu seinem Nachteil Gebrauch gemacht. Diesbezüglich werde auf seine rechtskräftige Verurteilung vom 3. Februar 1999 und seine erneute Straffälligkeit am 28. Februar 1999 hingewiesen.

Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer. Er halte sich seit Ende 1990 und ununterbrochen behördlich erlaubt seit 1992 hier auf und weise eine dementsprechend gute Integration auf. Seit ca. vier Jahren sei er Hausmann. Er habe eine intensive familiäre Bindung zu seiner Ehegattin V., die behördlich erlaubt als Krankenschwester in einer Klinik arbeite, und zu seinen minderjährigen Kindern, mit denen er in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Seine 14-jährige Tochter J. gehe zur Schule. Diese persönlichen Interessen wögen jedoch im Hinblick auf seine Neigung zu (schweren) Straftaten höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb diese Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Der Schutz der Rechte anderer auf körperliche Integrität und Eigentum habe großes öffentliches Gewicht.

Ein Aufenthaltsverbot - Verbotsgrund gemäß den §§ 38, 35 FrG komme nicht zum Tragen.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen, und es sei bis zum Wegfall des Grundes für dessen Erlassung, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, das Verstreichen von sechs Jahren vonnöten.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 6. März 2000, B 1795/99). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer den Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend die vom Beschwerdeführer verübten Straftaten und seine deswegen erfolgten gerichtlichen Verurteilungen. Auf dem Boden dieser Feststellungen begegnet die - von der Beschwerde unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG verwirklicht und die in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.

2. Die Beschwerde wendet sich indes gegen die Beurteilung gemäß § 37 FrG und bringt vor, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers einer Beschäftigung als Krankenschwester nachgehe, er für die (gemeinsamen) minderjährigen Kinder (die knapp 15-jährige Tochter und den 3-jährigen Sohn) den Haushalt führen müsse und seine Kinder ohne ihn als Bezugsperson und ohne seine Aufsicht der Verwahrlosung anheim fallen würden, weil seine Ehegattin aus beruflichen Gründen nicht in der Lage wäre, sich um die Kinder zu kümmern. Er habe in den letzten fünf Jahren fast ausschließlich für das Wohl seiner Kinder bis in die kleinsten Einzelheiten gesorgt. Hätte die belangte Behörde, wie von ihm beantragt, seine Ehegattin und seine Tochter vernommen, hätten diese die dringende Notwendigkeit seiner Anwesenheit für seine Familie darlegen können und wäre die belangte Behörde zu einem anderen (für ihn) günstigen Ergebnis gelangt. Darüber hinaus sei er seit bereits zehn Jahren in Österreich aufhältig. In Anbetracht seiner hervorragenden Integration und seiner intensiven familiären Bindung habe die belangte Behörde den öffentlichen Interessen ein zu hohes Gewicht beigemessen.

3. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 Abs. 1 und 2 FrG fällt zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht, dass er sich seit Ende 1990 und ununterbrochen behördlich erlaubt seit 1992 im Bundesgebiet aufhält und hier mit seiner Ehegattin, die einer geregelten Beschäftigung nachgeht, und seinen beiden minderjährigen Kindern zusammenlebt. Diesen sehr gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er am 27. August 1996 einem anderen durch einen Faustschlag ins Gesicht eine (leichte) Körperverletzung zugefügt, am 16. und 28. Juli 1998 Angestellte einer Sparkasse durch Vortäuschung, vom Konto seiner Frau abhebungsberechtigt zu sein, unter Verwendung von gefälschten Auszahlungsscheinen zur Auszahlung von insgesamt S 35.000,-- verleitet und am 28. Februar 1999 die Fahrertür eines fremden PKWs mit dem Fuß beschädigt hat. Wenn auch die mit diesen Straftaten, insbesondere den auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vermögensstraftaten, verbundene Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Rechte anderer, insbesondere an der Verhinderung der Eigentumskriminalität, schwer wiegt, so wäre das darin begründete öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers gegenüber den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen dann von geringerem Gewicht, wenn die Ehegattin des Beschwerdeführers, wie dieser vorgebracht hat, tatsächlich infolge ihrer Berufstätigkeit nicht in der Lage sein sollte, die beiden minderjährigen Kinder zu pflegen und zu erziehen, und diese daher auf ihren Vater angewiesen sein sollten.

Ob dieses Vorbringen des Beschwerdeführers zutreffend ist, kann den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen nicht entnommen werden

4. Der festgestellte Sachverhalt erweist sich daher in einem wesentlichen Punkt als ergänzungsbedürftig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

5. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen werden.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 18. Dezember 2002

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000180077.X00

Im RIS seit

27.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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