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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §25 Abs2 letzter Satz Tir BauO 1998, LGBl 15/1998, mit E v 01.10.99, G73/99.Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck ist schuldig, den Beschwerdeführern zu B1463/99 zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 32.200,- bestimmten Prozeßkosten und der Beschwerdeführerin zu B1492/99 zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 29.500,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 26. Mai 1999 erteilte der Stadtmagistrat Innsbruck der Beschwerdeführerin zu B1492/99 die Baubewilligung für einen Dachgeschoßausbau und einen Liftanbau. Dagegen erhoben die Nachbarn und Beschwerdeführer zu B1463/99 Berufung und machten sowohl die Verletzung von Abstandsvorschriften als auch die Verfassungswidrigkeit des §25 Abs2 Tiroler Bauordnung 1998 geltend.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Stadtsenat der Landeshauptstadt Innsbruck der Berufung hinsichtlich der Errichtung des Liftanbaues Folge gegeben und das Bauansuchen abgewiesen, im übrigen jedoch den angefochtenen Bescheid bestätigt.
2. Gegen diesen Bescheid wenden sich die vorliegenden Beschwerden der Bauwerberin (B1492/99) und der Nachbarn (B1463/99). Die Nachbarn wenden sich gegen die Abweisung der Berufung betreffend den geplanten Dachgeschoßausbau und behaupten die Verfassungswidrigkeit des §25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998. Auch die Bauwerberin erachtet sich durch die Anwendung dieser Bestimmung in ihren Rechten verletzt, da die Abstandsbestimmung allein "eine ausgewogene Sachentscheidung" unmöglich mache. Darüber hinaus rügt sie die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Die Beschwerdeführer beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids.
3. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Innsbruck als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete im Verfahren B1492/99 eine Gegenschrift, in der er den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Die im Verfahren B1492/99 mitbeteiligten Parteien (ie. die Beschwerdeführer zu B1463/99) erstatteten eine Äußerung, in der sie beantragen, die Beschwerde abzuweisen und der mitbeteiligten Partei Kostenersatz zuzuerkennen.
5. Mit amtswegigem Beschluß vom 27. Februar 1999, B2126/98, leitete der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998 ein. Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G73/99, hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.
II. 1. In sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 Abs2 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 werden die zu hg. B1463/99 und B1492/99 protokollierten Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G73/99 begann am 1. Oktober 1999. Die vorliegenden Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof am 30. August 1999 bzw. am 6. September 1999 eingelangt, waren also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G73/99 schon anhängig; sie sind somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht auszuschließen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zuerkannten Kosten sind Streitgenossenzuschlag in Höhe von
S 2.250,- (B1463/99), Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.950,-
(B1463/99) bzw. S 4.500,- (B1492/99) und jeweils eine Eingabengebühr in der Höhe von S 2.500,- enthalten. Der mitbeteiligten Partei war der Ersatz der Kosten für die Erstattung ihrer Äußerung nicht zuzusprechen.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B1463.1999Dokumentnummer
JFT_10008871_99B01463_00